Immer noch Fragezeichen hinter Bergsteiger-Saison in Nepal

Sonnenaufgang über Mount Everest und Lhotse (r.)

Es wirkte wie der Versuch eines Befreiungsschlags. In der vergangenen Woche verkündete die Regierung in Kathmandu, dass vom 17. August an wieder Flüge nach Nepal und innerhalb des Landes erlaubt seien. Auch Trekkingtouren und Expeditionen seien dann wieder zugelassen – unter Sicherheitsvorkehrungen. Doch es bleiben viele Fragezeichen. Wie viele Flüge werden erlaubt und aus welchen Ländern? Das Tourismusministerium erklärte bisher recht vage, zunächst dürften Touristen kommen, deren Heimatländer nicht stark von der Pandemie betroffen seien.

Und wie geht es dann weiter? Reicht es, wenn die Touristen bei ihrer Einreise einen aktuellen negativ ausgefallenen COVID-19-Test vorlegen oder müssen sie sich Touristen am Flughafen in Kathmandu testen lassen? Bleibt es bei der aktuell geltenden 14 Tage andauernden Quarantäne? Was passiert im Falle einer Infektion in Nepal? Meine Anfrage an das Tourismusministerium blieb bisher unbeantwortet.

Noch keine Entwarnung

Das Dorf Thame im Khumbu-Gebiet

Auch wenn sich die Kurve der Infektionen mit dem Coronavirus in Nepal etwas abgeflacht hat – sie steigt immer noch. Bislang (Stand 29. Juli) wurden mehr als 19.000 Fälle in dem Himalayastaat registriert, aktuell sind mehr als 5000 Menschen an COVID-19 erkrankt. 49 Corona-Todesfälle sind bestätigt. Die meisten Infektionen werden aus dem Grenzgebiet zu Indien gemeldet. Die Gebirgsregionen blieben bisher weitgehend verschont. So werden aus dem Solukhumbu, dem Gebiet um den Mount Everest acht aktuelle Infektionen gemeldet – alle Zahlen vor dem Hintergrund, dass in einem armen Land wie Nepal weniger getestet werden kann als in einem reichen Industriestaat.

Sicherheitskonzept fehlt

Touristenviertel Thamel in Kathmandu

Die Tourismusbranche Nepals steht mit dem Rücken zur Wand. So berichtet mir der Besitzer einer Trekkingagentur in Kathmandu, dass er kaum noch seine Familie ernähren könne. Seit vier Monaten habe er die Miete für sein Büro nicht mehr zahlen können, Telefon- und Internetverbindung seien gekappt worden. Wie ihm dürfte es vielen Kleinunternehmern im nepalesischen Tourismus gehen. Die größeren Anbieter haben zwar einige Anfragen für die Herbstsaison erhalten, doch auch sie warten auf einen detaillierten Plan der Regierung für Sicherheitsvorkehrungen. Dieses Konzept steht noch aus.

„Das bedeutet ein Risiko für unsere Kunden, ein Risiko für unsere Mitarbeiter und ein Risiko für die örtlichen Kommunen“, schreibt mir Mingma Gyalje Sherpa, Chef des Veranstalters Imagine Nepal. „Wenn die Richtlinien nicht bis zur ersten Augustwoche vorliegen, werde ich die geplanten 8000er-Besteigungen absagen. Meine Kunden wissen darüber Bescheid.“ Sein Unternehmen hatte Expeditionen zum Manaslu und zum Dhaulagiri angeboten.

„Trial and error möchte ich nicht machen“

Das vorgeschobene Basislager auf der Everest-Nordseite (2015)

Expeditionsveranstalter im deutschsprachigen Raum äußerten sich mir gegenüber skeptisch über die geplante Öffnung Nepals ab 17. August. Für Lukas Furtenbach, Chef des österreichischen Veranstalters Furtenbach Adventures, hat sich durch die Ankündigung der nepalesischen Regierung nichts verändert. Es sei „weiterhin alles unklar“, schreibt mir Lukas. Das größte Problem sieht er darin, dass derzeit kaum jemand nach Nepal fahren will. „Dazu das durchaus reale Risiko, dass einer das Virus ins Team im Basislager bringt. Jetzt eine Expedition zu machen, wäre doppeltes Risiko. Zum einen könnte sich bis zum Start doch noch etwas ändern, und man müsste doch wieder stornieren. Zum anderen setzt man sowohl seine Mitarbeiter, Sherpas, Guides und auch die Teilnehmer einem nicht unerheblichen Risiko aus. Es wäre ‚trial and error‘. Das möchte ich nicht machen.“ Furtenbach will nach eigenen Worten „lieber wirklich handfeste Hygieneprotokollen und Maßnahmen“ ausarbeiten, um „im nächsten Frühling die Sicherheit in den Basecamps wirklich zu gewährleisten. Das geht bis zu mobilen Schnelltests am Eingang zum Basislager.“

Verzicht auf Aufenthalt in Kathmandu

Der Schweizer Kari Kobler, Chef des Anbieters Kobler & Partner, hält es für möglich, dass im Herbst Gruppen zum Siebentausender Himlung und zum Sechstausender Mera Peak aufbrechen. „Wir überlassen eine definitive Entscheidung, ob wir diese Projekte durchführen, unseren Kunden“, schreibt Kari. Die Entscheidung darüber werde Ende August fallen. Sollte es zu dazu kommen, werde man sich nicht in Kathmandu aufhalten, kündigt Kari an: „Nach der Ankunft würden wir sofort weiter zu den Ausgangspunkten fahren und am folgenden Tag weiterlaufen.“

Dominik Müller, Chef des deutschen Anbieters Amical alpin, ist „sehr skeptisch, was die Herbstsaison angeht. Wer möchte denn mehrere Stunden mit Maske im Flugzeug verbringen – mit der Ungewissheit, nach einem längeren Trekking oder einer Expedition vielleicht doch noch in Quarantäne zu müssen.“

Mingote will Achttausender-Projekt fortsetzen

Sergi Mingote of seiner „Olympic Route“

Ein prominenter Profibergsteiger hat bereits angekündigt, im Herbst nach Nepal zu reisen. Der Spanier Sergi Mingote will im September Richtung Kathmandu aufbrechen, um den Makalu und den Cho Oyu ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. 2018 und 2019 hatte Sergi innerhalb von 444 Tagen auf sieben Achttausendern gestanden und lag damit gut in seinem Zeitplan, innerhalb von 1000 Tagen die 14 höchsten Berge der Erde zu besteigen. Dann bremste ihn die Corona-Pandemie aus. Derzeit befindet sich Mingote auf einer „Olympischen Route“ mit dem Fahrrad von Barcelona nach Athen: 7200 Kilometer in zwei Monaten. Gut 4000 Kilometer hat er bereits hinter sich, und en passant 13 von 14 geplanten Bergen bestiegen. Mit seinem Projekt wirbt Sergi für die Kandidatur Barcelonas für die Olympischen Winterspiele 2030. Sollte Mingote im September wirklich nach Nepal reisen können, wird er dort durchtrainiert eintreffen. So viel dürfte feststehen.

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