Wer regelmäßig meinen Blog liest, weiß, dass ich ein sehr distanziertes Verhältnis zu vermeintlichen „Rekorden“ im Bergsteigen habe. Bei Dawa Yangzum Sherpa mache ich eine Ausnahme, denn sie ist eine echte Pionierin des Frauen-Bergsteigens. Seit mehr als einem Jahrzehnt setzt sie sich dafür ein, dass Frauen auch in ihrem Heimatland Nepal die Möglichkeit erhalten, Berge zu besteigen und dort auch ihr Geld zu verdienen. Am 9. Oktober bestieg Dawa Yangzum die 8027 Meter hoheShishapangma in Tibet und wurde damit zur ersten Frau aus Nepal, die auf allen 14 Achttausendern gestanden hat.
Erste asiatische Frau mit internationalem Bergführer-Zertifikat
Schon zuvor hatte die Sherpani, die mit drei Brüdern und zwei Schwestern in einem kleinen Bergdorf im Rolwaling-Tal aufwuchs, Meilensteine gesetzt. 2014 erreichte sie mit ihren Landsfrauen Maya Sherpa und Pasang Lhamu Sherpa Akita den Gipfel des K2. Sie waren die ersten Frauen aus Nepal auf dem zweithöchsten Berg der Erde. 2017 erhielt Dawa Yangzum als erste Frau Asiens ein internationales Bergführer-Zertifikat und arbeitet seitdem auch regelmäßig als Bergführerin, unter anderem am Mount Everest.
Seit 2020 bietet sie im Khumbu-Gebiet Kletterkurse für junge Nepalesinnen an. Sie selbst lebt seit Jahren in Boulder in den USA und arbeitet für den Expeditionsveranstalter Alpine Ascents International. Die 34 Jahre alte Nepalesin hat meine Fragen beantwortet.
Dawa Yangzum, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch, dass du deine Sammlung der Achttausender vervollständigt hast. Würdest du eine der 14 Besteigungen besonders hervorheben?
Mein Highlight der 14 Achttausender war die Annapurna I, die ich 2021 ohne Flaschensauerstoff bestiegen habe. Nach meinem Gipfelerfolg auf diesem Berg beschloss ich, die Achttausender-Sammlung zu vervollständigen.
Du hast deinen ersten Achttausender, den Mount Everest 2012 mit 21 Jahren bestiegen, also vor zwölf Jahren. Die Bergsteigerinnen und Bergsteiger, die sich in die Liste der 14 Achttausender eintragen, werden immer jünger und benötigen immer weniger Zeit. Was sagt das über die Entwicklung des Achttausender-Bergsteigens aus?
Als ich den Mount Everest und zwei Jahre später auch den K2 bestieg, war es noch ganz anders als heute. Die Expeditionen waren länger und es gab weniger Bergsteigerinnen und Bergsteiger auf den Achttausendern, insbesondere auf den pakistanischen Bergen. Damals versuchten nur sehr wenige Bergsteiger, meist Profis, die 14 Gipfel zu besteigen. Heutzutage finden sich unter den Aspiranten viele Kunden kommerzieller Expeditionen und auch Leute, die viel Geld haben und deshalb keine Sponsoren brauchen. Sie fliegen mit dem Hubschrauber zum Basislager und anschließend wieder zurück, um Zeit zu sparen.
Es ist großartig für Nepals Wirtschaft, dass ich nun alle 14 Gipfel bestiegen habe. Aber auch ich glaube nicht, dass wir das Niveau von Bergsteigerinnen wie Gerlinde (Kaltenbrunner) und Edurne (Pasaban) zu jener Zeit erreichen können, als sie die 14 Achttausender bestiegen.
Ehrlich gesagt, habe ich unter den Bergsteigern, die alle 14 Gipfel bestiegen haben, einige gesehen, die weder im Eisklettern noch in anderen Kletterstilen geübt sind. Sie folgen einfach den Fixseilen. Sie beginnen in einem Jahr zu klettern und beenden die 14 Gipfel im folgenden.
Du setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass auch andere nepalesische Frauen in die Männerdomäne Bergsteigen vordringen. Woran hapert es noch?
Für nepalesische Frauen ist es schwieriger als für westliche Frauen, weil die Art und Weise, wie wir und sie anfangen, unterschiedlich ist. Ich ermutige nepalesische Frauen, unabhängig zu werden und als Bergführerinnen Geld zu verdienen. Was noch fehlt, ist die Förderung von Bergführerinnen und Geschäftsfrauen.
Du hast als erste nepalesische Frau auf allen 14 Achttausender Geschichte geschrieben. Gibt es ein anderes großes Ziel, dem du dich jetzt widmen willst?
Ich werde weiterhin als Bergführerin arbeiten. Die 14 Achttausender sind für mich nicht als Rekord wichtig, aber sie werden mir helfen, Kunden als Bergführer zu bekommen. Ein neues Ziel habe ich im Moment nicht. Ich genieße einfach die Zeit abseits der Achttausender.
Es gibt inzwischen auch eine #MeToo-Debatte im Bergsport. Hast du in deiner Karriere auch sexuelle Belästigung erfahren oder etwas davon mitbekommen?
Ich selbst bin noch nicht sexuell belästigt worden. Aber ja, als Frau hat man es auf dem Berg nicht leicht. Und man muss besonders vorsichtig sein, damit man nicht einer weiteren Gefahr am Berg ausgesetzt ist.