Alpinismus-Weltverband UIAA warnt vor Xenon-Einsatz im Höhenbergsteigen – Furtenbach widerspricht

Mount Everest
Mount Everest

In der Debatte um den geplanten Einsatz des Edelgases Xenon mit dem Ziel, die Dauer von Everest-Expeditionen auf eine Woche zu verkürzen, hat sich jetzt auch der Alpinismus-Weltverband UIAA eingeschaltet. „Nach der aktuellen [wissenschaftlichen] Literatur gibt es keine Beweise dafür, dass das Einatmen von Xenon die Leistung in den Bergen verbessert, und eine unsachgemäße Anwendung kann gefährlich sein“, heißt es in einer Erklärung der medizinischen Kommission der UIAA.

Furtenbach kritisiert Kommissionschef

Lukas Furtenbach, Chef des Unternehmens Furtenbach-Adventures, das Xenon einsetzen will, bezeichnet mir gegenüber die Erklärung als „unwissenschaftlich, voller methodischer und inhaltlicher Fehler und Missinterpretationen und böswilliger Unterstellungen“. So werde darin die – so Furtenbach – „falsche Behauptung aufgestellt, dass Xenon keinen Effekt auf Erythropoese [Bildung von roten Blutkörperchen] und Leistung hätte, wonach es ja sofort wieder von der WADA-Liste gestrichen werden müsste bzw. gar nie dort aufgenommen werden hätte dürfen.“

Die Erklärung spiegele „nur die persönliche Meinung von Urs Hefti“ wider, der in einem engen wirtschaftlichem Verhältnis zu einem Mitbewerber stehe und der ihm sogar schriftlich bestätigt habe, dass es sich bei dem Statement um seine eigene Stellungnahme handele. Der Schweizer Orthopäde und Sportmediziner Dr. Hefti ist der Präsident der 19-köpfigen UIAA-Kommission.

Empfohlene Dosis?

Xenon, so heißt es in der Erklärung der Kommission, sei ein Anästhesiegas und damit ein Arzneimittel mit entsprechenden Nebenwirkungen und Gesundheitsrisiken: „In einer nicht überwachten Umgebung kann es zu einer Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, einer Beeinträchtigung der Atmung und sogar zum Tod führen. In einer Studie wurde bei Personen, die es in den für das Bergsteigen empfohlenen Dosen verwendeten, eine erhebliche Sedierung festgestellt. Selbst eine leichte Sedierung ist in dem potenziell gefährlichen Umfeld des Höhenbergsteigens schädlich.“

Lukas Furtenbach
Lukas Furtenbach widerspricht der UIAA-Erklärung

Furtenbach ist über eine solche „empfohlene Dosis für das Bergsteigen“ verwundert, da ja laut Hefti bisher noch gar keine Studien zur Verwendung des Gases im Höhenbergsteigen existierten. „Wer soll diese Empfehlung ausgesprochen haben?“, fragt der Österreicher und fügt hinzu, „dass wir wohl die einzigen sind, denen eine Datengrundlage und Erfahrungen von mehrjähriger Forschungsarbeit zum Einsatz von Xenon zur Akklimatisation zur Verfügung steht.“

Außerdem hätten weder er noch sein medizinischer Berater, der Anästhesist Dr. Michael Fries das zum Einsatz kommende genaue Mischverhältnis von Xenon und Sauerstoff bekanntgegeben. Auch finde die Behandlung so lange vor der Höhenexposition statt, dass zum Zeitpunkt der Höhenexposition schon lange kein Xenon mehr im Körper nachweisbar sei, so Furtenbach, geschweige denn eine gefährliche Beeinträchtigung von Körperfunktionen durch Xenon stattfinden könne. „Offensichtlich wurde von der medizinischen Kommission der UIAA nicht einmal der grundlegende Einsatz verstanden“, meint Furtenbach. Hefti und auch sonst niemand aus der Kommission habe zu irgendeinem Zeitpunkt Kontakt zu ihm oder Fries aufgenommen, um Näheres zu erfahren.

UIAA: „Xenon sollte dem Operationssaal vorbehalten bleiben“

In der UIAA-Erklärung heißt es weiter, die Akklimatisierung sei ein extrem komplexer Vorgang: „Da die physiologischen Veränderungen Tage bis Wochen brauchen, um den Organismus zu beeinflussen, kann aus physiologischer Sicht ein einzelnes, einmal verabreichtes Medikament nicht der Schlüssel zu einer besseren Akklimatisierung oder Leistungssteigerung sein. Insbesondere bei Erythropoietin, dem Zielstoff von Xenon, dauert es Wochen, bis sich die roten Blutkörperchen vermehren, sodass eine Einnahme kurz vor dem Klettern keinen Unterschied bei Hämoglobin, Hämatokrit oder Leistung erwarten lässt.“

Das Fazit der UIAA-Mediziner: „Xenon wird in der Medizin selten verwendet und ist nicht in allen Ländern zugelassen. Seine Verwendung sollte dem Operationssaal und der Anästhesie durch entsprechend ausgebildete Fachkräfte vorbehalten bleiben. Aus medizinischer Sicht ist ein Off-Label-Einsatz ohne wissenschaftliche Grundlage und mit unbekannten Gesundheitsrisiken abzulehnen.“

Furtenbach: „Fragwürdige Alpinethik“

Furtenbach kann sich nach eigenen Worten über die Erklärung der UIAA nur wundern: „Argumentationstheoretisch finde ich es spannend, als Orthopäde Xenon, ein Narkosegas mit medizinischer Zulassung, das seit gut 75 Jahren in verschiedenen Bereichen der Medizin eingesetzt und erforscht wird und dessen Sicherheit und gute Verträglichkeit unumstritten ist, innerhalb eines Statements sowohl als wirkungslos wie auch gleichzeitig als so gefährlich zu bezeichnen, dass davor gewarnt werden muss.“ 

Er stelle sich zudem eine weitere Frage: Auf der einen Seite warne die Kommission jetzt vor einem medizinisch überwachten Einsatz von Xenon als Bestandteil einer umfassenden wochenlangen Akklimatisationsstrategie inklusive Hypoxietraining und Verwendung von Flaschensauerstoff beim Aufstieg in großer Höhe. Auf der anderen Seite finde er aber in keiner Publikation eine Warnung der Kommission vor dem Höhenbergsteigen auf Achttausendern ohne Verwendung von Flaschensauerstoff, unabhängig davon, wie akklimatisiert werde, sagt Furtenbach: „Ich möchte gar keine Schätzung abgeben, wie viele Menschen schon an hohen Bergen gestorben sind, weil sie keinen Flaschensauerstoff verwendet hatten bzw. wie viele Menschen nicht sterben hätten müssen, hätte man sie vor dieser Gefahr ausreichend gewarnt, anstatt eine fragwürdige ‚Alpinethik‘ zu propagieren.“

Hinweis: Der Artikel wurde am 25. Januar um die Stellungnahme von Lukas Furtenbach ergänzt.

Eine Antwort auf „Alpinismus-Weltverband UIAA warnt vor Xenon-Einsatz im Höhenbergsteigen – Furtenbach widerspricht“

  1. Der ganze Sauerstoffmist beim Bergsteigen gehört verboten. Es ist doch nur Geldmacherei. Der Furtenbach sollte erst einmal ohne Sauerstoff rauf, nur dann wa er oben. Mit Sauerstoff wird der Berg ja auf einen 7000 runtergedopt.

Die Kommentare sind geschlossen.

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