Riesenfeier im Erdbebengebiet von 2015

Fest auf dem Gelände der neuen Schule in Sangachok

Ich fühle mich an einen Hollywood-Film erinnert: Der Vizepräsident schwebt per Hubschrauber ein. Eine Handvoll Leibwächter bahnen ihm den Weg. Die Männer des Secret Service tragen graue Anzüge, dunkle Brillen, Knöpfe im Ohr – und verziehen keine Miene. Ich bin versucht, den Clint-Eastwood-Verschnitten zuzurufen: „Hallo, aufwachen! Ihr seid auf einem Schulgelände, hier droht keine Gefahr, hier wird nur gefeiert!“ Ich verkneife es mir aber dann doch. Wahrscheinlich muss das so sein, wenn in Nepal ein hochrangiger Politiker eine Veranstaltung besucht. Und immerhin ist Nanda Bahadur Pun als Vizepräsident ja der zweite Mann im Staate. In seinem piekfeinen Anzug traut man ihm kaum noch zu, dass er einst im nepalesischen Bürgerkrieg (1996 bis 2006) die maoistischen Rebellen kommandierte.

15 Schulen wieder intakt

Festzug ins Dorf

Wie auch immer, die Bürger Sangachoks, eines kleinen Bergdorfs rund 70 Kilometer östlich der Hauptstadt Kathmandu, sind mächtig stolz, dass sie der Vizepräsident des Landes besucht. Gefeiert wird an diesem letzten Tag im Oktober die Fertigstellung von 15 Schulen im Distrikt Sindhupalchowk, der von dem verheerenden Erdbeben in Nepal am 25. April 2015 besonders hart getroffen wurde.

Etwa 40 Prozent der rund 9000 Menschen, die bei dem Beben vor viereinhalb Jahren starben, lebten in Sindhupalchowk. Bis zu 90 Prozent der Gebäude wurden in den Dörfern und Kleinstädten der ländlichen Region zerstört – darunter auch viele Schulen. Die deutsche Hilfsorganisation „Nepalhilfe Beilngries“ hat sieben dieser Schulen abgerissen und neu gebaut sowie acht weitere beschädigte Schulgebäude wieder instand gesetzt. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

Wie Karneval und Oktoberfest

Ritueller Tanz

„So ein großes Fest hat es in meinem Heimatdorf noch nie gegeben und wird es wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren nicht mehr geben“, staunt Sabina Parajuli. Die 29 Jahre alte Augenärztin stammt aus Sangachok. Nach dem Beben hatte sie dabei geholfen, die zahlreichen Verletzten in der Region zu behandeln. Sabinas Vater leitet die Schule in Sangachok, ihre Mutter arbeitet dort als Lehrerin. Groß ist wirklich alles an diesem „Oktoberfest“. Rund 2000 Menschen empfangen die Delegation der „Nepalhilfe Beilngries“ schon einen Kilometer vor dem Dorf und geleiten uns in einem langen Zug mit Musikkapelle zum Veranstaltungsort. Als Kölner fühle ich mich an Karneval erinnert.

Musikeinlage

Ralf Dujmovits – der bisher einzige deutsche Bergsteiger, der alle 14 Achttausender bestiegen hat – und ich sind der Einladung der Nepalhilfe gefolgt, an der Feier teilzunehmen. Die österreichische Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner, Ralf und ich hatten nach dem Beben das Hilfsprojekt „School up!“ ins Leben gerufen, um die zerstörte Schule im Dorf Thurosirubari, unweit von Sangachok gelegen, wieder aufzubauen. Wir sammelten Spenden, die Nepalhilfe organisierte den Bau.

Rede-Marathon

Vizepräsident Pun bei seiner Rede

Auf dem Schulhof von Sangachok angekommen, werden wir zur Ehrentribüne geleitet. Mit einer traditionellen nepalesischen Kappe auf dem Kopf sowie mehreren so genannten „Khatas“ – nepalesischen Begrüßungsschals – und Blumenkränzen um den Hals nehmen wir Platz. So schnell verlassen wir diesen auch nicht mehr. Satte 35 Punkte zählt das Programm, mehrheitlich Reden auf Nepali, unterbrochen von einigen Tanzeinlagen.

Ziemlich ermüdend

Der Besuch des Vizepräsidenten Pun hat auch zahlreiche Lokalpolitiker nach Sangachok gelockt. Und wenn die mal am Mikrofon stehen und sich in Rage reden, kann das dauern. Fast fünf Stunden insgesamt. Das erfordert Geduld und Sitzfleisch. Ich empfinde es geradezu als Wohltat, als wir nach dem letzten der 35 Programmpunkte aufgefordert werden, mit einheimischen Musikern ein wenig zu tanzen. Der Vizepräsident ist zu diesem Zeitpunkt längst wieder in der Luft, inklusive seiner Eastwoods.

„Immer in unseren Herzen“

Ralf und ich vor der neuen Schule in Thulosirubari

Einen Tag später besuchen wir noch einige Schulen der Region, auch „unsere“ in Thulosirubari. Für Ralf Dujmovits und mich ist es ein emotionaler Augenblick. Ralf hatte das Dorf rund eine Woche nach dem Beben besucht, ich ein knappes Jahr danach. Damals hatten wir noch in Gesichter geblickt, die von Schock, Leid und Verzweiflung erzählten. Schon im März 2018, als wir mit den Dorfbewohnern die Einweihung der ersten beiden Gebäudeteile der neuen Schule feierten, hatte sich das gründlich geändert. Die Menschen hatten ihren Optimismus wiedergefunden.

Nun ist auch der dritte Gebäudetrakt samt Toilettengebäude fertiggestellt, 480 Kinder und Jugendliche werden in der neuen Schule unterrichtet. Unser Projekt „School up!“ ist damit erfolgreich beendet. „Ihr werdet immer in unseren Herzen sein“, sagt mir Ramsharan B.K., der Vorsitzende des Schulkomitees von Thulosirubari, als wir uns verabschieden. Seinen Dank möchte ich an alle weitergeben, die uns unterstützt haben. Ihr wart großartig, ohne euch wäre das nicht möglich gewesen! Und ganz nebenbei hätte ich nicht die Gelegenheit erhalten, mich über einen Vizepräsidenten und seine Schattenmänner zu amüsieren. 😉

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