Hälfte zwei muss noch warten. Eigentlich hatte Sergi Mingote geplant, in diesem Frühjahr sein ambitioniertes Projekt fortzusetzen: alle 14 Achtausender ohne Atemmaske in 1000 Tagen. Doch die Corona-Pandemie machte dem 49 Jahre alten Spanier einen Strich durch die Rechnung. Statt in Nepal Berge zu besteigen, musste Sergi zu Hause in der Kleinstadt Parets del Valles nahe Barcelona bleiben – mit extrem eingeschränkter Bewegungsfreiheit, wie alle Menschen in dem von der Pandemie besonders hart getroffenen Land.
Für die ersten sieben Achttausender ohne Atemmaske benötigte Sergi nur 444 Tage. 2018 stand der Katalane auf den Gipfeln von Broad Peak, K2 und Manaslu, 2019 auf Lhotse, Nanga Parbat, Gasherbrum II und Dhaulagiri. Am Ende von Sergis Projekts sollte eigentlich im Mai 2021 der Mount Everest stehen. Mingote hat den höchsten Berg der Erde bereits zweimal bestiegen, beide Male allerdings mit Atemmaske: 2001 über die tibetische Nordseite, 2003 über die nepalesische Südseite des Bergs. Den Zeitplan seines Projekts muss er jetzt überarbeiten.
Sergi, in Spanien galt wegen der Corona-Pandemie eine der strengsten Ausgangssperren weltweit. Wie bist du damit klargekommen?
Es war sehr kompliziert. In Spanien ist die Lage nach wie vor sehr ernst, viele Menschen sterben, und es ist schrecklich. Zum Glück geht es mir und auch meiner Familie gut. Ich trainiere weiter in der Hoffnung, dass alles gut wird und wir alle gemeinsam gestärkt aus dieser Situation hervorgehen.
Hat dich die Zeit zu Hause unter diesen ungewöhnlichen Bedingungen verändert?
Für mich ist es eine Luxus-Isolation, da ich nach vielen Monaten der Abwesenheit von zu Hause jetzt bei meiner Familie sein kann. Bei ihnen zu sein, ist für mich aktuell das Wichtigste.
Eigentlich wolltest du den Frühling in Nepal verbringen, um die Annapurna und den Makalu ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Nepal hat sich abgeschottet. Wie beurteilst du die Situation in dem Himalaya-Staat, den du von deinen früheren Expeditionen sehr gut kennst?
Die Lage dort ist schrecklich. Viele Familien, viele Freunde haben es sehr schwer. Mit ihnen im Hinterkopf hoffe ich, dass die Herbstsaison durchgeführt werden kann. Sie verdienen es, in Würde leben zu können.
Es ist noch offen, ob die Sommer-Saison im Karakorum stattfinden kann oder nicht. Bist du noch optimistisch, dass du wie geplant zum Gasherbrum I aufbrechen kannst?
Ich träume nach wie vor davon, zum Gasherbrum I gehen zu können. Aber ich habe wegen der weltweiten Pandemie immer mehr Bedenken, dass es am Ende klappt. Ein Problem ist, dass die Lufträume nach wie vor geschlossen sind. Ich bin immer noch optimistisch. Ich akzeptiere es so, wie es kommt.
Die Corona-Krise hat deinen Plan durchkreuzt, alle 14 Achttausender in 1.000 Tagen ohne Atemmaske zu besteigen. Hast du schon umgeplant?
Die 1.000 Tage beunruhigen mich nicht, weder vorher noch jetzt. Eintausend ist zwar eine schöne runde Zahl. Aber das Ziel ist immer noch, die Bestmarke des (Südkoreaners) Kim Chang-Ho zu unterbieten, der sieben Jahre, zehn Monate und sechs Tage benötigte, und das ist immer noch möglich. Wenn es mir ungefähr in der Hälfte der Zeit gelingt, bin ich zufrieden. Jetzt geht es erst mal darum, an die Menschheit in ihrer Gesamtheit zu denken und solidarisch miteinander zu sein. Unsere Projekte können warten, allesamt, aber wir müssen dieses Virus besiegen.
Update 9. Juni: Wegen der Corona-Pandemie hat Sergi seine für diesen Sommer geplante Expedition zum Gasherbrum I in Pakistan verschoben.