„Meine irische Flöte ist ein wesentlicher Bestandteil meiner Kletterausrüstung“, sagt Sean Villanueva O’Driscoll. „Wenn ich hoch oben an einer senkrechten Felswand baumele und tagelang in einem Sturm in einem kleinen Portaledge festsitze, ist meine Blechpfeife da, um sicherzustellen, dass ich nicht einfach nur warte. Ich lebe. Ich spiele Musik.“
Dem Kletterer mit der Flöte ist jetzt in Südamerika an den Granitfelsen Patagoniens eine ganz außergewöhnliche Melodie gelungen: Der Belgier meisterte die sogenannte Fitz-Traverse – und das im Alleingang.
Piolet-d’Or-würdig
Es war die erst zweite Begehung der Route über die komplette Gipfelgruppe um den legendären 3406 Meter hohen Fitz Roy: mehr als fünf Kilometer über sieben Gipfel und einige messerscharfe Grate. Für die Erstbegehung im Jahr 2014 waren die beiden US-Ausnahmekletterer Alex Honnold und Tommy Caldwell mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet worden, dem „Oscar der Bergsteiger“.
Den hat auch Villanueva schon einmal gewonnen: für eine ganze Serie von Erstbegehungen in Grönland im Jahr 2010, zusammen mit den belgischen Brüdern Nicolas und Olivier Favresse sowie dem US-Amerikaner Ben Ditto.
Sieben Kuchen, teilweise mit Zuckerguss
Sean deutete seinen Coup in Patagonien nur an, als er sich gestern via Facebook bei allen bedankte, die ihm zu seinem 40. Geburtstag am 7. Februar gratuliert hatten: „Zur Feier meines Geburtstags habe ich mir die SIEBEN Kuchen gegönnt, einige mit Zuckerguss, und ein paar extra Beilagen!“
Dass der Belgier damit die Fitz-Traverse meinte, offenbarte kurz darauf der US-Kletterer Colin Haley, der sich mit zahlreichen Erstbegehungen in Patagonien, einige davon im Alleingang, einen Namen gemacht hat. Villanueva habe die Gipfel der Fitz-Gruppe in der Gegenrichtung von Honnold und Caldwell überschritten, schrieb Haley auf Facebook. „Ohne Zweifel ist das die beeindruckendste Solo-Klettertour, die je in Patagonien gemacht wurde. Und ich frage mich, ob es nicht vielleicht sogar die bisher beeindruckendste Patagonien-Kletterei überhaupt ist.“
Den Moment leben
Villanueva O’Driscoll begann mit 13 Jahren zu klettern – in einer Kletterhalle in Belgien. Später machte er die Leidenschaft zum Beruf. Seine Spezialität: Freiklettern in Bigwalls, hohen, extrem steilen Felswänden. Dabei „lernst du alles über das Leben. Es lässt dich den Moment leben“, sagt Sean. „Du kannst die Dinge wirklich fühlen, das Essen wirklich schmecken, und du kannst spüren, wie der Fels die Finger zerfetzt, wenn das Blut herausläuft. Es gibt nichts, was ich am Big Wall Free Climbing nicht mag.“
Einer seiner Sponsoren ließ wissen, dass der 40-Jährige bei seiner Fitz-Traverse nur ein Seil und ein Stück Geburtstagskuchen mit sich geführt habe – und natürlich seine irische Flöte, die nirgendwo fehlend darf. Sean habe hinterher erklärt: „Wirklich gute Flöten-Akustik auf diesen Gipfeln!“
Update 14. Februar: Sean taufte seine Route die „Moonwalk Traverse„. Er benötigte dafür sechs Tage und kletterte nach eigenen Angaben alle Anstiege frei.
Grandios! Gratulation!
Ich verneige mich tief.
Eine unglaubliche Leistung eines außergewöhnlichen Bergsteigers und Menschen,tiefe Verbeugung.
Der Belgier ist nicht schlecht, aber sein Landsmann Claudio Barbier hatte bereits vor 50 Jahren die Nordwände der Drei Zinnen im Alleingang geklettert, was ich als größere Leistung ansehe, ja, die Belgier.