Wenn Bergsteigen zur Sucht wird

Schneegrat am Kokodak Dome
Der Berg ruft und wir kommen

Geht es euch auch so wie mir? Wenn ich in Facebook herumsurfe, werden mir ständig in gesponserten Beiträgen irgendwelche Pullover oder T-Shirts mit der Aufschrift „Bergsüchtig“ angeboten. Der Grund liegt auf der Hand: Aufgrund meiner Posts haben Mark Zuckerberg und Co. meine Bergleidenschaft erkannt und mich in die entsprechende Schublade einsortiert. Dass „Bergsucht“ nicht nur ein billiger Werbeslogan, sondern ein reales Phänomen ist, haben Wissenschaftler der Medizinischen Universität Innsbruck herausgefunden. „Unser Ansatz war, dass man auch beim Bergsteigen ebenso Belohnungs- und Glücksgefühle erleben kann wie etwa beim Spielen. Wir haben uns gefragt, wie groß das Suchtpotential beim Bergsport ist“, sagt mir Katharina Hüfner, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie.

Die 46 Jahre alte Professorin leitete die Studie der Uni Innsbruck. Dazu wurde eine Umfrage in der deutschsprachigen Bergszene gestartet. Eingeladen waren Personen, die sich selbst als „regelmäßige“ oder sogar „extreme“ Bergsteigerinnen und Bergsteiger bezeichnen. 335 Personen nahmen teil. 88 von ihnen, also ein Viertel der Befragten, wurden hinterher als Bergsüchtige eingestuft.

Bewusst in Gefahr begeben

Sonnenuntergang am 7000er Kokodak Dome – mehr davon, sagt meine Seele

Dazu mussten sie Suchtmerkmale aufweisen: „Wenn man zum Beispiel alles andere für das Bergsteigen vernachlässigt. Wenn man weitermacht, obwohl man eigentlich nicht mehr kann und die möglichen Gefahren kennt. Wenn man Entzugserscheinungen verspürt, wenn man nicht bergsteigt“, erklärt Hüfner. Die Wissenschaftlerin stellt klar, dass das Ergebnis nicht bedeutet, dass nun jeder vierte Bergsteiger süchtig ist. „Die Frage war, ob es überhaupt eine Bergsucht gibt, nicht, wie häufig sie auftritt. Unsere Umfrage war nicht repräsentativ. Sie beruhte ja auf einer Selbsteinschätzung der Teilnehmenden.“

Die Studie ergab, dass die Bergsüchtigen zu „Sensation Seeking“ neigten, sprich der Suche nach immer wieder neuen Erfahrungen mit intensiven Eindrücken, und zu einer erhöhten Risikobereitschaft. „Viele gaben an, dass sie sich bewusst in Gefahr begeben“, sagt Hüfner. Überraschend findet sie das nicht. „Leute, die sehr viel am Berg machen, gehen häufiger Risiken ein. Aber was für den einen gefährlich erscheinen mag, ist für den anderen Alltag.“

Huhn oder Ei?

Doch die Studie habe auch erstaunliche Ergebnisse gehabt, so die Professorin: „Am meisten überrascht hat mich, wie viele der Bergsüchtigen eigene psychiatrische Erkrankungen benannt haben: Depressionen, Angstzustände, Essstörungen, Alkoholabhängigkeit oder auch illegalen Drogenmissbrauch. Man geht ja eigentlich davon aus, dass die Leute, die in die Berge gehen, wahnsinnig gesund sind.“ Dabei stellt sich allerdings die Frage nach Huhn oder Ei. Was war zuerst da? „Psychische Anfälligkeit für Sucht könnte zu exzessivem Bergsteigen führen, oder psychiatrische Probleme könnten als Folge der Sportsucht entstehen“, heißt es in der Studie. „Beides ist möglich“, sagt Katharina Hüfner. Die Frage nach Ursache und Wirkung müsse nun weiter untersucht werden.  

Weiter in die Berge!

Mein Berggedicht nach dem Scheitern am 7000er Putha Hiunchuli

Und was rät sie uns Bergverrückten? Sollen wir jetzt einen großen Bogen um die geliebten Berge machen? Nein, winkt Hüfner ab. „Ich würde dabei bleiben, dass Bergsport zur Behandlung und Vorbeugung psychischer und körperlicher Krankheiten sehr hilfreich ist und auch angewendet werden sollte.“ Und sollen wir die Pullover und T-Shirts mit der Aufschrift „Bergsüchtig“ nun einmotten? „Es gibt ja überhaupt nur ein Suchtpotential, weil Bergsteigen so einen Spaß macht. Etwas, das keinen Spaß macht und keinen Kick gibt, macht auch nicht süchtig. Sonst könnte man ja auch süchtig danach werden, den Haushalt zu erledigen“, sagt Katharina Hüfner und lacht.

Eine Antwort auf „Wenn Bergsteigen zur Sucht wird“

  1. Sehr aufschlussreicher Artikel. Nur muss ich den letzten Satz wiedersprechen, denn es gibt tatsächlich Personen, die Putz und Ordnungssüchtig sind.

Kommentare sind geschlossen.

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