Anja Blacha nach Gipfelerfolg an der Annapurna I: „Ich hatte viel Glück“

Anja Blacha an der Annapurna I
Anja Blacha an der Annapurna I

Keine Frau aus Deutschland stand auf so vielen Achttausendern wie Anja Blacha. Die 34-Jährige hat gute Chancen, die erste deutsche Frau auf allen 14 Achttausendern zu werden. Nach ihrem Erfolg an der Annapurna I am 7. April fehlen ihr von den 14 höchsten Bergen der Welt nur noch drei: der Lhotse (8516 Meter) und der Dhaulagiri (8167 Meter) in Nepal sowie die Shishapangma (8027 Meter) in Tibet.

Anja steigt in kommerziellen Teams über die Normalrouten auf. Zehn ihrer elf Achttausender hat sie ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Lediglich bei ihren beiden Everest-Erfolgen – 2017 über die tibetische Nordseite und 2021 über die nepalesische Südseite – griff Blacha zur Atemmaske. Im Winter 2019/2020 erreichte sie auf Skiern den Südpol, nachdem sie ihren Schlitten von der Küste der Antarktis aus fast 1400 Kilometer hinter sich hergezogen hatte – allein und ohne Unterstützung von außen.

Anja Blacha hat in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu meine drei Fragen beantwortet:  

Anja Blacha
Anja Blacha

Mein Aufstieg fing bei besten Verhältnissen an, und ich konnte entsprechend leicht Lager 2 erreichen. Als ich bei ähnlich guten Bedingungen die riskante Schlüsselpassage zu Lager 3 anging, löste sich jedoch eine Lawine. Die beiden Bergsteiger ein Stück weiter unter mir schrien noch und rannten ausreichend weit weg, ich drückte mich währenddessen gegen die nahe gelegene Eiswand und sicherte mich am Seil.

Ich hatte viel Glück und bin schnee- und eisgeduscht mit nichts als einem zerbrochenen Helm und durchnässten Baselayern davongekommen. Der Schreck saß jedoch tief. Und als dann noch das Wetter kurz darauf umschwang bin ich entsprechend durchgefroren und wacklig auf den Beinen in Lager 3 angekommen. 

Hochlager an der Annapurna I
Lager 3 an der Annapurna I

Tags drauf bin ich als Einzige zusammen mit dem pakistanischen Bergsteiger Sirbaz Khan weiter aufgestiegen und habe ein Lager 4 eingerichtet, um den Gipfeltag zu verkürzen, der mir aufgrund der sehr kurzen Akklimatisierungszeit für einen Aufstieg ohne Flaschensauerstoff ab Lager 3 (6400 Meter) zu lang war. Am Gipfeltag selbst hatten wir bestes Wetter, und es gab zum Glück keine schwierigeren oder gefährlichen Passagen mehr, sodass ich gut den Gipfel erreichen konnte.

Mir fehlt der persönliche Vergleich, um die Verhältnisse zu Vorjahren einschätzen zu können. Dass es aber außerordentlich trockene, anspruchsvolle Verhältnisse waren, habe ich unisono vernommen. Die gefährlichen und spaltenreichen Bedingungen führten auch dazu, dass mehr Seil benötigt wurde als sonst und dass das übliche Lager 4 von Steinschlag durchzogen war, also keinen sicheren Platz für ein größeres kommerzielles Lager bot.

Nach dem Abstieg vom Gipfel habe ich in Lager 4 übernachtet. Es war ohnehin so angedacht und erwies sich dann noch als nützlich, weil Sirbaz und ich kurz vor Lager 4 noch einen Bergsteiger aufgelesen hatten, der Schwierigkeiten hatte, weiter abzusteigen. Ich hatte zu der Zeit zwar schon von dem tragischen Tod der Sherpas durch das Lawinenunglück gehört, wusste aber nichts um Probleme mit Fixseilen – und konnte am nächsten Tag auch den gesamten Weg bis ins Basislager gut gesichert zu Fuß absteigen.

Spaltenreiches Gelände
Spaltenreiches Gelände (oberhalb von Lager 2)

Auf dem flachen Schneefeld oberhalb von Lager 2 waren natürlich die enormen Spuren der Lawine zu sehen und eine Spalte (die, in die die Sherpas mitgerissen und verschüttet wurden), die zuvor mit Leitern zu queren war, musste neu seitlich umgangen werden, weil sie sich so enorm ausgeweitet hatte.

Von den vielen Heli-Einsätzen habe ich natürlich mitbekommen. Dem Hörensagen nach waren nur die wenigsten davon aufgrund medizinischer Notlagen gerechtfertigt.

Die Annapurna war für mich der bislang gefährlichste Berg. Die Lawinengefahr von Lager 2 zu 3 ist praktisch unkalkulierbar, wie sich leider wieder gezeigt hat. Dadurch ist vor allem eine Akklimatisierung am Berg für Bergsteiger, die ohne Flaschensauerstoff unterwegs sind, heikel – ebenso wie die Hochlagererrichtung und Materialversorgung ab Lager 3 für Bergsteiger mit Sherpa-Support (soweit diese nicht durch Heli-Shuttles entlastet wird).

Annapurna I
Die 8091 Meter hohe Annapurna I im Westen Nepals

Dafür wartet der Gipfeltag mit vergleichsweise geringen Anforderungen auf; das Basislager ist zudem wunderschön und komfortabel gelegen und ermöglicht eine gute Regeneration.

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