Everest-Skiabfahrt durch Hornbein-Couloir?

Die tibetische Nordseite des Mount Everest
Die tibetische Nordwand des Mount Everest (2005)

Herbst-Projekte am Mount Everest, die früher gang und gäbe waren, sind inzwischen selten geworden. Wegen des oft eher schlechten Wetters machen kommerzielle Expeditionen im Nach-Monsun einen Bogen um den höchsten Berg der Erde und konzentrieren sich stattdessen auf den Manaslu im Westen Nepals oder die in Tibet gelegenen Achttausender Cho Oyu und Shishapanga – sofern die chinesisch-tibetischen Behörden diese Berge freigeben.

Zuletzt hatte sich im Herbst 2022 ein polnisches Team um den Skibergsteiger Andrzej Bargiel an der nepalesischen Südseite des Everest versucht. Bargiel, der ohne Flaschensauerstoff zum Gipfel aufsteigen und von dort mit Skiern bis ins Basislager abfahren wolle, und sein Begleiter Janusz Golab hatten ihren Gipfelversuch am Südsattel auf knapp 8000 Metern abgebrochen. Sie waren von so heftigen Windböen empfangen worden, dass sie nicht mal ihr Zelt hatten aufbauen können.

US-Expedition mit Einreiseschwierigkeiten

Nachdem die in Tibet gelegenen Achttausender Shishapangma (vollständig auf tibetischem Boden), Cho Oyu und Mount Everest (mit ihren Nordseiten) bis Ende 2022 wegen der Corona-Pandemie für ausländische Teams gesperrt waren, haben die chinesisch-tibetischen Behörden für diesen Herbst, wenn auch spät, einige Permits erteilt. Während es rund 100 Mitglieder kommerzieller Teams zu den Normalrouten von Cho Oyu und Shishapangma zieht, plant eine US-Expedition offenbar erneut den Versuch einer Ski-Abfahrt vom Mount Everest – über die Nordseite. Genauer gesagt, durch das Hornbein-Couloir in der Nordwand. Bislang war darüber noch nicht berichtet worden.

In memoriam Hilaree Nelson

Hilaree Nelson
Hilaree Nelson (1972 – 2022)

Erst als die chinesischen Grenzbehörden zunächst dem Expeditionsleiter Conrad Anker die Einreise verweigerten, gelangten einige Einzelheiten an die Öffentlichkeit. Nach Informationen der in Kathmandu erscheinenden Zeitung „The Himalayan Times“ will der US-Amerikaner Jim Morrison die Skiabfahrt wagen – im Gedenken an seine verstorbene Lebenspartnerin Hilaree Nelson.

Den beiden war im Herbst 2018 ein Ski-Coup am Achttausender Lhotse gelungen: Nach dem Aufstieg mit Flaschensauerstoff hatten sie erstmals auf Skiern die so genannte „Dream Line“ gemeistert – vom Gipfel durch das schmale, rund 45 bis 50 Grad steile Lhotse-Couloir bis hinunter nach Lager 2 im Western Qwm auf 6400 Metern. Im Herbst 2022 war Nelson beim Versuch einer Ski-Abfahrt vom Manaslu in den Tod gestürzt.

Zum Team gehört auch ein Oscar-Preisträger. Der Filmemacher und Bergsteiger Jimmy Chin aus den USA, wurde 2019 in Los Angeles ausgezeichnet: für den Film „Free Solo“ über Alex Honnolds spektakulären Alleingang ohne Seilsicherung am legendären Granitriesen El Capitan im Yosemite-Nationalpark.

Nach Informationen des Portals ExplorersWeb ist das Everest-Team nach den anfänglichen Einreiseschwierigkeiten inzwischen vollzählig in Tibet eingetroffen.

Noch keine gelungene Skiabfahrt vom Gipfel durch das Hornbein-Couloir

Hans Kammerlande, 2020 auf der Messe ISPO
Hans Kammerlander (2020)

Die Skiversuche auf der Nordseite lassen sich an einer Hand abzählen. 1996 gelang dem Südtiroler Hans Kammerlander die Abfahrt vom Gipfel über die Nordostflanke und den Nordsattel bis zum Vorgeschobenen Basislager auf dem Östlichen Rongbuk-Gletscher. Allerdings musste er an einigen Stellen wegen Schneemangels die Ski abschnallen. Das galt auch im Jahr 2006 für die Schweden Olof Sundstron und Martin Letzer, die ebenfalls über den Nordostgrat abfuhren, sowie für den Norweger Tormod Granheim und Tomas Olsson, die das Norton-Couloir gewählt hatten. Olsson stürzte aus einer Höhe von 8500 Meter in den Tod.

Der einzige Versuch auf Skiern durch das Hornbein-Couloir scheiterte 1996 bereits im Aufstieg: Die Schweizer Jean Troillet und Dominique Perret stiegen im Alpinstil durch die Nordwand, gelangten aber nur bis auf eine Höhe von 8400 Meter. Von dort aus fuhren Perret auf Skiern und Troillet mit dem Snowboard bis zum Zentralen Rongbuk-Gletscher ab.

Der Franzose Marco Siffredi bezahlte im Jahr 2002 seinen Snowboard-Versuch vom Gipfel durch das Hornbein-Couloir mit dem Leben. Auf rund 8500 Metern verlor sich seine Spur. Die Leiche des damals 23-Jährigen wurde bis heute nicht gefunden.

Update 4. Oktober: Nach Informationen der Himalayan Times wartet das US-Team immer noch auf das Permit für eine Everest-Skiabfahrt. Bisher liege lediglich eine Besteigungsgenehmigung für das Hornbein-Couloir vor. „Deshalb konnten wir das ABC (Vorgeschobenes Basislager) einrichten“, zitiert die Zeitung ihre Quellen. „Ohne ein Ski-Permit macht das Projekt keinen Sinn.“ Dem Expeditionsteam laufe langsam die Zeit davon, hieß es.

Update 7. Oktober: Die Expedition wurde wegen schlechten Wetters abgebrochen. Das Sherpa-Team, das die Fixseile legen sollte, sei in Lager 2 (7500 Meter) umgekehrt, berichtet die Himalayan Times.

2 Antworten auf „Everest-Skiabfahrt durch Hornbein-Couloir?“

  1. Hallo Stefan!
    Ist nicht Stefan Gatt (A) nach einer Besteigung des Mount Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff mit einem Snowboard vom Gipfel abgefahren? Das Jahr weiß ich jetzt gerade nicht..

    1. Hallo Gerhard, das stimmt. Es war im Jahr 2001 (über den Nordostgrat). Ich habe mich in dem Artikel jedoch auf die Skiabfahrten konzentriert. Snowboardversuche gab es auch noch andere. Marco Siffredi hatte ich nur erwähnt, weil er sich – mit fatalen Folgen – am Hornbein-Couloir versucht hatte.

Kommentare sind geschlossen.

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