Corona-Not macht erfinderisch. „In diesen Tagen haben viele Bergsteiger nichts zu tun. Deshalb können wir viel sehr gute und erfahrene Kletterer einsetzen, um die Route zu finden“, schreibt mir Maya Sherpa. Die 42 Jahre alte Bergsteigerin meint eine neue Route auf der nepalesischen Südseite des Achttausenders Cho Oyu. Eine, die nicht nur für Topbergsteiger, sondern auch für kommerzielle Expeditionen geeignet ist. Maya Sherpa hat bereits fünf Achttausender bestiegen: den Mount Everest (insgesamt dreimal, sowohl von Tibet als auch von Nepal aus), den K2, den Kangchendzönga, den Manaslu – und den Cho Oyu, allerdings nicht über die nepalesische, sondern die tibetische Seite des Bergs.
Zahl der Gipfelerfolge stark gesunken
Bisher boten Expeditionsveranstalter vor allem in der Herbstsaison nur Aufstiege auf dem Normalweg in Tibet über die Nordwestflanke an – jene technisch relativ einfache Route zum Gipfel auf 8188 Metern, die 1954 auch die Erstbesteiger Herbert Tichy und Josef Jöchler aus Österreich sowie Pasang Dawa Lama wählten. In den vergangenen Jahren hatten die chinesisch-tibetischen Behörden jedoch die Preisschraube für den Cho Oyu drastisch angezogen und Permits eher restriktiv ausgegeben. So war der Berg im Herbst 2019 ab dem 1. Oktober für ausländische Bergsteiger gesperrt worden.
Die Zahl der Expeditionsteams und damit die auch der Gipfelerfolge am Cho Oyu waren zuletzt stark gesunken. Mit mehr als 3800 Besteigungen ist die „Göttin des Türkis“ laut der Bergsteigerchronik „Himalayan Database“ der am zweithäufigsten bestiegene Achttausender nach dem Mount Everest (mehr als 10.000 Gipfelerfolge).
Hohe Lawinengefahr
Die nepalesische Südseite des Cho Oyu am Ende des Gokyo-Tals gilt als technisch anspruchsvoll und lawinengefährdet. Der erste Erfolg über diese Seite gelang im Herbst 1978 den beiden Österreichern Eduard Koblmüller und Alois Furtner, die (ohne Permit) durch die Südostwand stiegen. Bis heute wurde diese Route nie wiederholt. Die letzte erfolgreiche Besteigung des Cho Oyu von Nepal aus liegt elf Jahre zurück: Im Frühjahr 2009 eröffneten die beiden Kasachen Denis Urubko und Boris Dedeshko eine neue Route durch die Südwand.
Für Kunden kommerzieller Expeditionen sind alle bisher erschlossenen Routen auf der Südseite zu gefährlich und anspruchsvoll. „Deshalb versuchen wir ja, mögliche und sichere Routen zu finden“, sagt Maya Sherpa, die das Projekt für den nepalesischen Bergsteigerverband NMA koordiniert. Die Finanzierung, so die NMA-Vizepräsidentin, stehe noch nicht. Das nepalesische Tourismusministerium habe seine Unterstützung signalisiert. Das Team werde voraussichtlich aus acht internationalen Bergführern und zehn erfahrenen Sherpas bestehen, sagt Maya, die selbst mit dabei sein will: „Wenn alles glatt läuft, werden wir in der ersten Septemberwoche aufbrechen.“