David Göttler nach Erfolg am Nanga Parbat: „Highlight meiner Bergsteiger-Karriere“

David Göttler (r.) mit den Skibergsteigern Tiphaine Duperier (l.) und Boris Langenstein auf dem Gipfel des Nanga Parbat
David Göttler (r.) mit den Skibergsteigern Tiphaine Duperier (l.) und Boris Langenstein auf dem Gipfel des Nanga Parbat

Auch nach der Heimkehr an seinen Wohnort in Spanien wirkt David Göttler noch immer, als schwebe er auf Wolke Nummer sieben. „Wahrscheinlich dauert es einen Monat, bis sich die Euphorie legt und ich das alles realisieren kann“, sagt mir der 46 Jahre alte deutsche Bergsteiger.

Am Dienstag vergangener Woche hatte Göttler – gemeinsam mit der Französin Tiphaine Duperier und deren Landsmann Boris Langenstein – den 8125 Meter hohen Nanga Parbat in Pakistan bestiegen.

Es war erst die achte Besteigung des Bergs über die anspruchsvolle Schell-Route. Eine österreichische Expedition unter Leitung von Hanns Schell hatte 1976 diesen Weg auf den Gipfel des Nanga Parbat erstbegangen. Er führt über einen Pfeiler auf der linken Seite der Rupalflanke zur knapp 7000 Meter hohen Scharte zwischen dem Mazeno-Grat und dem Südwestgrat. Auf 7400 Metern wechselt die Route auf die Diamirseite.

Materialdepot auf 6000 Metern

Göttler, Duperier und Langenstein waren im Alpinstil unterwegs, also ohne Flaschensauerstoff, ohne Fixseile, ohne feste Hochlagerkette und ohne Hochträger. „Für ganz harte Puristen haben wir den Alpinstil geopfert, als wir gleich zu Beginn der Expedition auf 6000 Meter aufstiegen und dort Essen und Material deponierten“, räumt David ein. „Wir wollten einfach die Verhältnisse im unteren Teil der Rupalwand auskundschaften, bevor wir zu einem Gipfelversuch starten. Aber wir haben keinen Meter Fixseil gelegt, haben alles selbst getragen und keine klassischen Lager aufgebaut.“

Rupalflanke des Nanga Parbat
Rupalflanke des Nanga Parbat

Mit Gleitschirm ins Basislager geflogen

Für David Göttler war der Nanga Parbat – nach dem Gasherbrum II (2006), dem Broad Peak (2007), dem Dhaulagiri (2008), dem Lhotse (2009), dem Makalu (2013) und dem Mount Everest (2022) – der siebte Achttausender, den er ohne Flaschensauerstoff bestieg.

Vor elf Jahren, im Winter 2014, hatte sich Göttler erstmals an der Schell-Route versucht, war aber auf 7200 Meter wegen schlechten Wetters umgekehrt. Es folgten drei weitere gescheiterte Anläufe: im Winter 2022 (Aufstieg bis 6200 Meter), im Sommer 2023 (7400 Meter) und im Sommer 2024 (7550 Meter). Jetzt endlich der Gipfel.

Für den Weg zurück ins Basislager wählte das Team unterschiedliche Methoden. David gelang mit einem Start rund 400 Meter unterhalb des Gipfels der erste Gleitschirmflug am Nanga Parbat aus sehr großer Höhe. „Ich bin noch nie so hoch gestartet“, erzählt Göttler. Tiphane und Robin fuhren erstmals mit Skiern die Rupalflanke hinab.    

Hier mein Gespräch mit David Göttler:

Ich habe natürlich aus den ersten vier Versuchen gelernt – gerade bei den letzten beiden im Sommer, wo ich auf etwa 7400 und 7500 Metern umgedreht habe. Ich habe gelernt, dass das letzte Stück noch unheimlich lang ist. Auf dem Papier ist das letzte Lager auf 7400 Metern. Da denkst du, es ist ja nur noch ein Klacks über die Diamirseite bis zum Gipfel. Aber es ist ein Gewaltmarsch, der sich noch unendlich zieht. Darauf muss man vorbereitet sein. Das ist das eine.

David Göttler im Aufstieg
David im Aufstieg

Das andere ist, dass du mit den Verhältnissen am Berg Glück haben musst. Einen besseren Gipfeltag vom Wetter und den Verhältnissen her hätten wir uns nicht wünschen können. Der Schnee war viel härter, wir mussten weniger spuren. Und das machte auf der langen Querung hinüber zum Gipfel einen Riesenunterschied aus.

Ja genau. Wir waren trotzdem nicht superschnell. Zwischendurch habe ich gedacht: „Unglaublich, wie langsam wir uns bewegen. So hoch ist es doch gar nicht. Es ist doch nur ein niedriger Achttausender.“ Aber da sieht man, was es bedeutet: weg von der Normalroute, weg von Fixseilen. Das macht einen Riesenunterschied.

Es war mein Traum, einen Achttausender abseits der Normalwege zu besteigen. 2017 an der Shishapangma hat es fast hingehauen, als ich mit (dem Italiener) Hervé Barmasse über die Südwand aufstieg und wir 20 Meter unter dem Gipfel umkehren mussten. Mit dem Erfolg jetzt am Nanga Parbat ist für mich ein ganz großer Traum in Erfüllung gegangen.

Das müssen natürlich andere entscheiden. Aber ich denke, die erste Besteigung über diese Route seit zwölf Jahren und dann in unserem Stil ist geschichtsbuchträchtig. Wir haben keine Fixseile verlegt, hatten nur 50 Meter Seil dabei. Dazu die Art, wie wir vom Berg heruntergekommen sind – Tiphaine und Boris mit Skiern, ich mit dem Gleitschirm. Es ist auf jeden Fall ein Eintrag für mein persönliches Geschichtsbuch. Ich würde sagen, es war das bisherige Highlight meiner Bergsteigerkarriere.

Gleitschirmflug ins Basislager
Mit dem Gleitschirm ins Basislager

Am Gipfel war es mir zu böig und damit zu riskant. Deshalb bin ich auf einem relativ steilen Schneefeld auf 7700 Metern gestartet. Die anderen beiden haben mir den Schirm gehalten, damit er nicht abrutscht. Vor dem Start kamen immer noch leichte Böen. Aber dann bin ich irgendwann rausgekommen, und es war super.

Ich startete auf der Diamirseite, flog den Hang entlang und überquerte dann den Mazeno-Col hinüber auf die Rupalseite – also mehr oder weniger so, wie wir aufgestiegen waren. Auf der Rupalseite ist der Berg so steil, dass du plötzlich rund 3000 Meter Luft unter den Beinen hast. Es war schon gegen 18.30 Uhr am Abend. Ich bin während des Sonnenuntergangs ins Basislager hinuntergeflogen. Das Licht und die Stimmung waren Wahnsinn, unbeschreiblich.

Etwa 30 Minuten.

Ja, Wahnsinn. Unser Koch im Basislager hat nicht gewusst, dass ich komme. Er war gerade dabei, Wasser zu holen. Als ich über ihm war, habe ich gerufen. Er ließ die Wasserkanne fallen und kam angerannt. Dann bin ich neben ihm gelandet. Er konnte nicht glauben, dass ich am selben Tag am Gipfel war. Es war fast surreal, dass ich am selben Tag, an dem ich am Gipfel war, plötzlich da unten war, auf 3600 Metern, auf einer grünen Wiese.

Sie ist ihnen gut gelungen, auch wenn es ein paar Passagen gab, an denen sie abseilen mussten. Der Unterschied ist: Sie haben noch drei Tage gebraucht, um dort hinunterzukommen. Ich war in 30 Minuten unten.

David (r.) mit Tiphaine (l.) und Robin (2.v.l.)
Gemeinsam hoch, getrennt runter: David (r.) mit Tiphaine (l.) und Robin (2.v.l.)

Es war für mich eine spannende Situation, weil ich normalweise nicht im Basislager sitze und auf meine Partner warte. Es hat noch einmal gezeigt, dass diese Querung, die beide noch machen mussten (um zur Rupalseite zu wechseln), einem alles abverlangt. Ich war ja schon an einer Stelle davor gestartet. Sie mussten noch richtig kämpfen. Aber sie hatten ein Zelt, Isomatten, Kocher und Gas mit. So haben sie in der Querung übernachtet, dann noch einmal an unserem letzten Lagerplatz und in Lager 1.

Im Moment bin ich noch in diesem absoluten Hoch, einem Rausch. Ich bin gespannt, wie es sich anfühlt, wenn die Euphorie nachlässt. Aber ich glaube nicht, dass dann die große Leere kommt. Denn ich habe nach wie vor Träume. Und Berge, die ich super gerne besteigen möchte.

David Göttler
David Göttler

Ich glaube schon. Klar, es gibt auch Fälle von Leuten, bei denen es immer perfekt läuft. Aber das ist nicht die Norm. Wenn man sich diese Art von Zielen steckt und nicht immer den leichtesten Weg geht, dann gehört das Scheitern dazu.

Dieser Erfolg ist noch schöner, weil ich über alle diese Jahre so viel investiert habe. Ich wünsche mir, dass auch solche gescheiterten Versuche von mir und anderen Bergsteigern in den Medien zwar nicht gefeiert, aber wenigstens dokumentiert werden.

In all den Jahren war ich auf der Rupalseite des Nanga Parbat alleine – mit Ausnahme des Winters 2014, als noch eine polnische Expedition dort war. Von daher war es kaum anders als bei den früheren Expeditionen. Aber klar ist auch, dass die Agenturen in Pakistan sehr viele Absagen bekommen haben.

Das tut mir in der Seele weh, weil Pakistan ein Land mit so viel Potential ist. Es ist immer so schön, dorthin zu kommen. Es ist wirklich ein Abenteuerland, das aber nie auf einen grünen Zweig kommt, weil ihm immer wieder Stöcke zwischen die Beine geworfen werden. Ich wünsche mir, dass sich die Lage irgendwann mal so beruhigt, dass das Land touristisch kontinuierlich wachsen kann.

2 Antworten auf „David Göttler nach Erfolg am Nanga Parbat: „Highlight meiner Bergsteiger-Karriere““

  1. Welch tolle Leistung. Es tut gut, als jemand, der wie ich nie so hohe Berge besteigen wird, zu sehen, dass es den „puren Alpinstil“ noch gibt, besonders auch an vielen Sieben-und Sechstausendern…
    neben all diesem Kommerz-und Follower-Gerenne.
    Ich gratuliere dir und auch deinen Partnern von ganzem Herzen und
    wünsche dir viel Glück bei kommenden Expeditionen
    Grüsse aus Luxemburg

  2. Wäre noch zu bemerken, dass die beiden nicht mit Ski die Rupalwand hinunter gefahren sind, sondern den Südwestgrat, die Schellroute, die ist gut abzufahren von ca.7500m hinunter bis knapp 6000m, bis zum Lager2 der traditionellen Schellroute. Von dort muss abgestiegen werden nach Latobo zum Basecamp. Der schwierigste Part der Route ist der vom Gipfel zurück zur Südseite, das hat bisher noch niemand ohne Bivac geschafft und der Aufstieg von der Diamirseite hinüber zur Südseite ist knallhart (früher sagten wir Mausfalle zu dieser Aufstiegsstelle). Da hatte es David mit dem Gleitschirm schon wesentlich leichter. Well done David 👍

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