Vor 100 Jahren: Mallory und Irvine verschwinden am Everest

Nordseite des Mount Everest
Nordseite des Mount Everest

Noell Odell sammelt an der tibetischen Nordflanke des Mount Everest Fossilien, als plötzlich das Wetter aufklart. „Der gesamte Gipfelgrat und die letzte Erhebung des Everest wurden sichtbar“, schreibt der britische Bergsteiger später über diesen Augenblick am 8. Juni 1924.

„Meine Augen fixierten sich auf einen winzigen schwarzen Punkt, der sich auf einer kleinen Schneekuppe unterhalb einer Felsstufe am Grat abzeichnete; der schwarze Punkt bewegte sich. Ein weiterer schwarzer Fleck wurde sichtbar und bewegte sich den Schnee hinauf, um sich dem anderen auf dem Kamm anzuschließen. Der erste näherte sich dann der großen Felsstufe und tauchte kurz darauf oben auf; der zweite tat es ihm gleich. Dann verschwand die ganze faszinierende Erscheinung und hüllte sich wieder in Wolken.“ Odell ist der Letzte, der offenbar seine Expeditionskollegen George Mallory und Andrew Irvine bei ihrem Gipfelversuch sieht. Sie kehren nicht mehr zurück. Mallory wird 37, Irvine 22 Jahre alt.

Wie hoch gelangten die beiden?

George Mallory während der britischen Everest-Expedition 1921
George Mallory (während der britischen Everest-Expedition 1921)

Wie nahe sie dem höchsten Punkt der Erde auf 8849 Metern kamen, ist auch 100 Jahre später ein ungelöstes Rätsel. Einige halten es für möglich, dass die beiden – 29 Jahre vor der sicher verbuchten Erstbesteigung 1953 durch Edmund Hillary und Tenzing Norgay – als erste Menschen den Gipfel des Everest erreichten und im Abstieg starben. Andere mutmaßen, dass Mallory und Irvine spätestens am sogenannten Second Step auf rund 8610 Metern scheiterten. Die rund 40 Meter hohe, steile Felsstufe auf dem Nordostgrat wird seit 1975 mit einer Leiter überwunden und ist frei kletternd nur sehr schwer zu überwinden. Wieder andere spekulieren, dass die beiden Briten 1924 wegen der schlechten Sichtverhältnisse vorzeitig umkehrten – oder weil ihre Sauerstoffgeräte nicht funktionierten.

Bergsteiger einer britischen Everest-Expedition im Jahr 1933 fanden auf einer Höhe von knapp 8500 Metern den Eispickel Irvines. 1991 wurde etwa auf gleicher Höhe eine Sauerstoffflasche entdeckt, die der Expedition von 1924 zugeschrieben wurde.

Und Mallory und Irvine? 1979 behauptet der Chinese Wang Hongbao, dass er vier Jahre zuvor am Everest auf rund 8.200 Metern einen „alten englischen Toten“ gefunden habe. Zwei Tage nach seiner Aussage stirbt Wang in einer Lawine. 20 Jahre später, am 1. Mai 1999, entdeckt der US-Bergsteiger Conrad Anker, Mitglied einer internationalen Suchexpedition, auf 8159 Metern, im Schutt eingefroren, zweifelsfrei die Leiche Mallorys. Auf einem Etikett am Jackenkragen steht Georges Name, in der Tasche stecken Briefe, die an ihn adressiert sind. Mallorys Bein ist gebrochen, schwere Kopfverletzungen sind zu sehen. Er ist offenbar abgestürzt.

Wo ist die Kamera?

Andrew Irvine
Andrew Irvine

Anker und seine Teamgefährten finden jedoch nicht die Kodak-Kamera, die Mallory und Irvine bei sich trugen, um ihren Aufstieg zu dokumentieren. Die Kamera ist bis heute verschollen. Manche mutmaßen, dass chinesische Bergsteiger in den 1970er Jahren die Leiche Irvines fanden und die Kamera entnahmen. Die Kamera liege zusammen mit anderen Fundstücken Mallorys und Irvines unter Verschluss in einem chinesischen Museum, heißt es. Dafür gibt es Hinweise, aber keine Beweise.

Irvines Leiche bleibt verschollen. Und auch Mallorys sterbliche Überreste liegen inzwischen nicht mehr an der Stelle, an der Conrad Anker sie vor 25 Jahren fand. Haben die Chinesen alle Spuren beseitigt, wie manch einer spekuliert? Oder hat sich der Everest selbst der Leichen entledigt, indem Sturm, Lawinen oder Steinschlag sie in die Tiefe befördert haben. Solange die Kamera nicht gefunden wird, bleibt es ein Rätsel, wie hoch Mallory und Irvine vor 100 Jahren am Mount Everest gekommen sind. In seinem letzten Brief an seine Ehefrau Ruth schreibt George Mallory am 27. Mai 1924: „Es steht 50:1 gegen uns, aber wir werden noch einen draufsetzen und stolz auf uns sein.“

P.S. Allen, die sich näher mit dem Geheimnis um Mallory und Irvine beschäftigen wollen, empfehle ich das Buch „Die Geister des Mount Everest“. Zu den Autoren gehört der deutsche Geologe, Bergsteiger und Alpinhistoriker Jochen Hemmleb, der die Expedition 1999 mit initiierte und die Suche nach Mallory und Irvine vom vorgeschobenen Basislager aus koordinierte. In Kürze erscheint ein neues Buch Jochens zu dem Thema.

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