Es ist ein kleines Wunder. Nach übereinstimmenden Berichten aus Nepal ist der seit Montag am Achttausender Annapurna I im Westen Nepals vermisste indische Bergsteiger Anurag Maloo heute in einer Gletscherspalte auf rund 5800 Metern gefunden und geborgen worden. Der 34-Jährige wurde mit dem Hubschrauber in ein Krankenhaus der Stadt Pokhara und dann weiter in eine Klinik in Kathmandu geflogen. „Er ist in einem kritischen Zustand, aber er lebt“, sagte Sudhir Maloo, der Bruder des Bergsteigers, in einem kurzen Video, das über die sozialen Netzwerke verbreitet wurde.
Das Rettungsteam des nepalesischen Expeditionsanbieter Seven Summit Treks wurde von Chhang Dawa Sherpa geleitet. Auch die polnischen Bergsteiger Adam Bielecki und Mariusz Hatala, die in diesem Frühjahr versuchen wollten, gemeinsam mit dem Deutschen Felix Berg eine neue Route durch die Nordwestwand der Annapurna I zu eröffnen, beteiligten sich an der Rettungsaktion.
Familie gab nicht auf
Familie und Freunde Maloos hatten mit einer Petition an die nepalesische und indische Regierung sowie einem Spendenaufruf dafür gesorgt, dass weiter intensiv nach Maloo gesucht wurde – obwohl die Chance, ihn lebend zu finden, mit jeder Minute sank. Maloo hatte seinen Gipfelversuch in Lager 4 auf rund 7100 Meter abgebrochen, beim Abstieg war er verschwunden.
Die indische Bergsteigerin Baljeet Kaur war nach ihrem Gipfelerfolg (ohne Flaschensauerstoff) zwischenzeitlich ebenfalls vermisst worden. Sie hatte jedoch am Dienstag in 7300 Meter Höhe lokalisiert und mit dem Hubschrauber gerettet werden können. Um ihre Erfrierungen zu behandeln, war sie in ein Krankenhaus in Kathmandu geflogen worden. Der nordirische Bergsteiger Noel Hanna hatte nur noch tot geborgen werden können. Der 56-Jährige, der die Annapurna I ebenfalls ohne Flaschensauerstoff bestiegen hatte, war in seinem Zelt in Lager 4 gestorben – offenbar an der Höhenkrankheit.
Update 21. März: Adam Bielecki, der – gemeinsam mit Tashi Sherpa – Anurag Maloo in der rund 50 Meter tiefen Gletscherspalte gefunden und geborgen hatte, sagte in einem Interview mit Michal Rodak im polnischen Radiosender RMF24: „Wir dachten, wir würden mit dem Hubschrauber hinaufgeflogen, um eine Leiche zu bergen, und wir haben vielleicht einen Mann gerettet. Anurags Zustand ist dem Vernehmen nach immer noch ernst, aber er soll stabil sein. Das Gefühl ist großartig. Mariusz (Hatala) und ich sind nach der ganzen Aktion in Tränen ausgebrochen, vor Rührung, vor Glück und um diesen Gefühlen freien Lauf zu lassen. (…) Für uns ist es eine Lektion, dass man niemals aufgeben darf und immer zur Rettung schreiten muss. Denn es besteht immer Hoffnung, dass es auch nach zwei Tagen noch eine Chance gibt, einen Menschen zu retten.“
Nach Adams Worten haben die beiden Polen ihren ursprünglichen Plan aufgegeben, durch die Nordwestwand der Annapurna aufzusteigen: „Dies ist einfach nicht die richtige Jahreszeit.“ Möglicherweise wollen sie es auf der Normalroute versuchen – wenn das Wetter mitspielt.
Update 23. April: Sollte der Eindruck entstanden sein, dass ich den Anteil der polnischen Bergsteiger Adam Bielecki und Mariusz Hatala hervorgehoben habe, lag dies nicht in meiner Absicht. Eine solche gefährliche Aktion kann immer nur als Teamleistung funktionieren. Zum Rettungsteam gehörten neben Bieleck und Hatala die Nepalesen Chhepal Sherpa, Lakpa Sherpa, Tashi Sherpa, Dawa Nurbu Sherpa, Lakpa Nuru Sherpa und der Hubschrauber-Pilot Sobit Gauchan. Chhang Dawa Sherpa und Mingma Sherpa von Seven Summits Trek koordinierten die Suche und Bergung. Hut ab vor allen Rettern, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um das Leben Anurags zu retten! Der Zustand des indischen Bergsteigers bessert sich nach Angaben seiner Familie langsam, ist aber nach wie vor kritisch.