„Und was kommt als Nächstes? Eine weitere rekordverdächtige Expedition? Möglicherweise. Als Nebeneffekt“, schreibt Anja Blacha auf ihrer Internetseite. „Anstatt meine Ziele anhand von Rekorden zu definieren, lasse ich mich lieber von meiner Neugier leiten. Ich folge meinen Interessen und lebe nach meinen Werten, Tugenden und Fähigkeiten. Die Kunst, auf gute Weise nach etwas zu streben. Eudaimonie.“ Dieser Begriff aus der griechischen Philosophie setzt sich zusammen aus „Eu“ (gut) und „Daimon“ (Dämon, Geist). Mit anderen Worten: Anja versucht, ihren eigenen guten Geist auszuleben.
Und das macht die 34 Jahre alte deutsche Abenteurerin sehr beharrlich. Auf diese Weise hat Blacha im Winter 2019/2020 auf Skiern den Südpol erreicht, nachdem sie ihren Schlitten von der Küste der Antarktis aus fast 1400 Kilometer hinter sich hergezogen hatte, allein und ohne Unterstützung von außen.
Zweimal bestieg sie den Mount Everest – 2017 über die tibetische Nordseite und 2021 über die nepalesische Südseite. Und mit ihren Erfolgen an der Annapurna I und am Dhaulagiri in diesem Frühjahr hat sie zwölf der 14 Achttausender in kommerziellen Teams über die Normalrouten bestiegen – mit Ausnahme des Everest allesamt ohne Flaschensauerstoff. Nach ihrem zweiten Achttausender-Gipfelerfolg in dieser Saison hat Anja Blacha meine Fragen beantwortet.
Anja, zunächst mal herzlichen Glückwunsch zum 12. Achttausender. Die Wetterverhältnisse waren zunächst schwierig. Dann hat sich ein Wetterfenster geöffnet. Wie hast du Auf- und Abstieg am Dhaulagiri erlebt?
Wieder einmal: Vielen herzlichen Dank, Stefan! Das Wetter am Dhaulagiri war eigentlich über lange Zeit erstaunlich gut, oft sogar besser als erwartet. Es sind eher die Wettervorhersagen, die am Dhaulagiri schwierig sind. Günter Seyfferth beschreibt die “Wetterküche” sehr treffend auf seiner Website. Dass es praktisch jeden Nachmittag Wolken und Neuschnee gibt, gehört am Dhaulagiri schlichtweg dazu; die Frage ist nur, wie viel Neuschnee jeweils.

Gerade auf den oberen Passagen am Berg bedeutet das schwere Spurarbeit. Abgesehen davon habe ich Auf- und Abstieg am Dhaulagiri als sehr unkompliziert erlebt; ich möchte fast sagen, von der Route her einfacher noch als beispielsweise am Manaslu. Und für den Neuschnee wurden wir am Gipfeltag mit Windstille, sternklarer Nacht und wolkenfreiem Vormittag entlohnt.
Du bist diesmal zusammen mit dem Fixseil-Team zum Gipfel aufgestiegen. War das von vornherein dein Plan?
Ich gehe eigentlich ungern zeitgleich mit dem Fixseil-Team. Meist muss man lange Wartezeiten einplanen, und es ist ungewiss, ob man es bis ganz nach oben schafft. Daher habe ich es auch am ursprünglich avisierten Gipfeltag des Fixseil-Teams gar nicht erst versucht. Am letztlichen Gipfeltag war es gleichwohl die beste Option: Die Route war schon fast vollständig erschlossen, das erwartete Wetterfenster kurz und bei dem steten Neuschnee gebündelte Manpower hilfreich.

Wir haben uns also in zwei gestaffelt aufsteigenden Teams zusammengetan und drei potenzielle Gipfeltage ausgemacht – von denen wir den ersten direkt verstreichen ließen. Ein Gros der Sherpas und internationalen Bergsteiger war zu müde vom Aufstieg nach Lager 3, um noch am selben Tag den Gipfelanstieg anzugehen, einzelne sind sogar ganz ausgefallen.
Am darauffolgenden Tag lief dafür alles gut. Es gab zwar ein paar der langen Wartezeiten, aber insgesamt habe ich vom Vorausspuren des Fixseil-Teams profitiert.
Nun hast du deinen zwölften Achttausender bestiegen. Du bist damit die erfolgreichste deutsche Höhenbergsteigerin. Erste deutsche Frau auf allen 14 Achttausendern – das wird immer realistischer. Motiviert dich das zusätzlich?
Ich sehe mich weiterhin nicht im Wettbewerb mit anderen deutschen Höhenbergsteigerinnen. Es gibt ohnehin viel zu wenige von ihnen, umso schöner also, falls eine mehr ihren Weg in der Welt der hohen Berge findet und mit Einsatz erfolgreich verfolgt.

Elf der zwölf Achttausender hast du ohne Flaschensauerstoff geschafft. Was bedeutet dir das?
Aktuell sehe ich darin vor allem eine unausgewogene Zahlenkombination.