Simon Messner: „Ich bin Kletterer aus Leidenschaft“

Simon Messner

Werden der vierjährige Mateo Messi oder Cristiano Ronaldo junior, neun Jahre alt, eines Tages wie ihre berühmten Väter die Fußballwelt verzücken? Durchaus möglich. Die beiden Sprösslinge der Superstars Lionel Messi aus Argentinien und Cristiano Ronaldo aus Portugal zeigen schon als Kinder ein bemerkenswertes Ballgefühl. Doch dass sie wirklich in die Fußstapfen ihrer Väter treten, ist keineswegs garantiert.

Simon Messner, Sohn des legendären Reinhold Messner, wollte erst einmal gar nichts vom Bergsport wissen. „Das Thema war zu präsent in meiner Familie, zu alltäglich“, erklärt der 29-Jährige auf seiner Internetseite den verwunderlichen Umstand, dass er erst als Jugendlicher zum Klettern fand. Zudem hatte Simon Höhenangst, die es zu überwinden galt: „Ja nicht stürzen, dann kann auch nichts passieren, war meine Devise. Sie ist es bis heute geblieben.“ 

Heute geht Simon regelmäßig in die Berge und auch auf Expedition: Im vergangenen Sommer gelangen ihm in Pakistan gleich zwei Erstbesteigungen von Sechstausendern. Simon Messner hat eigentlich Molekularbiologie studiert, wechselte dann aber „von der Mikrowelt der Moleküle zurück in die Makrowelt der Berge“, wie er sagt. Dazu gehört nicht nur das Klettern. Mit seinem 75 Jahre alten Vater Reinhold dreht Simon Messner auch Dokumentarfilme in den und über die Berge.

Simon, siehst du dich aktuell eher als Alpinist oder als Filmemacher?

Rissklettern in den Felsen von Utah

Ich sehe mich momentan gleichermaßen als Alpinist aber auch als Filmemacher, wobei der Alpinismus ganz klar meine Leidenschaft ist. Das Filmemachen ist auch eine herausfordernde Aufgabe und in gewisser Weise mein Broterwerb, aber etwas ganz anderes als das Klettern selbst. Reinhold und ich sind mit unserer Filmfirma „Messner Mountain Movie“ ja ein sehr kleines Unternehmen und machen viele der anfallenden Arbeiten selbst, zuweilen kann es da auch stressig zugehen.

Dazu kommen die zwei Bergbauernhöfe Ober- und Unterortl im Vinschgau, die ich von meinem Vater erhalten habe. Diese Höfe – ein Weinbetrieb und ein klassischer Bergbauernhof – gilt  es nun zusammen mit den Pächtern weiterzubringen beziehungsweise ein Zukunftsmodell zu finden. Ich würde die beiden Höfe gerne mehr miteinander verzahnen, um den ökologischen Kreislauf (so gut das in den Bergen möglich ist) zu schließen.

Was macht für dich ein echtes Bergabenteuer aus?

Das ist eine schöne Frage, gerade weil ich das Gefühl habe, dass in letzter Zeit einige der öffentlich verkauften „Bergabenteuer“ irgendwie inszeniert wirken – natürlich nicht alle, aber einige davon leider schon. Ich tue mich heute schwer dabei zu sagen,  wer wirklich „gut ist“ und wer nur gute Geschichten erzählen kann. Das Internet macht das heute möglich. Dabei den Überblick zu behalten, ist schwer geworden.

Für mich persönlich kommt es darauf an, was ich an Erfahrungen mit nach Hause bringe und nicht primär, in welcher Zeit ich welchen Schwierigkeitsgrad klettere. Das ist dann reiner Sport, und das interessiert mich persönlich nicht. Aber jeder kann und soll im Gebirge das machen können was er machen will, sofern er keine bestehenden Routen „nachrüstet“, zum Beispiel einbohrt, und keinen anderen dabei schadet. Der Gedanke, dass das Gebirge „Freiraum“ ist, gefällt mir sehr gut. Das ist ein großer Wert, den wir uns erhalten müssen.

Im Sommer 2019 gelang dir in Pakistan zunächst im Alleingang die Erstbesteigung des 6200 Meter hohen Toshe III. Wie hast du die besondere Herausforderung empfunden, allein in unbekanntes Terrain aufzusteigen?

Simon auf dem Toshe III, auch Geshot Peak genannt

Dazu muss ich vorwegnehmen, dass die Linie, die ich für die Besteigung des Toshe III gewählt habe, nicht allzu schwierig ist. Nur war diese Linie bei meiner Begehung eben gefährlich, weil viel und ungebundener Schnee in den Hängen lag. In dieser Hinsicht habe ich einiges riskiert. Zu Beginn wollten wir ja zu viert einsteigen, aber das schien uns wegen der hohen Lawinengefahr nicht vertretbar. Somit habe ich kurzerhand entschieden, alleine einen Versuch zu machen: „Mal schauen wie weit ich komme“ war wie so oft mein Vorsatz. Ich bin früh am Morgen los und bin schnell gestiegen, um die kühlen Temperaturen der Nacht zu nutzen. Eine Person belastet einen Schneehang eben weniger, als vier Bergsteiger das tun. Schließlich kam ich bis zum Gipfel und auch wieder heil hinunter, das ist das Wichtigste.

In unbekanntem Terrain aufzusteigen, ist für mich immer mit einer gewissen Spannung verbunden. Es gibt niemanden, der einem eine Vorgabe macht, und auch keine Hinweise  vorhergegangener Seilschaften. Somit bin ich automatisch gefordert, weil jede Entscheidung, die es zu treffen gilt, ausschließlich bei mir liegt.

Die anschließende zweite Erstbesteigung war eine Teamleistung: Mit dem Österreicher Martin Sieberer bestiegst du im Karakorum den 6718 Meter hohen Black Tooth im Massiv des Mustagh Tower – bei schlechtem Wetter. Musstet ihr an euer Limit gehen oder vielleicht sogar darüber hinaus?

Mit Martin Sieberer auf dem Gipfel des Black Tooth

Bei dieser Besteigung hatten wir in den zwei Wochen zuvor ungewöhnlich schönes Wetter. Nachdem wir uns akklimatisiert hatten, wollten wir deshalb unbedingt dieses Wetterhoch für unsere Besteigung nutzen. Doch wie so oft kam es dann anders als geplant, und wir sind am Gipfeltag in schlechtes Wetter geraten. Wir wussten, dass wir über unsere Aufstiegslinie nicht mehr hätten sicher absteigen beziehungsweise abseilen können. Das vorhandene Eis war einfach zu schlecht, um an Eissanduhren abzuseilen. Also mussten wir den Weg über den Gipfel nehmen, um gegen Westen hin absteigen zu können. Wir haben vom Gipfel also unmittelbar mit dem Abstieg begonnen, um nicht im Neuschnee stecken zu bleiben.

Da wir unser Zelt aus Gewichtsgründen zurückgelassen hatten, waren wir nun gezwungen, direkt bis ins Basislager abzusteigen. Zum Schluss hin waren wir so müde und unkonzentriert, dass wir beinahe mit einem ausbrechenden Standhaken aus der Wand geflogen wären. Martin wäre dann fast noch in eine Spalte gestürzt. Im Nachhinein betrachtet war diese Bergtour eine sehr wichtige Erfahrung für uns beide, und wir haben sehr viel dazugelernt. Nun weiß ich, dass der menschliche Körper eine Maschine sein kann, wenn es wirklich darauf ankommt.

Du bist der Sohn des weltweit wohl bekanntesten Bergsteigers. Inwieweit hat dich die Bergsteiger-Ethik deines Vaters geprägt?

Mit seinem Vater, Bergsteigerlegende Reinhold Messner (l.)

Ja, mit dieser Tatsache muss ich nun mal leben, egal ob mir das gefällt oder nicht. Es kann sehr störend sein, immer verglichen zu werden, aber im Großen und Ganzen habe ich gelernt, damit umzugehen. Und natürlich hat mich die Einstellung meines Vaters geprägt, das steht ganz außer Frage. Auch weil ich diese Art des Kletterns und Bergsteigens selber betreibe, bin ich überzeugt, dass der Schlüssel für den zukünftigen Alpinismus in der Reduktion liegt. Andernfalls wird es für uns Alpinisten in Zukunft bald keine Herausforderungen beziehungsweise keinen Raum für Abenteuer mehr geben. Das wäre verdammt schade, und im Grunde schneiden wir Bergsteiger uns dadurch nur selber in den Finger.

Viele Kinder berühmter Eltern machen etwas komplett anderes, um nicht ständig mit ihrem Vater (oder der Mutter) verglichen zu werden. Wie gehst du mit den großen alpinistischen Fußstapfen deines Vaters um?

Ich weiß, ich hätte mit dem Schachspielen beginnen sollen, dann wäre das Leben einfacher! 😉

Nein, im Ernst: Ich habe aus der Tatsache, dass ich der „Sohn von…“ bin und immer bleiben werde, gelernt, damit umzugehen und meinen Alpinismus zu leben. Ich bin ja auch keinesfalls ein Spitzenalpinist, sondern vielmehr Kletterer aus Leidenschaft – nicht mehr und nicht weniger.

Ich gehe zum Klettern, wenn ich Zeit dazu finde. Und dabei ist es mir egal, ob das jemanden interessiert oder nicht. Vielleicht hat diese Einstellung auch damit zu tun, dass ich genau weiß, was es bedeutet, in der Öffentlichkeit zu stehen, und ich bin nicht unbedingt gerne in der Öffentlichkeit. Hin und wieder muss das sein – gerade im Rahmen unserer Filmarbeit -, ansonsten lebe und genieße ich ein ruhiges Leben abseits des großen Rummels.

Was planst du in diesem Jahr?

Simon beim Mixed-Klettern in Südtirol

Zu Winterbeginn war ich viel im heimischen Eis unterwegs, dann im Oman zum Felsklettern. Die vielen Möglichkeiten, die das Bergsteigen bietet, haben mich immer schon fasziniert. Alle Disziplinen haben für mich einen gewissen Reiz, sei es nun das Eisklettern, kombinierte Wände oder das Felsklettern.

Nun, für dieses Jahr habe ich nichts Großes geplant, ich bin gerne spontan und lasse mich von den aktuellen Bedingungen inspirieren. Für den Sommer habe ich einige mögliche Linien in den Dolomiten im Kopf. Ansonsten will ich unsere derzeitigen Filmprojekte weiterbringen. Was die kommenden Jahre angeht, so habe ich Möglichkeiten für Erstbesteigungen in Ost-Tibet und in Pakistan im Kopf. Langweilig wird es mir also bestimmt nicht.

Sind die Achttausender für dich ein Thema? 

Nein, im Grunde nicht. Diese Berge haben für mich ihren Reiz dadurch eingebüßt, dass sie schlicht überlaufen werden. Mit vielen hundert anderen Leuten im Basislager hocken, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Was mich viel mehr reizt, sind die vielen unbestiegenen Sechs- und Siebentausender in den Gebirgen Asiens. Da gibt es noch vieles zu tun.

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