Wohl kaum einem anderen Bergsteiger an den Achttausendern in Nepal drücken in diesem Frühjahr so viele Menschen die Daumen wie dem spanischen Senior Carlos Soria. Und ebenso viele dürften heute erneut ein bisschen enttäuscht sein: „Nachdem sie die Wettervorhersagen gesehen hatten, beschlossen Carlos Soria und Sito Carcavilla, ins Basislager abzusteigen und auf eine günstigere Gelegenheit zu warten“, ließ Carlos‘ Team via Twitter wissen. Für die nächsten Tage wird am Dhaulagiri im Westen Nepals Schneefall erwartet.
Der inzwischen 83 Jahre alte Bergsteiger, sein spanischer Teamgefährte Sito Carcavilla und ihr sechsköpfiges Sherpa-Team waren bis Lager 3 auf rund 7400 Metern aufgestiegen. Eine Etappe fehlte noch bis zum Gipfel auf 8167 Metern.
Soria ist bereits zum 13. Mal am siebthöchsten Berg der Erde, den er mit Flaschensauerstoff besteigen will. Einmal, im Herbst 2017, war Carlos fast oben. Auf 8050 Metern musste er umkehren, weil er und seine Mitstreiter im Gipfelbereich die Orientierung verloren und das falsche Couloir erwischt hatten. Carlos‘ unermüdliche Versuche am Dhaulagiri sind umso erstaunlicher, da ihm Ende 2018 ein künstliches Kniegelenk eingesetzt wurde.
Zehn Achttausender mit über 60
Soria hat das Bergsteigen übrigens nicht erst im reifen Alter für sich entdeckt. Er gehörte auch schon bei der ersten erfolgreichen spanischen Achttausender-Expedition 1975 am Manaslu mit zum Team, aus dem Jeronimo Lopez und Gerardo Blazquez den höchsten Punkt erreichten. Für seinen ersten Achttausender-Gipfel ließ sich Carlos allerdings noch 15 Jahre Zeit: Mit 51 Jahren bestieg den Nanga Parbat. Danach folgten elf weitere Achttausender-Erfolge, zehn davon mit über 60.
Der ehemalige Polsterer, der in der Kleinstadt Moralzarzal nahe Madrid lebt, hält die Altersrekorde am K2 (65 Jahre), Makalu (69, damals stieg er ohne Flaschensauerstoff auf), Gasherbrum I (70, ebenfalls ohne Atemmaske), Manaslu (71), Lhotse (72), Kangchendzönga (75) und an der Annapurna (77). Neben dem Dhaulagiri fehlt ihm nur noch die Shishapangma in seiner Achttausendersammlung. 2005 erreichte Carlos den Mittelgipfel des Bergs in Tibet. Dieser Punkt liegt mit einer Höhe von 8008 Metern zwar auch jenseits der Achttausender-Marke, ist aber eben 19 Meter niedriger als der Hauptgipfel. 2103 und 2014 kehrte Soria mit leeren Händen von der Shishapangma zurück.
„Auf den besten Moment warten“
„Worauf ich am meisten stolz bin, ist, dass ich keine Unfälle hatte, keine Erfrierungen“, sagte Carlos vor seiner Abreise nach Nepal dem spanischen Internetportal desnivel.com. „Mir kommt es wie ein Scheitern vor, auf dem Berg zu sterben.“
Am Dhaulagiri hat er insgesamt bereits mehr als anderthalb Lebensjahre verbracht. „Er ist ein bisschen zickig, weil er mich bisher nicht hochkommen ließ, aber wir sind gute Freunde“, sagt der Spanier über den Berg, den man eigentlich wegen seiner vielen Versuche auch „Soriagiri“ taufen könnte.
Aufgegeben hat Carlos für dieses Frühjahr noch lange nicht. Soria und Carcavilla seien bestens akklimatisiert und müssten „nur noch geduldig auf den besten Moment warten, um den Gipfel des Dhaulagiri zu erreichen“, verkündet sein Team.