Elisabeth Revol gehört nicht zu den Profibergsteigern, die ständig die Öffentlichkeit über ihre Pläne informieren und dann oft in Echtzeit an ihren Abenteuern teilhaben lassen. Als ihr Sponsor Valandre am 23. Mai darüber informierte, dass die 39-Jährige Französin den Everest ohne Flaschensauerstoff bestiegen habe, wusste kaum jemand, dass sie überhaupt am höchsten Berg der der Erde unterwegs war. Einen Tag später stand sie auch auf dem Gipfel des Lhotse.
Am vergangenen Samstag ruderte Valandre zurück. Weil Revol sich bis auf eine Höhe 8400 Metern vorakklimatisiert habe, sei man „irrtümlich“ davon ausgegangen, dass sie am Everest auf Flaschensauerstoff verzichtet habe, ließ das Unternehmen wissen.
„Als Vorsichtsmaßnahme“
Man habe die Nachricht über die sozialen Netzwerke verbreitet, ohne dass Revol sie bestätigt habe: „Was wir (damals) nicht wussten, wir und die Welt jedoch jetzt wissen, ist, dass der Stau auf den letzten paar Hundert Metern zum Gipfel an diesem Tag erschreckend war, tragischerweise für einige sogar tödlich. Elisabeth hatte die Wahl, entweder auf ihren Gipfelvorstoß zu verzichten oder etwas Sauerstoff als Vorsichtsmaßnahme zu nehmen, um ihren Kindheitstraum zu erfüllen. Wir schätzen ihre Urteilskraft einer erfahrenen Athletin und respektieren ihre Wahl. Wir verneigen uns vor ihrem (Sports-) Geist.“
Korrektur nach Pressebericht
Warum das Unternehmen zwei Wochen brauchte, um seinen Fehler einzugestehen und warum Elisabeth die Umstände ihrer Everest-Besteigung nicht selbst richtigstellte, bleibt offen. Am vergangenen Freitag hatte die französische Internetseite „Alpine Mag“ unter Berufung auf den deutschen Bergsteiger David Göttler und die Himalayan Database berichtet, dass Revol am Everest zu Flaschensauerstoff gegriffen habe. Göttler hatte am selben Tag versucht, ohne Atemmaske aufzusteigen, war aber auf Höhe des Südgipfels wegen der vielen Menschen am Gipfelgrat umgekehrt. „Ich wusste, wenn ich weitergehe, werde ich unglaublich stark davon abhängig sein, wie sich all die anderen Leute hier oben bewegen (oder auch nicht bewegen). Und diese Tatsache konnte ich nicht kontrollieren“, hatte mir David geschrieben.
Erste Zweifel
Schon am Tag ihres Gipfelerfolgs am Lhotse waren erste Zweifel aufgetaucht, ob Revol wirklich den Everest komplett ohne Atemmaske geschafft habe. „Es ist möglich, dass sie aufgrund des Verkehrs am Everest Flaschensauerstoff beim Abstieg vom Gipfel benutzen musste. Ich bin nicht in der Lage, dies zu diesem Zeitpunkt zu bestätigen“, hatte Rishi Ram Bhandari vom nepalesischen Veranstalter „Satori Adventures“ gesagt und angefügt, dass Revol von mindestens zwei Sherpas begleitet worden sei.
Ebenfalls am 23. Mai hatte der Chilene Juan Pablo Mohr nach eigenen Angaben den Gipfel des Everest ohne Flaschensauerstoff erreicht. Bisher hat noch niemand widersprochen.
Tragödie nach Winterbesteigung
2018 war Elisabeth Revol als erster Frau eine Winterbesteigung des Nanga Parbat gelungen. Beim Abstieg hatte sie ihren schneeblinden und schwer höhenkranken polnischen Teampartner Tomek Mackiewicz auf 7200 Metern zurücklassen müssen. Sie selbst war gerettet worden, hatte aber schwere Erfrierungen davongetragen.
Dann verneigen wir uns vor einer großen Athletin, die ohne großes Posaunen noch in diesem Terrain unterwegs ist.
Auch der Däne Rasmus Kragh ist einer der „Stillen“ in der Szene und hat am 23. Mai 2019 den Everest-Gipfel ohne Sauerstoff von der Südseite erreicht.