Eben war ich in einem Supermarkt einkaufen. Ich wollte ein Kilo Mehl erwerben. An der Palette stand ein Schild, jeder Kunde dürfe nur maximal vier Pakete mitnehmen. Doch kein einziges lag mehr dort. Drei Kassen waren geöffnet, vor ihnen bildeten sich lange Schlangen. Die meisten Kunden hatten ihre Einkaufswagen bis oben hin gefüllt. Panikstimmung in Deutschland angesichts der Coronavirus-Pandemie. Als ich an der Kasse anstand, musste ich an Nepal denken. Vielen Menschen dort fehlt es schon jetzt am Nötigsten. Wie sollen sie die Corona-Krise überstehen?
„Die Gesundheit ist wichtiger“
Die Regierung Nepals hat – wie berichtet – die Reißleine gezogen. Alle Permits für Expeditionen, ob zum Mount Everest oder anderen Bergen Nepals, sind ungültig, neue werden in diesem Frühjahr nicht mehr ausgestellt. Das gilt auch für Trekkingreisen. In Kathmandu gibt es mehrere hundert kleine Agenturen, die sich auf Trekkingreisen spezialisiert haben. Die Vereinigung der Trekkingagenturen Nepals (TAAN) unterstützt trotz der absehbaren einschneidenden wirtschaftlichen Folgen die Entscheidung der Regierung. Diese sorge sich ernsthaft um die Gesundheit der in Nepal lebenden Menschen, schreibt mir Sarita Lama, Generalsekretärin der TAAN: „Auch wenn das Trekkinggeschäft am Boden liegt, die Gesundheit ist wichtiger. Wir können dann eben mehr Trekkingtouristen und Reisende in der Herbstsaison willkommen heißen.“
„Keine Lösung“
Was die Entscheidung der Regierung für die Expeditionsveranstalter und der Menschen in ihrem Umfeld bedeutet, hat mir Mingma Gyalje Sherpa, Chef des Anbieters Imagine Nepal, in eindringlichen Worten beschrieben:
„Wir haben 14 Kunden für den Everest, vier davon wollen zusätzlich zum Everest den Lhotse besteigen. Sie planen immer noch zu kommen, wenn die nepalesische Regierung die Besteigung erlaubt. Einer meiner Kunden hat erklärt, dass er zehn Jahre lang Geld und Urlaub zusammengespart habe, um den Aufstieg in diesem Jahr möglich zu machen. Er ist sich unsicher, ob er jetzt einfach auf das nächste Jahr ausweichen kann. Deshalb hat er uns gebeten, ihm auf jede erdenkliche Weise dabei zu helfen, dieses Jahr klettern zu dürfen.
Da die WHO jedoch die Ausbreitung des Coronavirus zur Pandemie erklärt und die nepalesische Regierung bereits der ganzen Frühjahrs-Klettersaison für dieses Jahr einen Riegel vorgeschoben hat, haben wir keine Lösung parat. Die meisten unserer Kunden haben sich mehr als ein Jahr lang finanziell, geistig und körperlich darauf vorbereitet, ihre Träume zu erfüllen. Es ist nur noch ein Monat bis dahin, und jetzt kommt diese traurige Nachricht, sodass sie schockiert, unglücklich und besorgt sind.
Natürlich tut uns die Entscheidung weh, aber es ist der beste Schritt, den die Regierung unternehmen kann, um die Bevölkerung gesund zu erhalten. Die Welt leidet unter dieser Epidemie, die sich sogar der Kontrolle sehr entwickelter Länder wie der EU-Mitglieder, der USA und Englands entzieht. Wenn es selbst in den entwickelten Ländern an medizinischen Geräten und Schutzmasken mangelt, dann können wir uns in etwa vorstellen, wie es in unserem Land aussieht. Diese Entscheidung wird uns also große wirtschaftliche Verluste bescheren, aber wir unterstützen sie.
Unsere Guides, Sherpas und das Küchenpersonal sind nun in dieser entscheidenden Jahreszeit arbeitslos, in der sie sonst am meisten verdienen können. Die Hoteliers sind verzweifelt und traumatisiert. Die meisten Hotels in Kathmandu sind Miethäuser, und die Hoteliers gehen bei den Gehältern der Mitarbeiter, der Wasser- und Stromrechnung, der Miete, den Bankkrediten in Vorlage – in der Hoffnung, einen Gewinn zu erzielen. Und wenn die Saison jetzt so verläuft, dann bleibt ihnen keine andere Wahl, als ihren Betrieb zu schließen, was für viele weitere Menschen Arbeitslosigkeit bedeuten würde.
Die Flugzeuge werden am Boden bleiben, die Restaurants in den Touristengebieten werden leer stehen, alle mit dem Tourismus verbundenen Geschäfte werden leiden. Ein einfaches Beispiel: Der Besitzer eines Hotels in Gorakshep (der letzten Ortschaft nahe dem Everest-Basislager) hat schon Lebensmittel für die gesamte Saison eingekauft. Wegen der auslaufenden Haltbarkeit wird er sie in sechs oder sieben Monaten nicht mehr nutzen können. Die Investition für die Lebensmittel, die Frachtkosten für den Flug nach Lukla, sieben Tage Lohn für die Träger nach Gorakshep – alles dahin.
Diese Krise wird in der Tourismusindustrie Nepals für einen Rückschlag sorgen, und es wird eine Zeit lang dauern, bis sie sich davon wieder erholt. Aber im Moment bleibt uns nur die Option, für Sicherheit zu sorgen, Pläne zu entwickeln, wie wir die Tourismusindustrie erhalten können, und diese Pläne dann umzusetzen.“