Nachhaltiger Bergtourismus – unter dieses Motto haben die Vereinten Nationen den heutigen „Internationalen Tag der Berge“ gestellt. Gemeint ist ein Tourismus, der in Einklang mit Natur und Landschaft sowie mit der Kultur der lokalen Bevölkerung steht. Ziemlich genau das Gegenteil ist das Projekt, das die Regierung Tansanias jetzt offenbar mit allen Mitteln umsetzen will: den Bau einer Gondelbahn auf den Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas.
„Wir sind dabei, das juristische Verfahren abzuschließen“, sagte vor einigen Tagen die stellvertretende Tourismusministerin des afrikanischen Landes, Mary Mansanja. Schon bald würden die Menschen in Tansania über das genaue Datum informiert, ab wann die Seilbahn ihren Termin aufnehme. „Mit diesen Gondeln wird es nur noch 30 Minuten dauern, auf den Berg zu gelangen.“
In einer halben Stunde auf 3850 Meter
Seit über zwei Jahren wird bereits über das Projekt diskutiert. Laut übereinstimmenden Presseberichten aus Tansania soll die Gondelbahn entlang der Machame-Route gebaut werden: vom Machame Gate, dem Eingangstor der Route auf rund 1800 Metern hinauf zum Shira-Plateau auf etwa 3850 Metern. Die 63 Kilometer lange Machame-Route gehört zu den beliebtesten der sieben hauptsächlich genutzten Wege auf den Kilimandscharo. Sechs bis sieben Tage werden für den Anstieg bis zum 5895 Meter hohen Gipfel veranschlagt.
Dass sich Gipfelaspiranten in die Gondel setzen, um sich die ersten beiden Tagesetappen zu sparen, ist eher nicht zu erwarten, weil nicht ratsam. Wer sich innerhalb von einer halben Stunde zwei Kilometer hoch auf 3850 Meter transportieren lässt, geht ein sehr hohes Risiko ein, höhenkrank zu werden. Schon jetzt berichten rund 70 Prozent der Touristen am Kilimandscharo anschließend über Symptome der akuten Höhenkrankheit. Kein Jahr vergeht ohne Todesfälle am Berg, die von der Regierung Tansanias weitgehend totgeschwiegen werden.
Tourismus erholt sich nur langsam
Das Projekt einer Seilbahn auf den Kilimandscharo ist nicht neu. Bereits 1968 prüften Ingenieure aus Frankreich, diese Möglichkeit. Der Plan wanderte jedoch für ein halbes Jahrhundert in die Schublade. Dass die Regierung wild entschlossen ist, ihn jetzt in die Tat umzusetzen, verwundert kaum. Der Tourismus in Tansania ist durch die Corona-Pandemie eingebrochen. Die Zahl der Besucher sank von rund 1,5 Millionen im Jahr 2019 auf knapp 621.000 im Jahr 2020. In diesem Jahr hat sich der Markt zwar etwas erholt: In den ersten zehn Monaten zählte die Regierung rund 716.000 Touristen. Zum Vor-Corona-Niveau ist es aber noch ein weiter Weg.
Der Kilimandscharo ist zweifellos einer der größten touristischen Magneten des Landes. Vor der Pandemie versuchten alljährlich mehr als 30.000 Menschen, den Gipfel zu erreichen – ökologisch eine Gratwanderung, um nicht zu sagen unmöglich. Und jetzt noch eine Seilbahn?
Existenz vieler Träger bedroht
Das einzig Nachhaltige daran wäre der kommerzielle Erfolg der Betreiber. Andere Menschen müssten leiden. Denn selbst wenn die Bergsteiger weiterhin den Berg hinauftrekken, dürften die Gondeln auch zum Materialtransport genutzt werden. Tausende von Trägern, die für die zahlreichen kommerziellen Anbieter arbeiten, müssten um ihre Jobs bangen. Davon redet die Regierung nicht.
Dass der Bau einer Seilbahn zudem ein schwerer Eingriff in die Natur ist, liegt auf der Hand. Und einen Teil seines Zaubers würde der Kilimandscharo dadurch auch verlieren. Durch Seilbahnen entweihte und malträtierte Berge wie der Mont Blanc in Frankreich oder die Zugspitze in Deutschland sollten als mahnende Beispiele reichen – nicht nur am Internationalen Tag der Berge.