Die ersten Achttausender-Gipfelerfolge der Frühjahrssaison werden in diesem Jahr an der 8091 Meter hohen Annapurna I im Westen Nepals erwartet. Das Sherpa-Team, das für die kommerziellen Teams die Fixseile legt, hat die Normalroute bereits fast bis hinauf nach Lager 3 auf rund 6400 Metern gesichert. „Wir warten auf das Wetterfenster für den Gipfel“, verkündete gestern Nirmal Purja, Chef des Veranstalters Elite Exped.
Wahrscheinlich werden die meisten Teams die Annapurna bereits wieder verlassen haben, wenn Felix Berg mit seinen polnischen Teamgefährten Adam Bielecki und Mariusz Hatala im Basislager eintreffen. „Die meisten wollen ja anschließend noch weiter zum Everest, Lhotse, Kangchendzönga oder sonst wohin“, sagt mir Felix. „Es ist ja zur Mode geworden, in kurzer Zeit mit allen Mitteln so viele Achttausender wie möglich zu bezwingen.“
Akklimatisierung am Himlung Himal
Das polnisch-deutsche Trio hat sich ein anderes, ambitioniertes Ziel gesetzt: eine neue Route durch die selten gekletterte Nordwestwand der Annapurna. Im Frühjahr 2017 waren Bialecki, Berg und der schottische Bergsteiger Rick Allen (1953 – 2021) in der Wand auf 6500 Metern wegen schlechten Wetters umgekehrt.
Aktuell gewöhnen sich Bielecki und Hatala in den Bergen im Norden Chiles an die große Höhe. Felix Berg, der sich mit einem Hypoxie-Zelt und Touren in den Alpen vorbereitet, startet am 22. März nach Nepal. Dort trifft sich das Trio, um die Akklimatisierung am Siebentausender Himlung Himal abzuschließen. Anschließend wollen sie voraussichtlich mit dem Hubschrauber ins Annapurna-Basislager fliegen.
Ich habe mit Felix Berg über die bevorstehende Expedition gesprochen. Der 42 Jahre alte Deutsche hat bisher vier Achttausender bestiegen: zweimal – mit Flaschensauerstoff – den Mount Everest (2004 und 2021) sowie jeweils ohne Atemmaske den Broad Peak (2014), den Cho Oyu (2018) und den Gasherbrum II (2018).
Felix, ihr habt euch wieder die Nordwestwand der Annapurna vorgenommen. Plant ihr den Aufstieg über dieselbe Route wie 2017?
Ja, über dieselbe Route wie damals.
Ihr seid vor sechs Jahren nur bis auf 6500 Meter gelangt. Das war eine harte Nummer. Was macht dich optimistisch, dass es diesmal besser werden könnte?
Jetzt wissen wir, worauf wir uns einlassen. Wir hatten damals schlechtes Wetter, jeden Nachmittag gab es Niederschläge. Wir hoffen, dass wir mal drei, vier Tage stabiles Wetter für diese Wand haben. Dann sollte es auch machbar sein.
2017 gehörte noch der Brite Rick Allen mit zu eurem Team. Er starb im Sommer 2021 am K2. Steigt ihr jetzt für ihn mit auf?
Ich habe Rick damals bei der Expedition kennengelernt. Es ist tragisch und schade, dass er nicht mehr da ist. Er war eine faszinierende Persönlichkeit, ein bodenständiger Mensch, der allerdings auch die Grenzerfahrungen gesucht hat. Natürlich wäre es schön, wenn er jetzt noch da wäre.
Aus dem Team von 2017 ist neben dir noch der Pole Adam Bielecki vertreten. Wie oft warst du mit ihm schon unterwegs?
Es wird unsere vierte gemeinsame größere Expedition nach dem gemeinsamen ersten Versuch an der Annapurna-Nordwestwand, dem (Achttausender) Gasherbrum II 2018 und dem (Siebentausender) Langtang Lirung 2019. Darüber hinaus haben wir aber auch schon häufiger gemeinsam kleinere Touren unternommen, etwa auf den Mount Kenya oder auch in den Pyrenäen und Alpen.
Mit Mariusz Hatala habt ihr einen weiteren Polen mit im Team. Hast du ihn auch schon am Berg kennengelernt?
Noch haben wir nichts gemeinsam am Berg gemacht. Im vergangenen Jahr hat er in Pakistan innerhalb von neun Tagen den Broad Peak und den K2 ohne Flaschensauerstoff bestiegen, er kann also mit der großen Höhe umgehen. Mit Adam hat er auch einige Touren in der Hohen Tatra gemacht. Ich vertraue darauf, dass es mit ihm gut klappen wird.
In welchem Stil werdet ihr unterwegs sein?
Möglichst leicht, man kann das Alpinstil nennen. Sicher werden wir keinen Flaschensauerstoff nutzen, keine Fixseile legen und uns auch nicht von Sherpas unterstützen lassen. Aber ist es noch Alpinstil, wenn man die Route schon teilweise kennt? Keine Ahnung. (lacht)
Wie viel Zeit gebt ihr euch für die Wand?
Ich denke, dass wir sie in zwei bis drei, maximal vier Tagen durchklettern können. Für die Expedition haben wir bis spätestens Mitte Mai Zeit.
Du hast 2017 über euer letztes Lager in der Wand gesagt, ihr hättet wegen des abschüssigen Untergrunds besser ein Portaledge als ein Zelt mitgenommen. Gehört es diesmal zu eurem Gepäck?
Nein, ein Portaledge ist zu schwer. Wir versuchen es diesmal mit ultraleichten Hängematten, die nur rund 200 Gramm wiegen.
Habt ihr auch sonst am Material gefeilt?
Sicherlich wird es im Vergleich zum letzten Mal optimiert sein – welches Material wir brauchen, für wie viele Tage wir Essen mitnehmen. Wir werden sicherlich leichter unterwegs sein.
Wie groß siehst du die Chancen, dass ihr diesmal höher gelangt als 2017, vielleicht sogar bis zum Gipfel?
Das ist schwierig zu sagen. Es hängt von den Verhältnissen ab, du brauchst das nötige Quäntchen Glück. Aber ich gehe davon aus, dass wir die Fähigkeit haben, diese Route zu klettern. Allerdings kann sie sich in den vergangenen sechs Jahren auch stark verändert haben. Es ist viel Ungewissheit dabei. Aber bei einer solchen Abenteuer-Expedition liegt der Reiz ja auch im Unbekannten.
Bin sehr gespannt! Viel Glück für das Team💪
Drücke die Daumen! Seid wann ist das eigentlich so, dass die Komerziellen Expeditionen die Annapurna im März also noch im Winter besteigen? Und warum spricht dann keiner über Winterexpedition