„Es geht gut. Der Berg ist überschritten“, soll Friedrich II. am 17. August 1786 gesagt haben. Angeblich waren es die letzten Worte des preußischen Königs. Dass er sie auf dem Sterbebett wählte, weil er eine besondere Leidenschaft für Berge hatte, ist nicht überliefert. Und doch dürften viele Bergsteiger die Aussage des „Alten Fritz“ wohl unterschreiben. Die Überschreitung eines technisch schwierigen oder sehr hohen Bergs gilt unter ihnen nach wie vor als eine besondere Leistung. Im Schatten des Achttausenders Makalu in Nepal versuchen sich derzeit zwei Teams an Traversen.
Die Profibergsteiger David Göttler aus Deutschland , Hervé Barmasse aus Italien und der in den USA lebende Kolumbianer Andres Marin haben sich vorgenommen, die drei Gipfel des Siebentausenders Chamlang zu überschreiten. Das Trio hat bereits am vergangenen Wochenende sein Basislager zu Füßen des Bergs aufgeschlagen. Nach Angaben Hervés ist die Akklimatisierungsphase abgeschlossen. Die drei Bergsteiger hatten sich in der vergangenen Woche in den Bergen rund um das Dorf Chukhung im Khumbu-Gebiet an die dünnere Luft gewähnt.
Scott und Co. brachen Traverse 1984 ab
Die Idee der Chamlang-Überschreitung war 1981 zwei Bergsteiger-Legenden gekommen: Der Südtiroler Reinhold Messner und der Brite Doug Scott hatten damals den 7180 Meter hohen Mittelgipfel des Bergs bestiegen, um sich für den Makalu zu akklimatisieren. Scott kehrte 1984 – ebenfalls als Vorbereitung auf den Makalu – mit einem Team zum Chamlang zurück. Mit seinem Sohn Michael, dem Franzose Jean Afanassieff und dem Nepalesen Ang Phurba Sherpa stieg er zunächst zum 7235 Meter hohen Ostgipfel auf und dann weiter zum Mittelgipfel. „Der Hauptgipfel des Chamlang am westlichen Ende dieses langen, flachen Bergrückens war noch dreieinhalb Meilen entfernt. Es wäre ein schöner Aufstieg gewesen, aber wir wollten vor unserem Versuch am Makalu unsere Kraftreserven nicht allzu stark strapazieren. Und so stiegen wir ab“, schrieb Scott später.
Wie einst Scott und Co. bereiten sich auch Göttler, Barmasse und Marin am Chamlang für ein Achttausender-Projekt vor – im nächsten Frühjahr am Cho Oyu. Die Erstbesteigung des 7321 Meter hohen Hauptgipfels des Chamlang war 1962 dem Japaner Soh Anma und dem Nepalesen Pasang Phutar Sherpa gelungen. Insgesamt gab es laut Himalayan Database bisher erst 18 Gipfelerfolge.
Stitzinger und Möller am Hongku Chuli
Noch gar keine Besteigung verzeichnet diese Bergsteiger-Chronik für den nahe dem Chamlang gelegenen 6833 Meter hohen Hongku Chuli. Auch dort ist in den nächsten Wochen eine Überschreitung geplant. Die deutschen Bergsteiger Luis Stitzinger und Manuel Möller – mit denen ich 2014 bei der erfolgreichen Erstbesteigung des 7129 Meter hohen Kokodak Dome im Westen Chinas unterwegs war – wollen über den Südwestgrat zum Gipfel auf- und dann über den Westgrat absteigen. „Dabei erwartet uns spannendes, kombiniertes Terrain, eine ästhetische Linie und viel Bergeinsamkeit“, schreibt Luis auf Facebook. „Der Hongku Chuli wirkt zwar vor der riesigen Westwand des Makalu wie ein Zwerg, doch handelt es sich um einen der höchsten nepalesischen Berge, die noch unbestiegen sind.“
Update November: Beide Expeditionen sind gescheitert. Göttler, Barmasse und Marin gaben am Chamlang wegen des schlechten Wetters auf. Auch Luis Stitzinger und Manuel Möller brachen ihre Zelte ab. „Der Hongu Chuli bleibt unbestiegen“, schreibt Manuel auf Facebook. „Wegen der Wetterbedingungen und meiner Energiereserven nach zwei Tagen auf dem langen Grat beschlossen wir umzudrehen – ca. 300 Meter unter dem Gipfel. Ich war mir nicht sicher, ob ich es vom Gipfel zurück zu unserem Zelt auf 6400 Metern geschafft hätte, für das wir am Grat eine Höhle geschaufelt hatten.“