Vor 40 Jahren: Berbeka und Gajewski gelingt erste Winterbesteigung des Manaslu

Maciej Berbeka am 12. Januar 2024 auf dem "True Summit" des Manaslu (Foto: Ryszard Gajewski)
Maciej Berbeka am 12. Januar 1984 auf dem „True Summit“ des Manaslu (Foto: Ryszard Gajewski)

„Dort drüben zwingen uns die Höhe, die Temperatur, der Wind und die Erschöpfung dazu, um jeden Schritt zu kämpfen“, sagte Maciej Berbeka nach seiner Rückkehr vom Achttausenders Manaslu im Westen Nepals. „Es ist einfach ein Albtraum.“ Am 12. Januar 1984, heute vor 40 Jahren, erreichte der Pole mit seinem Landsmann Ryszard Gajewski den Gipfel des achthöchsten Bergs der Erde. Es war die erste Winterbesteigung des Manaslu und die erste eines Achttausenders ohne Flaschensauerstoff.

Angestachelt von Messners Aussage

Expeditionsleiter Lech Korniszewski, ein 47-jähriger bergsteigender Arzt aus Zakopane, der höchstgelegenen Stadt Polens, hatte ein junges Team um sich geschart. Das Durchschnittsalter der Bergsteiger betrug 31 Jahre, Berbeka und Gajewski waren 29 Jahre alt. Die beiden waren von Kindesbeinen an befreundet, ihre Väter arbeiteten gemeinsam bei der Bergrettung in Zakopane. Das Team wählte die sogenannte „Tiroler-Route“ durch die Südflanke, die Reinhold Messner im Frühjahr 1972 eröffnet hatte. Messner hatte die Polen mit seinen Worten angestachelt, er glaube nicht, dass die von ihm erstbegangene Route im Winter möglich sei.

Tragödie zu Beginn der Expedition

Manaslu (l.) und Pinnacle East (r.)
Manaslu (l.) und Pinnacle East (r.)

Das Team errichtete am 2. Dezember 1983 das Basislager auf 4000 Metern. Neun Tage später ereignete sich eine Tragödie. Stanislaw (genannt „Staszek“) Jaworski, der die Expedition als Kameramann begleitete, stürzte beim Abstieg von Lager 1 (5650 Meter) 100 Meter tief in den Tod. Er hatte sich ins Fixseil einer früheren Expedition eingeklinkt. Das Seil riss.

„Wir begruben Staszek in einer Gletscherspalte, die Jungs stellten ein Kreuz aus Bambus auf. Ein dramatischer Moment“, erinnerte sich Expeditionsleiter Korniszewski 2023 in einem Interview mit dem polnischen Sportportal Przeglad Sportowy. „Kurz darauf gab es eine Besprechung, und wir beschlossen, dass wir trotz des Vorfalls weiterklettern würden.“

40 Minuten am Gipfel

Am 21. Dezember erreichten vier polnische Bergsteiger Lager 3 auf 7100 Metern, danach feierten alle gemeinsam im Basislager Weihnachten. Anschließend verschlechterte sich das Wetter. Zweimal wurden die Zelte aus Lager 3 ins sogenannte „Butterfly Valley“ (Schmetterlingstal) geweht. Das hartgesottene polnische Team ließ sich davon nicht beeindrucken. Berbeka und Gajewski erreichten am 11. Januar Lager 4 auf 7750 Metern und einen Tag später gegen 11 Uhr Ortszeit den Gipfel auf 8163 Metern. Trotz der eisigen Kälte von unter minus 30 Grad Celsius hielten sich die beiden 40 Minuten am höchsten Punkt auf.

Erfrierungen an Gliedmaßen

„Beim Abstieg mussten sie gegen Orkanwinde ankämpfen, die ihnen direkt ins Gesicht bliesen, teilweise mussten sie nach unten kriechen“, schrieb Expeditionsleiter Korniszewski 1984 in seinem Expeditionsbericht für das American Alpine Journal. „Berbeka zog sich Erfrierungen an den Zehen zu, Gajewski an einem Finger.“ Der Gipfelversuch einer zweiten Gruppe wurde abgebrochen, weil der Sturm Lager 4 weggeweht hatte. Den Gipfelerfolg Berbekas und Gajewskis widmete das Team dem tödlich verunglückten Stanislaw Jaworski.

Das polnische Manaslu-Team 1984 - in der oberen Reihe Berbeka (3.v.r.), Gajewski (2.v.r.) und Expeditionsleiter Korniszewski (r.)
Das polnische Manaslu-Team 1984 (ohne Jaworski) – in der oberen Reihe Berbeka (3.v.r.), Gajewski (2.v.r.) und Expeditionsleiter Korniszewski (r.)

Anderer Stil

Erst 2023 gelangte erneut ein Bergsteiger im Winter ohne Flaschensauerstoff auf den höchsten Punkt des Manaslu: Der Spanier Alex Txikon – aktuell unterwegs an der Annapurna – erreichte auf der Normalroute über die Nordostflanke den höchsten Punkt, begleitet von sechs Sherpas, die mit Atemmasken aufstiegen. Ein anderer Stil als jener, den die „Ice Warriors“, wie die polnischen Winterspezialisten früher genannt wurden, vor 40 Jahren am Manaslu praktizierten.

Ryszard Gajewski feiert im kommenden Oktober seinen 70. Geburtstag. Maciej Berbeka starb im März 2012 mit 58 Jahren im Abstieg vom Broad Peak in Pakistan, nachdem ihm auch dort als Teil eines vierköpfigen polnischen Teams die Wintererstbesteigung eines Achttausenders gelungen war. Es war seine dritte nach dem Manaslu 1984 und dem Cho Oyu 1985.

P.S.: Wenn ihr euch für die Geschichte des Winterbergsteigens an den Achttausendern interessiert, empfehle ich euch das Buch „Winter 8000“ der Kanadierin Bernadette McDonald.

3 Antworten auf „Vor 40 Jahren: Berbeka und Gajewski gelingt erste Winterbesteigung des Manaslu“

  1. wirklich tolle Geschichte
    … leider in Vergessenheit geraten ! tolle Recherche von dir
    (Rolf ein # Manaslu # Lover

  2. Wie immer ein faszinierender Beitrag. Danke! Zum ersten Mal habe ich eine kleine Korrektur anzumerken: Die Stadt heißt Zakopane, nicht Zapokane 😉

Kommentare sind geschlossen.

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