Snowman Race in Bhutan – Himalaya-Lauf gegen den Klimawandel

Holly Zimmermann am Karchung La
Holly Zimmermann am Karchung La

„Es war eine reine Kopfentscheidung, keine des Herzens“, sagt mir Ultra-Läuferin Holly Zimmermann. Die in Deutschland lebende US-Amerikanerin stieg am zweiten Tag des „Snowman Race“ in Bhutan aus. „Ich hätte gerne noch mehr Berge des Himalaya gesehen, die wunderschönen Täler und die gastfreundlichen Menschen, die dort leben. Aber ich war bereits am ersten Tag spät dran und bin einige Stunden in der Dunkelheit gelaufen. Und das ist im Himalaya grenzwertig.“ Als sie auf der zweiten Etappe den rund 5200 Meter hohen Karchung La erreichte, zog Holly die Reißleine: „Ich war zu langsam. Es wäre wieder ein sehr langer Tag geworden. Ich habe zu Hause vier Kinder im Alter zwischen 14 und 21 Jahren. Ich habe mir gesagt: ‚Sicherheit geht vor‘ und habe umgedreht.“

Pflichtausrüstung im Rucksack

Gangkhar Puensum
Gangkhar Puensum

Zimmermann war mit 52 Jahren die Älteste im Teilnehmerfeld – und die einzige, die in Deutschland lebt: in einem Dorf nahe Regensburg. Nur 29 Ultra-Läuferinnen und -Läufer gingen beim „Snowman Race“ an den Start: neun Einheimische und 20 aus aller Welt, die von den Veranstaltern persönlich eingeladen worden waren. Das Rennen folgte den Spuren des „Snowman Trek“. Die legendären, anspruchsvolle Drei-Wochen-Trekkingtour im östlichen Himalaya führt auch am 7570 Meter hohen Gangkhar Puensum vorbei, dem höchsten noch unbestiegenen Berg der Welt. Die Gipfel Bhutans sind für Bergsteiger gesperrt, weil sie als Sitz der Götter angesehen werden, die man nicht verärgern will.

In fünf Tagesetappen ging es für die Läuferinnen und Läufer des „Snowman Race“ über insgesamt 203 Kilometer, der höchste Punkt lag am Gophula Pass auf gut 5400 Metern. Die Strecke war mit Fähnchen markiert. „Die waren aber am Abend unmöglich zu sehen. Im Dunkeln mussten wir mit GPS navigieren“, sagt Zimmermann. Übernachtet wurde im Zelt, alle trugen Rucksäcke. „Wir hatten eine Pflichtausrüstung. Schlafsack, Essen für unterwegs, Wasser, Regenklamotten, eine wärmere Jacke, Mütze, Handschuhe, Erste-Hilfe-Material. Am schwersten war der Schlafsack. Ich hatte einen für Temperaturen bis minus 30 Grad Celsius. Und es war trotzdem kalt.“

Holly ist nicht so leicht zu beeindrucken. Schließlich bewältigte sie bereits in der marokkanischen Sahara den „Marathon des Sables“, ein Etappenrennen durch die Wüste über 230 Kilometer – oder auch den „Everest-Marathon“, der im Basislager zu Füßen des höchsten Bergs der Erde auf über 5300 Metern gestartet wird. „Dort waren viele Leute unterwegs, und es ging meist bergab“, erinnert sich die Ultra-Läuferin. „Das Rennen in Bhutan war viel härter.“

Gefährliche Gletscherseen

Mit dem Spektakel wollte Bhutan die Aufmerksamkeit der Welt auf die Folgen des Klimawandel für den Himalaya-Staat lenken. „Die Menschen, die am Rande der schmelzenden Gletscher leben, tragen am wenigsten zum Klimawandel bei, bekommen aber als erste seine verheerenden Auswirkungen zu spüren“, sagte Bhutans Königin Jetsun Pema – seit elf Jahren mit dem Regenten, König Jigme verheiratet – in einer Grußbotschaft nach dem Ende des Rennens.

In Bhutan gibt es rund 700 Gletscher, die in immer schnellerem Tempo abschmelzen. 567 Gletscherseen haben Forscher im vergangenen Jahr in den Bergen des Kleinstaats gezählt, 17 davon wurden als gefährlich eingestuft. Sollte einer der natürlichen Dämme brechen, könnte sich ein Unglück wie jenes am 7. Oktober 1994 wiederholen: Damals schossen 17 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Gletschersee Lugge Tsho talwärts, Dörfer und Felder wurden überflutet, 21 Menschen kamen ums Leben.

„Wir sind die Leidtragenden des Klimawandels, ohne dass wir etwas dafür können“, sagt Karma Toeb, der sich als Glaziologe des Nationalen Zentrums für Hydrologie und Meteorologie (NCHM) seit mehr als 20 Jahren mit der Gletscherschmelze in seinem Heimatland befasst. Worauf Karma hinweist, ist die Tatsache, dass Bhutan – neben Panama und Surinam –zu den nur drei Staaten weltweit gehört, die eine negative CO2-Bilanz aufweisen: Dort werden mehr Treibhausgase absorbiert als produziert. Das schützt jedoch nicht vor den Folgen des Klimawandels.

Appell an die bevorstehende Weltklimakonferenz

„Wir sahen die Veränderungen mit eigenen Augen“, sagte US-Läufer Luke Nelson nach dem Rennen. „Ich sah deutlich die Spuren der früheren Gletscher, mit Moränen, die nicht mehr mit Eis gefüllt waren. Was mich allerdings am meisten beeindruckt hat, waren die Menschen dort und die Bedrohung, mit der sie jeden Tag leben.“ Einer Bedrohung, die sehr real ist. So zerstörte Ende September nach drei Tagen Dauerregen ein Erdrutsch mehrere Häuser eines Bergdorfs in Bhutan, fünf Menschen kamen ums Leben.

Holly Zimmermann räumt ein, dass sie zunächst nur auf das Rennen fokussiert gewesen sei. „Aber dann habe ich schnell gemerkt, dass es um sehr viel mehr ging. Wir haben hier etwas gelernt über die Klimakrise und was sie dagegen tun.“ Nachdem Bhutan sich wegen der Corona-Pandemie mehr als zwei Jahre lang nach außen abgeschottet hatte, dürfen seit September wieder Touristen ins Land. Sie müssen dafür tiefer in die Tasche greifen. Die Regierung hat die Gebühr für nachhaltige Entwicklung von 65 auf 200 US-Dollar pro Person und Nacht angehoben. Das Geld wird unter anderem für Klimaschutzprogramme eingesetzt.

Die Botschaft, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher, ist auch bei den Läuferinnen und Läufern des „Snowman Race“ angekommen. „Ist das die Welt, die wir unseren Kindern vererben wollen“, fragte Simon Mtuy bei der Abschlussveranstaltung des Rennens. Der Läufer und Bergsteiger aus Tansania richtete einen Appell an die nächste Weltklimakonferenz im November in Scharm El-Scheich in Ägypten: „Wir müssen das Problem sehr schnell anpacken und reparieren, was wir zerstört haben.“

17 von 29 kamen an

Holly Zimmermann umgeben von sieben Bhutanesen mit Deutschland-Fähnchen in der Hand
Holly war die einzige Starterin aus Deutschland

Mtuy war einer von 17 Startenden, die nach gut 200 Kilometern das Ziel des Snowman Race erreichten. Zwölf hatten vorher aufgegeben. „Mehrere Läufer mussten wegen Höhenkrankheit mit dem Hubschrauber evakuiert werden“, berichtet Holly Zimmerman.

Den Sieg bei den Frauen sicherte sich Karma Yangden, bei den Männern gewann Gawa Zangpo, beide aus Bhutan. Auf allen Podestplätzen landeten am Ende ausnahmslos Einheimische. „Das hatten wir alle erwartet“, sagt Holly. „Das war wie beim Everest-Marathon. Die Läufer von dort kommen selten nach uns ins Ziel.“  

Sie kehre mit vielen Eindrücken nach Deutschland zurück – aus dem einzigen Land der Welt, in dem das Glück seiner Bewohner in der Verfassung festgeschrieben ist. „Ich hoffe, ich nehme die Ruhe, Demut und Gastfreundlichkeit der Menschen mit“, so die Ultra-Läuferin. „Sie sind als die glücklichsten Menschen der Welt bekannt. Und nach dem, was ich erlebt habe, kann ich das bestätigen.“ Wären da nicht der Klimawandel und seine Folgen.

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