„Ich freue mich riesig mit Sirbaz, dass er nun auch die 14 Achttausender ‚oben ohne‘ komplettieren konnte“, schreibt mir Ralf Dujmovits, Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger. „Meine ganz herzliche Gratulation an ihn.“
Sirbaz Khan hat seine von ihm selbst ausgerufene „Mission 14“ erfüllt: Am Sonntag um 11.50 Uhr nepalesischer Zeit erreichte der 37-Jährige mit dem Team des Expeditionsveranstalters Imagine Nepal den Gipfel des Kangchendzönga auf 8586 Metern. Sirbaz bestieg auch den dritthöchsten Berg der Erde ohne Atemmaske. Damit ist er der erste Pakistaner, der ohne Flaschensauerstoff auf allen 14 Achttausendern stand.
„Ich kann nicht verstehen, warum die Männer so viel Aufhebens um den Everest machen – es ist nur ein Berg“, sagte Junko Tabei einmal. Heute vor 50 Jahren, am 16. Mai 1975 um 12.30 Uhr Ortszeit, erreichte die Japanerin als erste Frau den höchsten Punkt der Erde auf 8849 Metern. Begleitet wurde sie von Ang Tshering Sherpa (1949-2012), beide nutzten Flaschensauerstoff. Es war rund zwei Jahrzehnte, bevor das kommerzielle Bergsteigen am Mount Everest, wie wir es heute kennen, Fahrt aufnahm.
„Ich wollte keinen einzigen Schritt mehr tun. Nie mehr“, sagte Junko später über den Moment, als sie mit Ang Tshering den Gipfel erreichte. 50 Minuten blieben sie oben, dann machten sie sich auf den Abstieg. Daheim in Japan wurde Tabei später als Heldin gefeiert, womit sie wenig anfangen konnte: „Ich habe doch nur das getan, was ich wollte.“
„Und was kommt als Nächstes? Eine weitere rekordverdächtige Expedition? Möglicherweise. Als Nebeneffekt“, schreibt Anja Blacha auf ihrer Internetseite. „Anstatt meine Ziele anhand von Rekorden zu definieren, lasse ich mich lieber von meiner Neugier leiten. Ich folge meinen Interessen und lebe nach meinen Werten, Tugenden und Fähigkeiten. Die Kunst, auf gute Weise nach etwas zu streben. Eudaimonie.“ Dieser Begriff aus der griechischen Philosophie setzt sich zusammen aus „Eu“ (gut) und „Daimon“ (Dämon, Geist). Mit anderen Worten: Anja versucht, ihren eigenen guten Geist auszuleben.
Und das macht die 34 Jahre alte deutsche Abenteurerin sehr beharrlich. Auf diese Weise hat Blacha im Winter 2019/2020 auf Skiern den Südpol erreicht, nachdem sie ihren Schlitten von der Küste der Antarktis aus fast 1400 Kilometer hinter sich hergezogen hatte, allein und ohne Unterstützung von außen.
Zweimal bestieg sie den Mount Everest – 2017 über die tibetische Nordseite und 2021 über die nepalesische Südseite. Und mit ihren Erfolgen an der Annapurna I und am Dhaulagiri in diesem Frühjahr hat sie zwölf der 14 Achttausender in kommerziellen Teams über die Normalrouten bestiegen – mit Ausnahme des Everest allesamt ohne Flaschensauerstoff. Nach ihrem zweiten Achttausender-Gipfelerfolg in dieser Saison hat Anja Blacha meine Fragen beantwortet.
Anja, zunächst mal herzlichen Glückwunsch zum 12. Achttausender. Die Wetterverhältnisse waren zunächst schwierig. Dann hat sich ein Wetterfenster geöffnet. Wie hast du Auf- und Abstieg am Dhaulagiri erlebt?
Tashi Gyalzen Sherpa auf dem Gipfel des Everest (am 9. Mai)
Die Gipfelwelle am Mount Everest rollt. Mehrere Dutzend Bergsteigerinnen und Bergsteiger kommerzieller Expeditionsteam erreichten heute den höchsten Punkt der Erde auf 8849 Metern. Unter denen, die auf dem Gipfel standen, sei auch Tashi Gyalzen Sherpa gewesen, ließ Pemba Sherpa, Besitzer des nepalesischen Expeditionsveranstalters 8K Expeditions, wissen. Es war bereits Tashis zweiter Gipfelerfolg in diesem Frühjahr. Der Sherpa hatte bereits am 9. Mai zum siebenköpfigen Fixseil-Team von 8K Expeditions gehört, das für die erste Everest-Besteigung der Saison gesorgt hatte.
Tashi Gyalzen Sherpa hat sich vorgenommen, in diesem Frühjahr (mit Flaschensauerstoff) viermal den höchsten Gipfel der Erde zu besteigen. Im vergangenen Jahr hatte Dawa Finjhok Sherpa, Climbing Sherpa des Veranstalters Seven Summit Treks, innerhalb von acht Tagen dreimal den Everest bestiegen. Auch die nepalesische Journalistin Purnima Shrestha hatte als Kundin eines kommerziellen Teams – mit Atemmaske und Sherpa-Unterstützung – dreimal in der Saison den Gipfel erreicht.
Heftige Windböen haben am Mount Everest und den anderen Achttausendern Nepals für eine erzwungene Atempause gesorgt. Das gibt mir die Gelegenheit, die Geschehnisse der vergangenen drei Tage zusammenzufassen.
Nachdem am vergangenen Freitag – wie berichtet – das Fixseil-Team des nepalesischen Expeditionsveranstalters 8K Expeditions für den ersten Gipfelerfolg des Frühjahrs am Mount Everest gesorgt hatte, erreichten in ihren Fußstapfen am Sonntag etwa ein Dutzend weitere Bergsteigerinnen und Bergsteiger – mit Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung – den höchsten Punkt der Erde auf 8849 Metern.
Sie hat es wieder getan. Anja Blacha erreichte heute – zusammen mit dem Fixseil-Team des nepalesischen Expeditionsveranstalters Seven Summit Treks (SST) unter Leitung von Lakpa „Makalu“ Sherpa – den 8167 Meter hohen Gipfel des Dhaulagiri im Westen Nepals. Nach Angaben von SST gehörte die 34 Jahre alte deutsche Bergsteigerin zu den insgesamt 13 Personen, die für den ersten Gipfelerfolg in diesem Frühjahr am siebthöchsten Berg der Erde sorgten. Anja verzichtete beim Aufstieg erneut auf Flaschensauerstoff – ebenso der Pakistaner Sajid Ali Sadpara und der Taiwanese Lu Chung-Han.
Es gibt die stillen Helden am Mount Everest, die gerne vergessen werden. Wie die Icefall Doctors, zuständig für die Route durch den gefährlichen Khumbu-Gletscher. Das Fixseil-Team aus nepalesischen Bergsteigern, das den Weg zum Gipfel sichert. Die zahlreichen Climbing Sherpas, ohne deren Hilfe die meisten Kunden der kommerziellen Expeditionen den höchsten Punkt auf 8849 Metern nie und nimmer erreichen würden. Und dann wären da noch die Rettungskräfte: Die Hubschrauberpiloten, die bis in Höhen von 7000 Metern fliegen, um Bergsteigerinnen und Bergsteiger am langen Rettungsseil ins Tal zu bringen.
Und auch das medizinische Personal im Everest ER im Basislager. ER steht für Emergency Room. Eine Notaufnahme auf 5364 Metern, in der bereits seit 2003 in der Frühjahrssaison kranke oder verletzte Bergsteigerinnen und Bergsteiger versorgt werden. Organisiert und finanziert wird die Krankenstation im Everest-Basislager von der Himalayan Rescue Organisation Nepal, einer vor mehr als 50 Jahren gegründeten Nicht-Regierungsorganisation.
Der Intensivmediziner und Anästhesist Ashish Lohani ist – neben seinem nepalesischen Landsmann Suraz Shrestha und dem in Schottland lebenden Südafrikaner Roy Harris – einer von drei Ärzten, die in dieser Frühjahrssaison im Everest ER arbeiten. Alle drei sind ausgewiesene Experten für Höhenmedizin. Seit Anfang April haben Lohani und Co. in ihrem Rundbogenzelt bereits mehr als 550 Patientinnen und Patienten behandelt.
Mount Everest (vor Sonnenaufgang, gesehen vom Gokyo Ri)
Der Job ist erledigt. Heute gegen 17 Uhr Ortszeit erreichte das siebenköpfige Fixseil-Team des Veranstalters 8K Expeditions den Gipfel des Mount Everest auf 8849 Metern. Tsering Pemba Sherpa, Ashok Lama, Pem Nurbu Sherpa, Tashi Sherpa, Karma Gyaljen Sherpa, Tashi Gyalzen Sherpa und Pas Tenzi Sherpa hätten die Route bis zum höchsten Punkt mit Seilen gesichert, teilte das Unternehmen mit. Damit sei die Route auch am Everest offiziell geöffnet.
Die Routiniers rocken es auch noch mit über 60 Jahren. Das italienische Ehepaar Nives Meroi und Romano Benet, beide 63 Jahre alt, und der 60 Jahre alte Slowake Peter Hamor eröffneten am 7412 Meter hohen Kabru an der Grenze zwischen Nepal und dem indischen Bundesstaat Sikkim eine neue Route durch die noch jungfräuliche Westwand.
„Niemand hatte zuvor versucht, diesen Gipfel von der westlichen, nepalesischen Seite aus zu erreichen – die Wand war bis jetzt unberührt geblieben“, ließ Hamors Team in der Heimat via Facebook wissen. Nach dem Gipfelerfolg am Sonntag seien die drei Bergsteiger wohlbehalten im Basislager zurück. Zunächst hatte es nicht nach einem Erfolg ausgesehen. Das Trio hatte im Basislager zwei Wochen lang schlechtes Wetter mit heftigem Schneefall und starken Winden aussitzen müssen.
Blick auf Mount Everest (l.) und Lhotse (im Herbst 2019)
Es ist wie ein alljährlich wiederkehrendes Ritual. Mit Spannung wird erwartet, wie früh in der Frühjahrssaison die Fixseil-Teams den höchsten Punkt des Mount Everest auf 8849 Metern erreichen. Einige Tage später setzt dann in der Regel der Run der kommerziellen Teams auf den Gipfel ein – immer unter dem Vorbehalt, dass das Wetter mitspielt.
Plan für Everest-Südseite: Erster Gipfeltag zwischen 8. und 10. Mai
Auf der nepalesischen Südseite des Bergs ist in dieser Saison der Veranstalter 8K Expeditions dafür verantwortlich, die Route bis zum Gipfel mit Seilen zu sichern – übrigens nicht nur am Everest, sondern auch am benachbarten 8516 Meter hohen Lhotse, dem vierthöchsten Berg der Welt. Die Fixseile liegen aktuell bis auf eine Höhe von 7400 Metern, wie mir Pemba Sherpa, der Besitzer des nepalesischen Expeditionsunternehmens, bestätigt.
Die Regierung Nepals will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen die Kritiker verstummen lassen, die seit Jahrzehnten fordern, keine unerfahrenen Bergsteigerinnen und Bergsteiger mehr auf den Mount Everest zu lassen. Zum anderen zusätzlich Kasse machen. Das zuständige Ministerium für Kultur, Tourismus und Luftfahrt brachte jetzt den Entwurf eines Gesetzes ein, das den seit 1978 geltenden, immer wieder erweiterten sogenannten „Tourism Act“ ablösen soll. Darin sind auch die Regeln für das Bergsteigen in Nepal enthalten.
Die spannendste geplante Neuerung: Everest-Anwärter sollen erst dann eine Besteigungsgenehmigung für den höchsten Berg der Erde erhalten, wenn sie ein von der Tourismus-Abteilung ausgestelltes offizielles Gipfelzertifikat für einen mindestens 7000 Meter hohen Berg Nepals vorweisen können.
Keine Frau aus Deutschland stand auf so vielen Achttausendern wie Anja Blacha. Die 34-Jährige hat gute Chancen, die erste deutsche Frau auf allen 14 Achttausendern zu werden. Nach ihrem Erfolg an der Annapurna I am 7. April fehlen ihr von den 14 höchsten Bergen der Welt nur noch drei: der Lhotse (8516 Meter) und der Dhaulagiri (8167 Meter) in Nepal sowie die Shishapangma (8027 Meter) in Tibet.
Anja steigt in kommerziellen Teams über die Normalrouten auf. Zehn ihrer elf Achttausender hat sie ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Lediglich bei ihren beiden Everest-Erfolgen – 2017 über die tibetische Nordseite und 2021 über die nepalesische Südseite – griff Blacha zur Atemmaske. Im Winter 2019/2020 erreichte sie auf Skiern den Südpol, nachdem sie ihren Schlitten von der Küste der Antarktis aus fast 1400 Kilometer hinter sich hergezogen hatte – allein und ohne Unterstützung von außen.
Anja Blacha hat in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu meine drei Fragen beantwortet:
Anja, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu deinem elften Achttausender. Die Verhältnisse an der Annapurna waren in diesem Frühjahr extrem anspruchsvoll und gefährlich. Wie ist es dir bei deinem Aufstieg ergangen?
Mitten in die Gipfelerfolgsmeldungen vom Achttausender Annapurna I platzte die Nachricht des Lawinenunglücks . Oberhalb von Lager 2 (5600 Meter) löste sich eine „riesige Lawine“, wie Chhang Dawa Sherpa, Expeditionsleiter des Anbieters Seven Summit Treks, auf Instagram berichtete. „Wir erlebten ein schreckliches Unglück. Beim Transport von Sauerstoffflaschen für den Gipfelvorstoß wurden zwei unserer Sherpas, Ngima Tashi und Rima Rinje, mitgerissen.“
Die Frühjahrsklettersaison in Nepal hat gerade erst begonnen, da wird bereits der erste Gipfelerfolg vermeldet. Der kommerzielle nepalesische Expeditionsveranstalter Xtreme Climbers teilt mit, einem vierköpfigen Team sei die Erstbesteigung des 6433 Meter hohen Sharphu IV unweit des Achttausenders Kangchendzönga im Osten Nepals gelungen.
Die Guides Lhakpa Chhiri Sherpa und Ngada Sherpa sowie die Nepalesin Purnima Shrestha und der Chilene Hernan Leal hätten um 15 Uhr Ortszeit den höchsten Punkt erreicht. Lhakpa Chhiri (Sonam) Sherpa, 1974 im Dorf Pangboche im Khumbu geboren, ist sehr erfahren. Allein zwölfmal bestieg er den Mount Everest. Purnima Shrestha sorgte im Frühjahr 2024 für Schlagzeilen, als sie – mit Flaschensauerstoff und Sherpa-Begleitung – innerhalb von 13 Tagen dreimal den Gipfel des Everest erreichte.
Mingma Sherpa und seine Gefährten im Kampf gegen die vielen Hubschrauber-Flüge im Everest-Gebiet fühlen sich im Stich gelassen. „Leider hat keiner der Politiker über unsere Bewegung gesprochen“, schreibt mir der Vorsitzende der Namche Youth Group, die sich für ein Ende der vielen rein touristischen Flüge im Khumbu-Gebiet eingesetzt hatte. „Wir haben, ehrlich gesagt, keine gewichtige Stimme.“
Anfang des Jahres hatten Einheimische im Khumbu auf den Hubschrauber-Landeplätzen bis hinauf nach Gorak Shep, der letzten Siedlung vor dem Everest-Basislager, Stangen mit Gebetsfahnen aufgestellt. Die Hubschrauber-Firmen hatten daraufhin vorübergehend alle Flüge ins Everest-Gebiet ausgesetzt.
Nach einem Krisentreffen aller Konfliktparteien Ende Januar waren zumindest die Rettungsflüge wieder aufgenommen worden. Und die Beteiligten hatten sich zuversichtlich gezeigt, dass man auch in der Frage der umstrittenen rein kommerziellen Hubschrauber Flüge eine Lösung finden werden. Seitdem herrschte Funkstille.