Es ist der alljährliche klassische Startschuss für die Frühjahrssaison, wenn sich die sogenannten Icefall Doctors auf den Weg zum 5364 Meter hohen Basislager zu Füßen des Mount Everest machen. Heute teilte das Sagarmatha Pollution Control Committee (SPCC) mit, das elfköpfige Team sei vom Khumbu-Hauptort Namche Bazaar aus aufgebrochen.
Obwohl eine kommerzielle Everest-Saison ohne dieses Team undenkbar ist, werden die Icefall Doctors bei den späteren Erfolgsmeldungen so gut wie nie erwähnt. Deshalb nenne ich sie an dieser Stelle. Base Camp Manager ist der erfahrene Tshering Tenjing Sherpa. Als Icefall Doctors sind Ang Sarki Sherpa, Dawa Jangbu Sherpa , Dawa Nuru Sherpa, Nima Tenji Sherpa, Mingma Gyalzen Sherpa, Dawa Chhirri Sherpa, Lhakpa Sona Sherpa und Tendu Sherpa im Einsatz. Hinzu kommen Wangdi Gelbu Sherpa und Ngawang Thaten Sherpa, die in der Küche im Basislager für das leibliche Wohl des Teams sorgen.
Ausgewählt und bezahlt vom SPCC
Jahr für Jahr „verarzten“ die Icefall Doctors die Aufstiegsroute durch den gefährlichen Khumbu-Eisbruch, die Passage auf dem Weg zum Gipfel des Mount Everest mit den größten objektiven Gefahren. Mit ihren Leitern überbrücken sie tief klaffende Spalten, mit den Fixseilen sichern sie die Route – und halten sie anschließend die ganze Saison über bis Ende Mai instand. Es ist eine extreme gefährliche Arbeit, da der Eisbruch ständig in Bewegung ist und jederzeit einer der mächtigen Eistürme zusammenbrechen kann. Wegen des Klimawandels haben die Sherpas zunehmend mit sehr breiten Gletscherspalten zu kämpfen.
Teamleiter Ang Sarki Sherpa ist der Dienstälteste unter den diesjährigen Icefall Doctors. Bereits seit 2008 verdient der 53-Jährige sein Geld im Gletscherbruch oberhalb des Everest-Basislagers. 2500 bis 3000 Dollar bringen die auf die gefährliche Arbeit spezialisierten Sherpas nach der Saison nach Hause.
Ausgewählt und bezahlt werden sie vom SPCC, einer Organisation, die sich ursprünglich nur um den Umweltschutz im Everest-Nationalpark kümmerte. Seit 1997 ist das SPCC im Auftrag der Regierung Nepals auch für die Route durch den Khumbu-Eisbruch zuständig. Jedes Expeditionsmitglied muss für die Arbeit der Icefall Doctors 600 Dollar zahlen.
Icefall-Doctor-Legenden
Nur wenige Icefall Doctors wurden über Nepal hinaus bekannt. Zu ihnen gehörte der 2013 verstorbene Ang Nima Sherpa. 37 Jahre lang verdiente er sein Geld im Khumbu-Eisbruch. 2021 widmete ihm der US-Abenteurer und Filmemacher Sean Bench seinen Dokumentarfilm „The Icefall Doctor“.
Ang Kami Sherpa ging 1975 erstmals in den Khumbu-Eisbruch. Hunderte weitere Aufstiege folgten, ehe er 2019 zurücktrat. Fünfmal stieg er nach eigenen Worten bis auf eine Höhe von 8500 Metern auf, den Gipfel des Everest auf 8849 Metern sah er nie. Als er gefragt wurde, wie er so lange den Job machen konnte, antwortete Ang Kami, inzwischen über 70 Jahre alt, mit einem Grinsen im Gesicht: „Meine Frau sagt: No money, no honey.“
Auch einer der aktuellen Stars der nepalesischen Bergsteigerszene begann seine Karriere als Icefall Doctor. Gelje Sherpa arbeitete fünf Jahre in dem Job. Inzwischen hat er alle 14 Achttausender bestiegen. Gelje gehörte auch zu den zehn nepalesischen Bergsteigern, denen 2021 die erste Winterbesteigung des K2 gelang. Im vergangenen Jahr eröffnete Gelje eine anspruchsvolle neue Route auf den Cho Oyu, über die nepalesische Südseite des sechsthöchsten Bergs der Erde.