Keine andere Frau aus Deutschland hat nun häufiger auf Achttausendern gestanden als Anja Blacha. Der Bergsteigerin, die am 18. Juni ihren 34. Geburtstag feiert, gelang am 8586 Meter hohen Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Erde, ein Last-Minute-Gipfelerfolg zum Abschluss der Frühjahrssaison an den Achttausendern in Nepal. Am 12. Mai hatte sie bereits den 8485 Meter hohen Makalu, den fünfthöchsten aller Berge, bestiegen. An beiden Bergen war Anja auf den Normalrouten unterwegs, mit Teams des kommerziellen Veranstalter Seven Summit Treks (SST). Sie selbst verzichtete dabei auf Flaschensauerstoff.
Es waren ihre Achttausender Nummer sieben und acht nach Mount Everest (2017 und 2021), Broad Peak, K2 (beide 2019), Nanga Parbat, Gasherbrum I und II (diese drei 2023). Lediglich am Everest nutzte sie bei ihren Aufstiegen eine Atemmaske. Damit hat die deutsche Bergsteigerin nun einen Achttausender-Gipfelerfolg mehr auf dem Konto als Alix von Melle, die bisher auf sieben Achttausendern stand. Anja Blacha hat nach ihrer Rückkehr vom Kangchendzönga meine Fragen beantwortet.
Herzlichen Glückwunsch, Anja. Du hast in diesem Frühjahr den Makalu und jetzt auch noch zum Saisonabschluss den Kangchendzönga ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Mit nun acht Achttausendern darfst du dich erfolgreichste deutsche Höhenbergsteigerin nennen. Wie fühlt sich das an?
Vielen Dank. Ich freue mich natürlich, dass ich diese Saison zwei der hohen Achttausender ohne Flaschensauerstoff besteigen konnte. Einen Wettbewerb mit anderen deutschen Höhenbergsteigerinnen suche ich dabei aber nicht, und Erfolg kann gerade in der Bergwelt an so unterschiedlichen Faktoren bemessen werden. Somit hat ein vergleichendes „erfolgreichste“ für mich keine rechte Bedeutung.
Lass uns deine Aufstiege in diesem Frühjahr rekapitulieren. Es ging los mit dem Makalu. Wie ist es dir am fünfthöchsten Berg der Erde ergangen?
Die Makalu-Besteigung lief sehr rund. Der Berggipfel war schon früh in der Saison erschlossen worden, und es gab viele Tage mit guten Bedingungen, sodass ich mich rasch akklimatisieren konnte und kaum mehr als zwei Wochen nach meiner Ankunft im Basislager auf dem Gipfel stehen durfte.
Vom fünfthöchsten ging es zum dritthöchsten Berg der Erde, dem Kangchendzönga. Hast du damit gerechnet, dort noch so spät in der Saison einen Gipfelerfolg feiern zu können?
Ich hatte darauf spekuliert, dass es am Kangchendzönga Ende Mai einen größeren Gipfelanstieg geben würde, dem ich mich anschließen könnte. Versucht wurde er auch, aber außer (den Polen) Bartek Ziemski und Oswald Rodrigo Pereira, die in einem beeindruckenden Alleingang zum Gipfel aufgestiegen sind, haben alle abgebrochen.
Während daraufhin die Zelte der Expeditionsteams im Basislager zusammengepackt wurden und die noch erwarteten Teams ihre Ankunft absagten, haben eine andere Bergsteigerin und ich die Initiative ergriffen, mit SST einen letzten Gipfelanstieg zu koordinieren. Damit sind wir zwar schon in die Sommersaison geraten, die Schnee- und Windverhältnisse waren aber gerade noch gut, und so konnten wir mit einem kleinen, aber starken Team die Expedition erfolgreich abschließen.
Wo ordnest du den Makalu und den Kangchendzönga in deiner persönlichen Achttausender-Vita ein in Sachen Schwierigkeit und wie sehr du an dein Limit gehen musstest?
Die unteren Etappen stellen keine besonderen Schwierigkeiten im Vergleich zu den anderen 8000ern, die ich kenne. Interessanter ist der finale Gipfelanstieg. Ab dem traditionell auf mindestens 7500 Metern liegenden Lager 4 hat der Kangchendzönga einen der längsten Gipfeltage aller Achttausender. Ab 7200 Metern, wo das Lager in diesem Jahr angesiedelt war, ist der Weg noch einmal länger. Dazu wird es im oberen Teil felsig und braucht mehr Fokus. Ich würde sagen, so schwere Beine wie im Abstieg vom Kangchendzönga hatte ich bei noch keinem der Achttausender. Der Makalu ist dem Kangchendzönga strukturell recht ähnlich, aber insgesamt etwas kürzer und einfacher.
Die fünf Achttausender-Pakistans hast du bereits allesamt ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Du kannst dir also die Sommersaison dort sparen. Hast du Pläne für die Herbstsaison?
Final noch nicht, aber eigentlich wollte ich dieses Jahr nur im Herbst in den Himalaya. Dass ich nun auch schon im Frühjahr dort war, kam eher spontan.
Die schweren Vorwürfe gegen Nepals Starbergsteiger Nirmal Purja wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe haben eine #MeToo-Debatte im Bergsport ausgelöst. Als wie sicheren Ort für Frauen hast du den Bergsport bei deinen Expeditionen bisher erlebt?
Ich persönlich habe die Berge bisher überwiegend als sicheren Ort erlebt. Ausnahmen gibt es leider immer, genauso wie man es auch in anderen Lebensbereichen erfahren kann. Die aktuellen, öffentlichen Vorwürfe sind meiner Einschätzung nach jedoch erst die Spitze des Eisbergs.
Anja Blacha beeindruckt mich immer wieder, besteigt einen 8000er ohne Sauerstoffflasche nach dem anderen ohne viel Aufsehen, Social Media Ankündigungen etc. Chapeau!
Super Interview und gute Antworten von Anja. Ich ziehe meinen Hut vor ihr, denn sie macht aus ihren unglaublichen Erfolgen keinen großen Hehl und ist so bescheiden. Vor ihrer Leistung habe ich große Achtung! Weiter so, liebe Anja!
Ich hatte dieses Interview fast schon ein wenig vermisst. Wie immer – ausgezeichneter Journalismus deinerseits, Stefan! – Und absolut RESPEKT für Anjas Leistungen und ihrer persönlichen Haltung zu ihrem Tun! – Was für ein wohltuender Kontrast zum heutigen Massentourismus an den 8000ern.