„Es reicht!“ Dass Denis Urubko mit dieser Aussage am Montag nicht nur die gescheiterte Winterexpedition am Broad Peak meinte, sondern auch seine Achttausender-Karriere, erschloss sich eigentlich nicht. Aber dann sickerte es allmählich über die sozialen Netzwerke durch: Der 46-Jährige sagt dem Expeditionsbergsteigen nach zwei Jahrzehnten Adieu. „Ich plane, das riskante Bergsteigen an irgendwelchen Bergen aufzugeben“, bestätigte Denis heute gegenüber dem spanischen Bergsteigerportal desnivel.com. „Ich will nur noch auf Hügel wandern und Sportklettern.“ Letzteres wird er wohl vornehmlich mit seiner Lebensgefährtin bestreiten, der spanischen Kletterin Maria „Pipi“ Cardell.
22-mal stand der Russe, der auch einen polnischen Pass hat, auf Achttausender-Gipfeln, zuletzt im Sommer 2019, als er am Gasherbrum II im Alleingang eine neue Route eröffnet hatte.
Von Reinhold Messner inspiriert
Urubkos Leidenschaft für die Berge erwachte früh, als sein Vater ihn zum Jagen mitnahm. So richtig „klick“ machte es allerdings erst, als er einmal ein Bergsteiger-Magazin in die Finger bekam. Darin wurde über Reinhold Messners Solobesteigung des Nanga Parbat berichtet und über zwei Kasachen, die am Dhaulagiri eine neue Route eröffnet hatten. „Von diesem Moment an hatte ich das Bergsteigen als meinen ‚Gott‘ gefunden, dem ich in Zukunft folgen wollte“, erzählte mir Denis, als wir uns 2010 beim International Mountain Summit in Brixen in Südtirol trafen.
Zwei Winter-Erststeigungen an Achttausendern
Weil er den hohen Bergen nahe sein wollte, zog Urubko, der auf der russischen Insel Sachalin aufgewachsen war, mit 19 Jahren nach Kasachstan. Obwohl er damals noch russischer Staatsbürger war, trat er in die kasachische Armee ein. Grund: Es gab dort eine Sportgruppe von Bergsteigern. Denis kletterte, so häufig er konnte, im Tian-Shan-Gebirge – auch im Winter, als Training für die Expeditionen im Himalaya und Karakorum, die er schon damals im Hinterkopf hatte. Im Jahr 2000 bestieg Urubko den Mount Everest, in den folgenden neun Jahren auch die restlichen Achttausender – allesamt ohne Flaschensauerstoff, teilweise auf neuen Routen oder wie am Lhotse auch im Alleingang. Am Makalu und Gasherbrum II gelangen Denis Winter-Erstbesteigungen von Achttausendern.
Goldener Eispickel für neue Route am Cho Oyu
2010 wurden Urubko und Boris Dedeshko mit dem Piolet d’Or geehrt, dem „Oscar der Bergsteiger“. Im Jahr zuvor hatten die beiden die in Nepal gelegene Südwand des Achttausenders Cho Oyu bestiegen, über eine neue, schwierige Route. „Das war die gefährlichste Tour meines Lebens: Lawinen, mieses Wetter, unsere schlechte Verfassung“, erinnerte sich Urubko im Gespräch mit mir. „Manchmal werde ich jetzt noch nachts wach und erinnere mich an diese Situationen. Dann schüttelt es mich regelrecht, und ich kann kaum wieder einschlafen.“
Bergsteigen als Kunstform
Bergsteigen, sagte mir Urubko damals, sei für ihn nicht einfach nur Sport. „Vor vielen Jahren habe ich mich als Schauspieler versucht. Für mich spielt das Künstlerische immer noch eine große Rolle: Lampenfieber zu haben, mich auszudrücken, auch Risiken einzugehen. Es setzt Adrenalin frei, gefährliche Routen zu klettern und am Leben zu bleiben.“ In erster Linie suche er das Abenteuer, so Denis, aber er finde in den Bergen auch die Freiheit. „Hier kann ich Situationen ändern, allein mit meinen Händen und meinem Willen.“ Nun ist es Zeit für neue Abenteuer.
Ziehe den Hut vor Denis, dass er sich aus dem Expeditionswesen zurückzieht!
Ich finde, es ist eine weise Entscheidung, rechtzeitig im Guten sich neuen Zielen zuzuwenden als in den Bergen sein Leben zu lassen.
So hat es schon Steve House vorgemacht, bei dem es aber erst zu einem lebensbedrohlichen Unfall kommen musste.
Was Denis wohl unter Hügel versteht ;)?