Es gibt sie noch, die ambitionierten alpinistischen Projekte im Himalaya, wenn auch nur noch selten an den Achttausendern. Am vergangenen Freitag durchstiegen der Slowake Peter Hamor, der Slowene Bojan Jan und das italienische Ehepaar Nives Meroi und Romano Benet erstmals die Westwand des 7318 Meter hohen Kabru South – „über eine neue Route, ohne Flaschensauerstoff, ohne Sherpa-Unterstützung, ohne feste Hochlager, ohne Fixseile“, sprich im Alpinstil, wie Hamors Ehefrau Maria aus dem Basislager meldete. „Glücklicherweise besserte sich das Wetter am letzten Tag (des Aufstiegs), und der Wind ließ nach.“ Weitere Details werden wir sicher in den kommenden Tagen erfahren.
Zweite Besteigung des Kabru South
Der Südgipfel des Kabru-Massivs, das weit im Osten Nepals nahe dem 8586 Meter hohen Kangchendzönga liegt, war zuvor erst einmal erreicht worden: 1994 durch Mitglieder einer indischen Militärexpedition, die zum Nordgipfel (7395 Meter) auf- und dann über den Mittelgipfel (7353 Meter) zum Südgipfel weitergestiegen waren. 2004 hatte sich ein serbisches Team erstmals an der Westwand des Kabru South versucht, hatte aber aufgegeben – nach mehreren Lawinenabgängen und einem Sturz des Expeditionsleiters Dragan Jacimovic, bei dem er sich an der Schulter verletzt hatte.
Drei Routiniers, ein Novize
Während es für Bojan Jan das erste Berg-Abenteuer in Nepal war, gehören Peter Hamor, Nives Meroi und Romano Benet zu den Routiniers im Himalaya-Bergsteigen. Alle drei komplettierten 2017 ihre Sammlungen der 14 Achttausender – wobei sie am Manaslu jeweils nicht den „True Summit“ erreichten, sondern eine vorgelagerte Erhebung auf dem Gipfelgrat. Meroi und Benet waren stets im kleinen Team ohne Sherpa-Unterstützung unterwegs und verzichteten auf Flaschensauerstoff, Hamor griff lediglich am Mount Everest zur Atemmaske. Inzwischen sind Meroi und Benet 61 Jahre alt, Hamor 58. Und sie suchen nach Abenteuern jenseits des Mainstream.
„Erforschen und Entdecken“
„Beim Höhenbergsteigen im Himalaya geht es keineswegs nur um die Besteigung von sieben beliebten Achttausendern oder einigen niedrigeren Gipfeln auf gesicherten Normalrouten. Auch nach mehr als siebzig Jahren gibt es im nepalesischen Himalaya noch etliche Orte, über die wir wenig oder gar nichts wissen“, schrieb Peter Hamor auf Facebook, bevor er nach Nepal aufbrach. „Das Wichtigste und Schönste am Bergsteigen ist das Erforschen und Entdecken, das Suchen und Überschreiten der eigenen Grenzen in Gesellschaft guter Freunde.“ Besser kann man es kaum ausdrücken.
P.S. Derweil laufen weitere Erfolgsmeldungen kommerzieller Teams vom Mount Everest und dem benachbarten Lhotse ein. So erreichten heute – mit Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung – die beiden Pakistanerinnen Naila Kiani (geführt von Pasang Temba Sherpa) und Nadia Azad (geführt von Pemba Chhiri Sherpa) den Gipfel des Lhotse, nachdem sie am Sonntag auf dem Everest gestanden hatten. Mitte April hatten die beiden Pakistanerinnen im selben Stil auch die Annapurna bestiegen.