Kangchendzönga: Sorge um Luis Stitzinger

Luis Stitzinger
Luis Stitzinger

Luis Stitzinger, einer der erfolgreichsten deutschen Höhenbergsteiger, wird seit Donnerstagabend Ortszeit im oberen Bereich des Achttausenders Kangchendzönga im Osten Nepals vermisst. Laut Informationen seiner Ehefrau, der Bergsteigerin Alix von Melle, erreichte Luis gegen 17 Uhr den Gipfel des dritthöchsten Bergs der Erde – als Letzter einer Gruppe, die an diesem Tag auf dem höchsten Punkt auf 8586 Metern stand.

Der 54-Jährige stieg ohne Flaschensauerstoff auf und hatte seine Ski dabei, weil er plante, soweit möglich, mit ihnen den Kangchendzönga hinunterzufahren. Gegen 21 Uhr habe Stitzinger noch einmal Kontakt mit dem Basislagerteam des nepalesischen Expeditionsveranstalters Seven Summit Treks (SST) gehabt, so Alix.

Suchteam konnte zunächst nicht landen

Kangchentzönga
Kangchentzönga

Zu diesem Zeitpunkt – es war schon dunkel – soll er sich auf einer Höhe von rund 8300 Metern befunden haben. Angeblich kündigte Luis an, er wolle von dort mit Skiern zum höchsten Lager abfahren. Mit der Bergsteigerin Flower Waganku Wayta Hirkawarmi, die vor ihm oben gewesen war, hatte er zuvor verabredet, sich dann in Lager 4 wieder zu treffen.

Dort, auf rund 7600 Metern, traf er jedoch nicht ein. Die Peruanerin, die in Deutschland lebt, schlug am nächsten Morgen Alarm. Heute wurde ein vierköpfiges Sherpa-Rettungsteam im Basislager erwartet. Wegen des Nebels im Tal konnte der Hubschrauber bis jetzt (16 Uhr MESZ) nicht im Basislager landen. Der Plan ist, die Sherpas direkt weiter nach Lager 2 auf rund 6400 Metern zu fliegen und von dort  –  mit Flaschensauerstoff  – so schnell wie möglich aufzusteigen, um nach Luis zu suchen.

Erster Gipfelversuch gescheitert

Luis Stitzinger 2011 am Broad Peak, auf Skiern, im Hintergrund der K2
Luis plante eine Skiabfahrt, wie hier 2011 am Broad Peak (im Hintergrund der K2)

Stitzinger war nicht als Bergführer, sondern als Privatmann zum Kangchendzönga gekommen – im Gegensatz etwa zu den vergangenen Frühjahrssaisons 2021 und 2022, als Luis am Mount Everest für den österreichischen Expeditionsveranstalter Furtenbach Adventures Kunden geführt hatte. Er hatte sich auf ein Sammel-Permit bei SST eingekauft.

Am 18. Mai hatte Luis einen ersten Gipfelversuch gemacht, aber zu jener Gruppe gehört, die im oberen Bereich des Bergs in eine falsche Rinne eingestiegen war und deshalb den höchsten Punkt verfehlt hatte. Lediglich das Team um die Norwegerin Kristin Harila hatte an diesem Tag den Gipfel erreicht. Laut Alix kehrte Luis noch am Abend des gescheiterten Versuchs ins Basislager zurück – wobei er einen Großteil des Wegs hinunter von Lager 4 mit Skiern fuhr. Seiner Frau berichtete er, dass die Schneeverhältnisse zwischen etwa 8000 Metern und dem Basislager kein Problem für eine Skiabfahrt seien.

Akku des GPS-Geräts leer?

Luis Stitzinger im Aufstieg zum Nanga Parbat, auf dem Rücken seine Ski
Luis im Aufstieg zum Nanga Parbat

Als sich für vergangenen Mittwoch und Donnerstag ein weiteres Schönwetterfenster abzeichnete, beschloss Luis nach nur drei Ruhetagen im Basislager, einen weiteren Gipfelversuch zu wagen – trotz der Strapazen des ersten Aufstiegs. „Er hat sich absolut fit gefühlt und meinte, es gehe ihm besser als auf vielen anderen Expeditionen“, sagt mir Alix.

Am Montag stieg Luis nach Lager 2 auf, am Dienstag nach Lager 3 und am Mittwoch nach Lager 4, dem letzten Hochlager. Von dort schickte er seiner Frau via Garmin InReach eine Nachricht, dass „alles in Ordnung“ sei und er um 18 Uhr zum Gipfel aufbrechen werde. Es war die letzte Nachricht über sein Satellitengerät, die Alix empfing. Es war ausgemacht, dass er sich nach Rückkehr vom Gipfelgang aus dem letzten Hochlager wieder bei ihr meldet. Dies geschah nicht, was dafür spricht, dass möglicherweise sein Akku leer war. Offenbar war auch die Funktion ausgeschaltet, mit der seine Position live hätte verfolgt werden können. Das erschwert nun die Suche nach ihm.

Auf zehn Achttausendern, davon auf neun ohne Atemmaske

Alix und Luis 2014 im Hochlager am Makalu
Alix und Luis im Hochlager am Makalu (2014)

Für Luis Stitzinger war der Kangchendzönga Nummer zehn in seiner Achttausender-Sammlung. Zuvor hatte er den Cho Oyu (2000), den Gasherbrum II (2006), den Nanga Parbat (2008), den Dhaulagiri (2009), den Broad Peak (2011), die Shishapangma (2013), den Manaslu (2017) und den Gasherbrum I (2018) bestiegen: allesamt ohne Flaschensauerstoff, sechs Achttausender gemeinsam mit seiner Ehefrau Alix. Lediglich bei seinen beiden Gipfelerfolgen am Mount Everest (2019 über die tibetische Nordseite und 2022 über die nepalesische Südseite) hatte Luis Atemmasken getragen, weil er Kunden geführt hatte. Seine Ski hatte er fast immer im Gepäck. So bezeichnete er mir gegenüber einmal die Skiabfahrt 2008 am Nanga Parbat über die zentrale Diamir-Flanke als einen der Höhepunkte seiner Karriere.

Luis ist äußerst erfahren und alles andere als ein Hasardeur am Berg. Das durfte ich 2014 selbst erleben. Bei unserer Erstbesteigung des 7129 Meter hohen Kokodak Dome im Westen Chinas erwies er sich nicht nur als umsichtiger Expeditionsleiter und Bergführer, sondern auch als ein wahres Konditionswunder. Das lässt mich hoffen. 

P.S. Ich bitte alle dringend, nicht über Luis‘ Schicksal zu spekulieren und auch nicht seine Ehefrau Alix zu bedrängen. Wir werden euch weiter mit den Fakten versorgen.

Update 29. Mai: Der Hubschrauber mit dem Suchteam landete am Morgen nepalesischer Zeit im Kangchendzönga-Basislager.

9 Antworten auf „Kangchendzönga: Sorge um Luis Stitzinger“

  1. Luis Stitzinger ist ein äußerst erfahrener, umsichtiger und außerordentlich starker Bergsteiger und lieber Mensch. Wir drücken alle Daumen für einen guten Ausgang. Wenn es einer schafft dann Luis!

  2. Was ich nicht ganz verstehe: ist es normal, so spät am Tag hoch zum Gipfel aufzusteigen? Und die Abfahrt zu planen, wenn es bereits dunkel ist? Ich dachte immer, man sollte bis mittags oben sein. Oder ist das nur beim Everest so? Hoffen wir, er wird noch gefunden!

    1. Hallo Steffi das würde mich auch interessieren.Ich habe viele Everest Bücher gelesen und da war immer von 14 Uhr als Umkehrzeit die Rede.Aber vielleicht ist das echt an jedem Berg anders.Ich hoffe auch sehr dass er noch gefunden wird….ich erinnere mich da an Beck Weathers der 1996 am Everest mehrmals für tot erklärt wurde aber es überlebt hat.

    2. Luis hat rund ein Vierteljahrhundert Expeditionserfahrung. Ich gehe davon aus, dass er das Risiko für vertretbar hielt. Die Sache mit der Skiabfahrt ist unklar. Wie überhaupt Vieles reine Spekulation ist. Und die sollten wir vermeiden, solange nach Luis gesucht wird.

  3. Auch ich durfte 2014 bei der Erstbesteigung des Kokodak Dome Luis nicht nur von seiner exzellenten bergsteigerischen Kompetenz kennen und schätzen lernen, mehr noch von seiner sympathischen, geerdeten , herzlichen Persönlichkeit.
    Meine Gedanken, Gebete sind bei ihm in der hoffenden Überzeugung, wie auch immer der Ausgang sein wird, es ist in jenem Fall ein Heimgang.

    Churchy

  4. Ehre sei ihm aufgrund seiner Lebensleistung und ich wünsche, dass er seine Tour überlebt. Das Verletzungs-/Unfallrisiko, unter auch nur annähernd gleichbleibender Belastung, steigt mit jedem Lebensalter an. Jedes Jahr muss der Abbau durch vergleichbar höheren Aufwand kompensiert werden. Der Geist ist willig hat aber allzuoft nicht mehr „den Draht“ den Abgleich mit körperlichen Voraussetzungen durchzuführen. Daher schaue ich mir die Berge, welche ich früher unbedingt erklimmen wollte und habe, inzwischen gerne von unten an.

    1. Ich bin 56 und nicht komplett unsportlich.
      Beim Treppensteigen in den vierten Stock merke ich es auch mittlerweile.
      In dem Alter bei kompletter Dunkelheit nach 18 Stunden in der dünnen Luft auf über 8000 Metern einen Berg mit Ski runter zu fahren, der selbst tagsüber komplett unübersichtlich ist: sorry, aber das finde ich nur absurd zu denken, dass das überlebbar gewesen wäre.

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