Bergsteiger-Legende Kurt Diemberger feiert seinen 90. Geburtstag

Kurt Diemberger

Im Sommer 2004 ereilte uns dasselbe Problem. Auf der Anreise zum K2, dem zweithöchsten Berg der Erde in Pakistan, zogen sich sowohl Bergsteiger-Legende Kurt Diemberger als auch ich eine Diarrhoe zu, die uns zwei Tage lang außer Gefecht setzte. Wie wir später im Gespräch feststellten, hatten wir beide in einem Hotel in der Stadt Chilas am Karakorum Highway Eier gegessen, die ihre beste Zeit hinter sich hatten. Mit ziemlich wackligen Beinen machten wir uns dann doch wie geplant auf den Weg zum Trekking über den Baltoro-Gletscher.

Kurt begleitete damals als Ehrengast eine große italienische Expedition, die sich zum 50. Jahrestag der K2-Erstbesteigung durch die Italiener Achille Compagnoni und Lino Lacedelli eine weitere Besteigung des Bergs zum Ziel gesetzt hatte – was später auch fünf Bergsteigern des Teams gelang, allesamt ohne Einsatz von Flaschensauerstoff. Ich war wegen des Jubiläums auf einer Reportagereise zum K2, den Kurt mir gegenüber als seinen „Traum- und Schicksalsberg“ bezeichnete.

Erfolg und Tragödie am K2

Little Karim, Kurt Diemberger, Stefan Nestler
Kurt in der Mitte, links der legendäre pakistanische Hochträger „Little Karim“ Balti, rechts ich (2004), im Hintergrund die Chogolisa

Im Sommer 1986 hatte der Österreicher mit seiner langjährigen Seilpartnerin, der Britin Julie Tullis, den 8611 Meter hohen Gipfel des K2 erreicht. Beim Abstieg gerieten sie in einen Wettersturz, der sie tagelang im Hochlager gefangen hielt. Julie starb an Erschöpfung. Vier weitere Bergsteiger ließen ebenfalls ihr Leben. Kurt erreichte das Basislager mit schweren Erfrierungen, mehrere Fingerglieder der rechten Hand mussten amputiert werden. Damit konnte er weiter leben, viel härter traf ihn der Verlust seiner Freundin Julie. „Ich habe jahrelang gebraucht, um darüber hinwegzukommen“, erzählte mir Kurt 2004.

An diesem Mittwoch feiert Diemberger in seinem Wohnort Bologna im Norden Italiens seinen 90. Geburtstag. Er ist der einzige noch lebende Bergsteiger, dem zwei Erstbesteigungen von Achttausendern gelangen.

Revolutionärer Stil

Broad Peak (mit Schatten des K 2)

1957 schrieb der damals 25-Jährige mit seinen österreichischen Landsleuten Hermann Buhl, Markus Schmuck und Fritz Wintersteller Alpingeschichte: Als Erste bestiegen sie den Achttausender Broad Peak in Pakistan – und das im „Westalpenstil“: als kleines Team, mit minimaler Ausrüstung, ohne Hochträger und ohne Flaschensauerstoff. Das kam einer Revolution gleich. Damals wurden Achttausender üblicherweise mit großen Mannschaften und Bergen von Material regelrecht belagert.

Nach dem Erfolg zerfiel die Seilschaft jedoch. Schmuck und Wintersteller bestiegen nach dem Broad Peak auch noch erstmals den 7410 Meter hohen Skil Brum. Buhl und Diemberger versuchten sich an der 7688 Meter hohen Chogolisa. Auf dem Gipfelgrat kamen die beiden in einen Wettersturz. Plötzlich brach unter Buhl eine Wächte ab, er stürzte in den Tod. (Kurt hat mir davon einmal sehr eindringlich erzählt, wie ihr im Audio unten hören könnt).

Sechs Achttausender

1960, drei Jahre nach dem Triumph am Broad Peak und der Tragödie an der Chogolisa, zählte Diemberger auch zu den Erstbesteigern des Dhaulagiri. Außer ihm war es nur Hermann Buhl gelungen, zwei Achttausender erstmals zu besteigen (1953 Nanga Parbat, 1957 Broad Peak). Später stand Kurt noch auf den Gipfeln von vier weiteren Achttausendern: auf dem Makalu (1978), dem Mount Everest (1978), dem Gasherbrum II (1979) – und dem K 2 (1986). Er sei stets „dem Zauber des Ungewissen“ auf der Spur gewiesen, schrieb Kurt in einem seiner vielen Bücher.

Wer langsam geht …

Diemberger genoss und genießt immer noch nicht nur als Bergsteiger weltweit ein großes Renommee, sondern auch als Filmemacher, Fotograf und Autor. 2013 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“. Mit 90 Jahren ist die Zeit hohen Berge natürlich auch für Diemberger vorbei. Doch wenn er sich weiter an sein eigenes Motto hält, das er immer wieder gerne zitiert, wird er – in einem altersgerechten Maß – unterwegs bleiben: „Wer langsam geht, geht gut. Wer gut geht, geht weit.“

Im Jahr 2004 haben wir übrigens beide – in bedachtsamen Tempo wandernd – wie geplant das Basislager zu Füßen des K2 erreicht. Und bei den Eier schauen wir seitdem sicher genauer hin als damals. Alles Gute, lieber Kurt, bleib weiter fit und gesund! Die 100 schaffst du auch noch.

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