Abschied von Lhakpa Tenji Sherpa. Am heutigen Montag gaben ihm Familie und Freunde – unter anderem seine Frau, seine Tochter, seine beiden Söhne und seine Brüder – bei einer Trauerfeier in Kathmandu die letzte Ehre. Der nepalesische Bergsteiger hatte am Montag vergangener Woche (6. Mai) einen jordanischen Kunden auf den 8485 Meter hohen Gipfel des Makalu geführt und war beim Abstieg in Lager 3 auf rund 7500 Metern gestorben – wahrscheinlich an der Höhenkrankheit. Die Meinungen darüber, ob der Tod des erfahrenen Bergsteigers hätte verhindert werden können, gehen auseinander.
Der Sherpa war das erste Todesopfer dieser Frühjahrsklettersaison an den Achttausendern Nepals. Und wie so häufig, wenn Beschäftigte der nepalesischen Expeditionsindustrie bei ihrer Arbeit ums Leben kommen, war es zunächst nur eine knappe Mitteilung des Tourismusministeriums, in der über den Tod des 53-Jährigen informiert wurde. Meine Anfrage an seinen Arbeitgeber Seven Summit Treks (SST), nähere Informationen über Lhakpa Tenjis Tod zu erhalten, blieb unbeantwortet. Erst am gestrigen Sonntag informierte der größte Expeditionsveranstalter Nepals auf den sozialen Netzwerken etwas ausführlicher über den Tod des Sherpas.
Familie wirft Expeditionsveranstalter Versäumnisse vor
„Während er einen internationalen Bergsteiger zum Gipfel führte, erkrankte Lhakpa während des Abstiegs (erschöpft). Trotz sofortiger Hilfe und Bemühungen, ihn zu retten, hauchte er gegen 19 Uhr in Lager 3 sein Leben aus, obwohl er zusätzlichen Sauerstoff erhielt“, ließ SST wissen. „Das Sherpa-Team, das ihn begleitete, kämpfte an den Hängen des Makalu allen Widrigkeiten zum Trotz um Lhakpas Leben, aber sie verloren gegen das Schicksal.“
Lhakpa Tenjis Familie bezweifelt jedoch, dass sein Tod wirklich Schicksal und nicht zu verhindern war. „Ich bin immer noch verwirrt über die Ursache seines Todes“, schreibt mir Wang Chhu Sherpa, einer der Brüder des verstorbenen Bergsteigers. „Ich traue der von Seven Summit Treks verbreiteten Version nicht. Ich bin sicher, dass mein Bruder überlebt hätte, wenn es eine rechtzeitige Rettungsaktion mit ausreichend Flaschensauerstoff gegeben hätte.“ Mingma Sherpa, der Chef von SST, habe ihm gegenüber Fehler eingeräumt, so Wang Chhu. In der offiziellen Erklärung würden diese jedoch nicht erwähnt, obwohl er dies im Namen der Familien gefordert habe.
Er wirft SST zudem vor, am 6. Mai die Gipfelerfolge sehr schnell über die sozialen Medien verbreitet zu haben, die Familie aber erst am 8. Mai über den Tod Lhakpa Tenjis informiert zu haben. Zu diesem Zeitpunkt war die Information bereits im Internet zu lesen. „Das ist der Hauptgrund meiner Beschwerde über SST“, schreibt mir Wang Chhu Sherpa.
Dreimal auf dem Mount Everest
Im Nachruf würdigte Seven Summit Treks Lhakpa Tenji als jemanden, der „sein Leben den Bergen gewidmet, andere Bergsteiger mit unübertroffener Expertise geführt und eine tiefe Leidenschaft für die hohen Berge des Himalaya“ gehabt habe: „Lhakpa war nicht nur ein erfahrener Sherpa-Führer, sondern auch ein Mentor und Freund für viele. Seine Besteigungen und sein Vermächtnis werden lebendig bleiben. Und er wird für seine Bescheidenheit, Freundlichkeit und seine bleibenden Verdienste um unsere Gemeinschaft für immer in unseren Herzen bleiben.“ Details über Lhakpas Tenjis bergsteigerische Karriere blieb der SST-Nachruf schuldig. Ich habe die Eckdaten recherchiert, sein Bruder Wang Chhu Sherpa hat diese Informationen bestätigt.
Lhakpa Tenji wurde 1970 im Dorf Gudel im Solukhumbu-Gebiet geboren, rund 50 Kilometer Luftlinie südlich des Mount Everest. Er hatte fünf Brüder. Einer davon, der neun Jahre ältere Lhakpa Dorje Sherpa, stand achtmal auf dem Everest, insgesamt über zwanzigmal auf Achttausender-Gipfeln. Mit ihm zusammen stieg Lhakpa Tenji als Climbing Sherpa des US-Veranstalters Jagged Globe 2004 auf den Makalu, seinen ersten Achttausender.
Nach Informationen der Chronik Himalayan Database folgten sieben weitere Achttausender-Gipfelerfolge, einer davon ohne Flaschensauerstoff: 2005 am Cho Oyu. Diesen Berg bestieg er 2014 ein zweites Mal. Dreimal (2006, 2012 und 2019) stand Lhakpa Tenji auf dem Mount Everest, einmal auf dem Kangchendzönga (2018) – und nun am 6. Mai zum zweiten Mal auf dem Makalu, fast genau 20 Jahre nachdem er ihn erstmals bestiegen hatte. Diesmal kostete ihn der Aufstieg auf den fünfthöchsten Berg der Erde das Leben.
„Er war ein freundlicher und fürsorglicher Mensch“, erinnert sich der sechsmalige Everest-Besteiger Jamie McGuinness aus Neuseeland an Lhakpa Tenji. 2019 hatten beide gemeinsam den höchsten Punkt der Erde über die tibetische Nordseite des Mount Everest erreicht. Lhakpa Tenji Sherpa sei „ernsthaft und angenehm in der Zusammenarbeit gewesen“, schreibt mir Jamie. „Und natürlich kompetent.“ Ein großer Verlust – für seine Familie und für die Bergsteiger-Szene nicht nur in Nepal. Möge er in Frieden ruhen. 🙏
Update 19.30 Uhr: Vom Makalu wird ein weiterer Todesfall gemeldet. Nach Informationen der „Himalayan Times“ starb am Sonntag ein 60 Jahre alter französischer Bergsteiger auf einer Höhe von rund 8100 Metern, offenbar war er höhenkrank.
Danke für die Recherche und diesen Artikel, lieber Stefan