Auf seiner Homepage läuft ein Countdown. Noch rund drei Wochen, dann wird der frühere Football-Profi Mark Pattison nach Nepal fliegen, um den Mount Everest und direkt anschließend den Lhotse zu besteigen – mit Flaschensauerstoff. Gelingt es ihm, den höchsten Gipfel der Erde zu erreichen, wäre der 59-Jährige der zweite Ex-Profi der nordamerikanischen Football-Liga NFL, der die Seven Summits komplettiert, die Sammlung der höchsten Berge aller Kontinente. Der Erste war 2019 Craig Hanneman, der in den 1970er Jahren sein Geld als Profi in der NFL verdient hatte.
Pattison spielte in den 1980er Jahren als Wide Receiver (Passempfänger des Quarterbacks oder anderer Passgeber) bei den NFL-Klubs Los Angeles Raiders und New Orleans Saints. Nach dem Karriere-Ende wurde Mark ein erfolgreicher Geschäftsmann. Heute ist er Vorstandsmitglied der Zeitschrift Sports Illustrated und Motivationsredner. Er produziert einen eigenen Podcast mit dem Titel „Finding your summit“ (Finde deinen Gipfel).
Sechs der Seven Summits bestiegen
Zum Bergsteigen fand Pattison vor zehn Jahren in einer persönlichen Krise: Er trennte sich von seiner langjährigen Ehefrau, sein Vater starb nach einem schweren Schlaganfall. Mark setzte sich ein neues Ziel: die Besteigung der Seven Summits. Los ging es 2013 mit dem Kilimandscharo (den höchsten Berg Afrikas bestieg Mark 2017 ein weiteres Mal). Es folgten 2014 der Elbrus (höchster Berg Europas), 2015 der Mount Kosciuszko (Australien), 2016 der Aconcagua (Südamerika), 2018 der Denali (Nordamerika) und 2019 der Mount Vinson (Antarktis). Nun also will er auf den 8849 Meter hohen Mount Everest und hinterher als Sahnehäubchen noch innerhalb von 24 Stunden auf den 8516 Meter hohen benachbarten Lhotse.
Mark, sechs der Seven Summits hast du bereits bestiegen, nun versuchst du dich am höchsten aller Berge. Mit welchem Gefühl startest du in die Expedition?
Ich war enttäuscht, als ich letztes Jahr starten wollte, es aber (wegen der Corona-Pandemie) nicht ging. Dann habe ich einen Schwenk gemacht und es als Chance gesehen. Ich habe härter trainiert und beschlossen, sowohl den Everest als auch den Lhotse innerhalb von 24 Stunden zu besteigen. Ich wohne in Sun Valley im Bundesstaat Idaho. Die Stadt liegt auf rund 6000 Fuß (etwa 1800 Metern). Als Vorbereitung werde ich am Ende 50-mal den Gipfel eines Skibergs bestiegen haben, was einem Anstieg von je 3200 Fuß (1000 Höhenmeter) oder insgesamt 160.000 Fuß in der Vertikalen (48.800 Höhenmeter) entspricht. Ich bin bereit!
Manche wollen den Everest nur für sich besteigen, andere wollen eine Botschaft senden. Wie sieht es bei dir aus?
Meine Tochter leidet an Epilepsie, deshalb habe ich mich mit einer gemeinnützigen Organisation hier in Sun Valley namens Higher Ground zusammengetan. Wir tauften die Kampagne „Emilia’s Everest – the Lhotse Challenge“. Das Ziel war es, die Höhe des Lhotse (27.940 Fuß) in Dollar zu erreichen, aber wir haben mit Hilfe der NFL und der Las Vegas Raiders mehr als 50.000 Dollar gesammelt.
Im letzten Jahr fiel die Klettersaison am Everest wegen der Corona-Pandemie aus. Die Pandemie geht weiter. Hast du deswegen keine Bedenken?
Ich hatte große Bedenken, mich zwei Monate lang ohne Impfung auf einer Höhe von 17.500 Fuß (das Everest-Basislager liegt auf rund 5300 Metern) aufzuhalten. Aber ich werde vollständig geimpft sein, wenn ich Nepal erreiche. Ich mache mir keine Sorgen mehr darüber.
Im Frühjahr 2019 sorgten Staus am Everest-Gipfelgrat weltweit für Schlagzeilen. Wie denkst du darüber, dass du dir den Berg möglicherweise mit mehreren hundert Bergsteigern teilen musst?
Berichten zufolge werden nur halb so viele Menschen wie sonst dort sein. Ich bin optimistisch, dass 2019 ein Ausnahmejahr war: Der Monsun wollte einfach nicht aufhören, bis auf zwei Tage. Das löste dann das Gipfelfieber aus. Mein Zeltkamerad aus der Antarktis war der erste Amerikaner, der auf dem Gipfel starb: Don Cash. Er war nicht genug vorbereitet und geriet dann in diese Menschenschlangen.
Du willst direkt nach dem Everest auch noch den Lhotse besteigen. Warum?
Ich versuche, der erste NFL-Spieler zu werden, der beide Berge besteigt – und werde dabei gleichzeitig etwas für meine Tochter Emilia tun. So viele „Erste …“ gibt es ja nicht mehr auf der Welt. 🙂
In welcher Weise hilft dir deine Vergangenheit als NFL-Profi beim Bergsteigen?
Ein professioneller Athlet zu sein, erfordert eine unglaubliche mentale Stärke. Indem ich mich körperlich gequält habe, habe ich eben jene Einstellung entwickelt, die ich brauchen werde, wenn es da oben hart auf hart kommt.
Du wirst in diesem Jahr 60 Jahre alt. Siehst du dein Everest-Lhotse-Projekt als Höhe- und Schlusspunkt deiner Bergsteiger-Karriere?
Als ich vor zehn Jahren eine harte Zeit durchmachte, lernte ich, dass es dich im Leben frisch und motiviert hält, wenn du dir hohe Ziele setzt. Ich denke, dass dies erst der Anfang ist. Es gibt so viel, was ich noch nicht getan habe, was ich aber tun möchte. Jedes dieser Ziele wird eine anspruchsvolle körperliche Herausforderung sein. Ich kann nur so leben …
Und was findest du außerdem noch in den Bergen?
Neben der körperlichen Herausforderung habe ich in den Bergen Ruhe und Gelassenheit gefunden, während ich in der Natur unterwegs war. Es war eine großartige Reise auf die verschiedenen Kontinente, bei denen ich Menschen aus verschiedenen Kulturen getroffen und ihre Länder mit ihren Augen gesehen habe. Die Berge waren für mich ein Segen.