Und wieder großes Bergsteiger-Kino in den Bergen des Himalaya in Nepal: durch „die drei B“.
Felix Berg aus Deutschland, Hervé Barmasse aus Italien und Adam Bielecki aus Polen eröffneten eine neue Route durch die rund 1000 Meter hohe Südwand des selten bestiegenen, 6958 Meter hohen Numbur im Rolwaling-Tal, unweit des Mount Everest – und das im Alpinstil: ohne Flaschensauerstoff, ohne Fixseile, ohne feste Hochlager und ohne Sherpa-Unterstützung.
„Für mich persönlich war es schön, mal wieder etwas Alpines klettern zu können, nachdem ich in letzter Zeit doch häufig damit beschäftigt war, (kommerzielle) Touren zu führen und zu leiten“, sagt mir Felix Berg, Geschäftsführer des Expeditionsanbieters SummitClimb. „Ich muss sagen, es ist eine meiner Highlight-Touren in Nepal.“
Der 44-Jährige stand bereits auf fünf Achttausendern: je zweimal auf dem Mount Everest (2004 und 2021) und dem Gasherbrum II (2018 und 2022) sowie auf dem Broad Peak (2014), dem Cho Oyu (2018) und dem Manaslu (2023)
Vertrauen auf die Teamgefährten unverzichtbar
Ihre Route am Numbur sei an einigen Stellen technisch „relativ anspruchvoll“, sagt Felix. „Und im oberen Bereich hatten wir ein heikles Gelände mit Schneeverhältnissen, bei denen du einfach einander vertrauen musst. Denn wenn dort einer abrutscht, sind alle drei weg.“
Die letzten 200 bis 250 Meter bis zum Gipfel hätten sie nicht mehr wirklich absichern können, so Felix. „Dann bist du auch schon müde und musst das komplette Vertrauen für einander haben.“
Barmasse von Stein getroffen
Es gab einige kritische Momente während des Aufstiegs. Bielecki ging es gesundheitlich nicht gut. Er musste sich erbrechen, fühlte sich schwach und forderte deshalb die anderen beiden auf, allein in die Wand einzusteigen.
Felix sprach sich für einen gemeinsamen Versuch aus. Wenn es nicht gehe, könne man jederzeit umdrehen und es einige Tage später noch einmal versuchen.
Im Laufe des Tages setzte Stein- und Eisschlag ein. „Da traf ein Stein aus reinem Glück meine Schulter statt meinen Kopf“, schreibt Hervé Barmasse auf Instagram. „Der Schmerz war stark, aber unter diesen Umständen umzukehren wäre noch riskanter gewesen. Wir stiegen weiter.“
Biwak ohne Schlafsäcke
Weil der Tag schon weit fortgeschritten und Bielecki am Ende seiner Kräfte war, beschloss das Trio unter einer Schneewechte zu biwakieren. Ohne Schlafsäcke, auf die sie verzichtet hatten, weil sie ursprünglich davon ausgegangen waren, an einem Tag auf- und wieder abzusteigen.

„Wir hatten nur einen dünnen Biwak-Schutzsack mit, unter den wir uns dann zu dritt gehockt haben“, berichtet Felix Berg. „Wir haben die Nacht mit Temperaturen von minus 25 Grad Celsius und starkem Wind einigermaßen überstanden.“ Barmasse spricht von der „zweifellos schwierigsten Nacht, seit ich mit dem Klettern angefangen habe“.
Barmasse: Eine „Thriller-Besteigung“
Am nächsten Morgen beschlossen die drei Bergsteiger, nicht umzukehren, sondern zum Gipfel weiterzusteigen. „Wir waren glücklich“, beschreibt Hervé den Moment, als sie den höchsten Punkt erreichten. „Es war eine ‚Thriller‘-Besteigung, technisch großartig, menschlich tiefgründig. Eine Erfahrung, bei der wir stundenlang unsere Belastbarkeit und unsere Fähigkeit, Schmerzen und Kälte zu ertragen, auf die Probe gestellt haben.“
Barmasse, Berg und Bielecki tauften ihre Route „Nepali Ice Spa“. „Zum einen sind wir alle drei Familienväter. Dann ist so eine Expedition immer auch ein bisschen Wohlfühl-Urlaub“, erklärt Felix die Namenswahl. Der Zusatz Spa für die Eisroute sei aber auch ironisch gemeint. „Wir haben unseren Biwakplatz nicht umsonst ‚Devils Suite‘ genannt, weil es teuflisch kalt war und wir eine ziemlich unangenehme Nacht hatten.“
Begeisterter Empfang
Als die drei Bergsteiger vom Numbur in das Dorf Takasindu zurückkehrten, wurden sie dort begeistert empfangen.
„Die ganze Dorfgemeinschaft – vom Dorfvorsteher bis zu einem Einwohner, der früher einmal für Nepal bei Olympischen Winterspielen gestartet war – hat sich hier versammelt, um unsere Besteigung zu feiern“, erzählt Felix Berg.
Der Numbur war im Frühjahr 1963 von einer japanischen Expedition erstmals bestiegen worden – über den Südwestgrat. Der Japaner Hiroshi Matsuo und der Nepalese Mingma Tshering Sherpa hatten damals den höchsten Punkt erreicht. Danach gab es nach Angaben der Bergsteiger-Chronik Himalayan Database noch 15 weitere Expeditionen zu dem Berg im Rolwaling. Sechs von ihnen endeten erfolgreich, allesamt über den Südwestgrat, die letzte im Herbst 1991.
P.S.: Hier – in Adam Bieleckis Instagram-Post – könnte ihr die Route des Trios sehen.




