Everest ER – Nothilfe im Basislager am Mount Everest

Das halbrunde, langgezogene Zelt des Everest ER im Basislager
Die Krankenstation im Everest-Basislager

Es gibt die stillen Helden am Mount Everest, die gerne vergessen werden. Wie die Icefall Doctors, zuständig für die Route durch den gefährlichen Khumbu-Gletscher. Das Fixseil-Team aus nepalesischen Bergsteigern, das den Weg zum Gipfel sichert. Die zahlreichen Climbing Sherpas, ohne deren Hilfe die meisten Kunden der kommerziellen Expeditionen den höchsten Punkt auf 8849 Metern nie und nimmer erreichen würden. Und dann wären da noch die Rettungskräfte: Die Hubschrauberpiloten, die bis in Höhen von 7000 Metern fliegen, um Bergsteigerinnen und Bergsteiger am langen Rettungsseil ins Tal zu bringen.

Und auch das medizinische Personal im Everest ER im Basislager. ER steht für Emergency Room. Eine Notaufnahme auf 5364 Metern, in der bereits seit 2003 in der Frühjahrssaison kranke oder verletzte Bergsteigerinnen und Bergsteiger versorgt werden. Organisiert und finanziert wird die Krankenstation im Everest-Basislager von der Himalayan Rescue Organisation Nepal, einer vor mehr als 50 Jahren gegründeten Nicht-Regierungsorganisation.

Der Intensivmediziner und Anästhesist Ashish Lohani ist – neben seinem nepalesischen Landsmann Suraz Shrestha und dem in Schottland lebenden Südafrikaner Roy Harris – einer von drei Ärzten, die in dieser Frühjahrssaison im Everest ER arbeiten. Alle drei sind ausgewiesene Experten für Höhenmedizin. Seit Anfang April haben Lohani und Co. in ihrem Rundbogenzelt bereits mehr als 550 Patientinnen und Patienten behandelt.

Viele Fälle von Khumbu-Husten

„Zu Beginn der Saison behandelten wir hauptsächlich Virusinfektionen der oberen Atemwege und damit verbundenem Husten“, schreibt mir Ashish. „Inzwischen  sehen wir mehr Khumbu-Husten, wenn die Bergsteiger und Sherpas im Rahmen ihrer Rotationen (zur Akklimatisierung) in die Hochlager steigen.“

Das Ärzteteam des Everest ER: Ashish Lohani, Roy Harris und Suraz Shrestha (v.l.)
Das Ärzteteam des Everest ER: Ashish Lohani, Roy Harris und Suraz Shrestha (v.l.)

Mit dem „Khumbu-Husten“, der durch die kalte und trockene Luft in großer Höhe ausgelöst wird, kennt sich der 39-Jährige bestens aus. Bereits von 2010 bis 2012 versorgte er während drei Frühjahrssaisons im Everest-Basislager Patientinnen und Patienten. Dabei testete er auch in einer Studie, ob ein bestimmter Medikamentenmix gegen Höhenhusten half. Mit dieser Studie promovierte Lohani 2014 an der medizinischen Fakultät der Universität in München.

Bisher ein Dutzend Evakuierungen per Helikopter

Im Schnitt seien bislang vier von fünf Hilfesuchenden im Everest ER Nepalesen gewesen, berichtet der Arzt. Bei den Patienten aus dem Ausland habe es sich fast ausschließlich um Bergsteiger gehandelt, nur wenige Trekkingtouristen seien bei den Medizinern vorstellig geworden.

Allzu stressig sei die Arbeit bisher nicht gewesen, sagt Ashish: „Der Job hat seine Momente. Meist praktizieren wir Allgemeinmedizin mit eher gewöhnlichen Beschwerden. Ab und zu wird es aber auch anspruchsvoll, wenn wir Kunden (der kommerziellen Teams) oder Sherpas bekommen, die ernsthaft krank sind. Dann sind wir wirklich gefordert.“

Ein schwer Erkrankter wird zum Everest ER gebracht
Ein schwer Erkrankter wird zum Everest ER gebracht

Nach Lohanis Worten mussten bislang zwölf Patienten mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden – „aus unterschiedlichen Gründen, meist aber wegen HAPE“, wie er sagt. HAPE ist die englische Abkürzung für ein Höhenlungenödem. Diese Form der Höhenkrankheit endet, wenn sie nicht behandelt wird, in jedem zweiten Fall tödlich.

Notfall-Medikamente per Drohne

Begeistert ist Ashish von den Möglichkeiten, die der Einsatz von Drohnen seit dieser Saison am Everest eröffnet. Alle Seile und Leitern für die Icefall Doctors seien mit Drohnen transportiert worden. Auch für die Suche nach der besten Route durch den Khumbu-Eisbruch seien die Fluggeräte eingesetzt worden, sagt der Arzt. „Wir hatten bisher keine Todesfälle im Eisbruch – ich hoffe, das bleibt so bis zum Ende der Saison.“ Bei Notfällen könnten auch Medikamente, anderes medizinisches Material oder Flaschensauerstoff per Drohne passgenau im Eisfall oder im darüber gelegenen Lager 1 (6100 Meter) abgesetzt werden, so Lohani. Das sei mit den Leuten vereinbart, die für den Einsatz der Drohnen verantwortlich seien. Jeder dieser Drohnen, die rund 70.000 Dollar pro Stück kosten, kann eine Last von bis zu 30 Kilogramm auf eine Höhe von rund 6000 Metern bringen.

Wenn in Kürze die erste große Gipfelwelle anrollt, wird es auch im Everest ER hektischer. „Mit Sicherheit werden wir mehr zu tun bekommen“, erwartet Ashish Lohani. Auch für die Ärzte beginnt dann die heiße Phase der Frühjahrssaison am höchsten Berg der Erde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Social media & sharing icons powered by UltimatelySocial
error

Enjoy this blog? Please spread the word :)