Everest-Studie: Jeder Dritte hatte Herzrhythmusstörungen

Südseite des Mount Everest
Südseite des Mount Everest

Wenn du dich am Mount Everest versuchst, solltest du dir bewusst sein, dass du sein Leben riskierst. Du kannst in eine Lawine geraten, in eine Gletscherspalte stürzen, von Steinschlag getroffen werden, abstürzen, erfrieren, an Erschöpfung sterben, an einem Höhenhirn- oder Höhenlungenödem. Nepalesische und Schweizer Wissenschaftler haben nun mit ihrer „SUMMIT“-Studie auf eine mögliche weitere Gefahr aufmerksam gemacht, die im Extremfall ebenfalls tödlich enden kann: Herzrhythmusstörungen während des Aufstiegs vom Basislager auf 5300 Metern zum Gipfel auf 8849 Metern.

Bärenstarke Testgruppe

Everest-Südsattel
Everest-Südsattel

In der Frühjahrssaison 2023 untersuchten sie 41 Bergsteiger, die sich auf den Weg zum höchsten Punkt der Erde machten. Um es gleich klarzustellen: Die Probanden waren keine Everest-Aspiranten, denen es an Erfahrung am Berg und in großer Höhe mangelte. Bei mehr als 80 Prozent handelte es sich um Sherpas. Jeder Vierte hatte bereits mehr als zehn Achttausender-Besteigungen auf dem Konto.

Das Durchschnittsalter der untersuchten Bergsteiger lag bei etwa 33 1/2 Jahren, bei keinem von ihnen wurden vor der Expedition Herzrhythmusstörungen festgestellt. Von den 41 Testpersonen erreichten 34 das Basislager, 32 stiegen mindestens bis zum Südsattel auf 7900 Metern auf, 14 standen auf dem Gipfel. Mit anderen Worten: Es handelte sich um eine bärenstarke Gruppe.

Gefahr ernst nehmen

Den Probanden wurden EKG-Pflaster aufgeklebt, die jeden Herzschlag aufzeichneten. Das Ergebnis der „SUMMIT“-Studie: Bei 13 der 34 Bergsteiger, die oberhalb des Basislagers unterwegs waren, wurden Herzrhythmusstörungen festgestellt – sprich bei mehr als jedem Dritten. Bei 43 der insgesamt 45 Fälle von Rhythmusstörungen schlugen die Herzen viel zu langsam (Bradykardie), bei zweien deutlich zu schnell (Kammertachykardie). Das Ergebnis dürfe nicht auf die leichte Schulter genommen werden, warnt Thomas Pilgrim. Der Professor am Inselspital, der Universitätsklinik der Schweizer Hauptstadt Bern, leitete die Studie gemeinsam mit seinem nepalesischen Kollegen Kunjang Sherpa, der als Kardiologe am Bir-Hospital in Kathmandu arbeitet.

Unterschätzte Gefahr?

Bei einigen Bergsteigern seien „hochgradige AV-Blockierungen und Kammertachykardien“ festgestellt worden, die „grundsätzlich zu klinischen Beschwerden führen“, sagt Pilgrim. Etwa zu Schwindel oder Ohnmacht, was zu Stürzen führen kann, die am Everest schnell fatal enden. Von einer AV-Blockierung spricht man, wenn die elektrische Reizleitung im Herz gestört ist. Je stärker diese Störung ist, umso langsamer schlägt das Herz. Bei Kammertachykardien schlagen die Herzkammern dagegen viel zu schnell. Folge: Die Kammern füllen sich nicht mehr ausreichend mit Blut und entleeren sich auch nicht mehr richtig.

Es sei „entscheidend, Individuen zu identifizieren, die dazu neigen, bedrohliche Rhythmusstörungen (wie beispielsweise Kammertachykardien) entwickeln, die zu Bewusstseinsverlust bis hin zum Tod führen können“, sagt Pilgrim. „Zukünftigen Studien müssen die möglichen Auswirkungen der beobachteten Rhythmusstörungen genauer untersuchen, um ein besseres Verständnis darüber zu gewinnen, ob Herzrhythmusstörungen ein zusätzliches, bisher unterschätztes Risiko beim Höhenbergsteigen darstellen.“

Der 46 Jahre alte Kardiologe ist selbst Bergsteiger. 2016 bestieg Pilgrim mit Flaschensauerstoff den Achttausender Cho Oyu. Im Frühjahr 2023 machte er auch am Everest – mit Atemmaske – einen Gipfelversuch, kehrte aber wegen schlechten Wetters am Südsattel um.

Außer Atem

Stefan Nestler im Zelt im Everest-Basislager 2005
Unruhiger Schlaf in großer Höhe – ich selbst 2005 im vorgeschobenen Everest-Basislager auf dem Zentralen Rongbuk-Gletscher

Ziel der „SUMMIT“-Studie war es, in einem ersten Schritt zu ermitteln, wie häufig Herzrhythmusstörungen bei gesunden Everest-Bergsteigern auftauchen. Aber was bringt das Herz aus dem Takt? Das müssen weitere Studien zeigen. „Die Herzrhythmusstörungen entstehen mit großer Wahrscheinlichkeit als Folge von charakteristischen Atemmustern während des Schlafes und Störungen des Salzhaushaltes aufgrund der Hyperventilation“, erklärt der Wissenschaftler.

Der Körper reagiert auf die dünne Luft in großer Höhe mit einer beschleunigten Atmung. Man hyperventiliert. Beim Schlafen ändert sich in regelmäßigen Abständen die Atemtiefe (high-altitude periodic breathing), es kann auch zu kurzen Atemaussetzern kommen.  

Flaschensauerstoff vermindert offenbar das Risiko

Der Großteil der Herzrhythmusstörungen trat zwischen dem Basislager und Lager 3 auf 7300 Metern auf, „in Höhen, in denen kein zusätzlicher Flaschensauerstoff verwendet wurde“, sagt Pilgrim. Im Gipfelbereich, oberhalb des Südsattels, wo alle Probanden Atemmasken trugen, lag die Zahl der Rhythmusstörungen niedriger. „Unsere Daten legen nahe, dass die Verwendung von zusätzlichem Flaschensauerstoff das Risiko für das Auftreten von Herzrhythmusstörungen verringert“, antwortet der Kardiologe auf meine Frage, wie Bergsteiger der Gefahr vorbeugen können.

Zudem sollten sie vor Beginn der Expedition zu Hause per EKG klären lassen, ob eine mögliche Anfälligkeit für Herzrhythmusstörungen besteht, rät Pilgrim. Wie bei allen anderen Gefahren am Everest gilt auch hier: Umsicht hilft – wenngleich das Risiko nie ganz ausgeschlossen werden kann.

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