Tourismus-Auswüchse und Umweltzerstörung am Nanga Parbat – Michael Beek schlägt Alarm

Die "Märchenwiese", im Hintergrund der Nanga Parbat
Bedrohte Idylle: Die „Märchenwiese“, im Hintergrund der Nanga Parbat

Es war einmal. Die Märchenwiese am Nanga Parbat hat ihr Märchenhaftes verloren. „Inzwischen gibt es 25 Hotels auf der Märchenwiese, und es sind dort so viele Menschen, dass es mit der Ruhe vorbei ist. Fußlahme, ihre Handys in der Hand, werden auf Pferden hinaufgebracht, manchmal mehr als 600 an einem Tag“, schreibt Michael Beek auf Facebook, nachdem er von einer seiner vielen Pakistanreisen zurückgekehrt ist. „Überall auf dem Weg liegt Plastikmüll, Trinkflaschen werden einfach in den Rakhiot-Fluss geworfen, niemand kümmert sich darum. Das macht mich traurig.“

Expeditionen, Umrundungen, Durchquerungen

Michael Beek
Michael Beek

Wenn Michael Beek entsetzt ist, sollten in Pakistan alle Alarmglocken schrillen. Nur wenige Westler dürften sich in den Bergen im Norden des Landes so gut auskennen wie er, Beek liebt die Region. Seit über vierzig Jahren verbringt der Deutsche, Jahrgang 1955, jährlich mehrere Monate dort. Dreimal – 1981, 1983 und 2001 – führen ihn Expeditionen auf die Rupal-Seite des 8125 Meter hohen Nanga Parbat, jeweils über die sogenannte Schell-Route. 1983 und 2001 leitet Michael die Unternehmungen. Sein höchster erreichter Punkt bleibt Lager 3 am Südwestgrat auf rund 7100 Metern.

Michael Beek auf dem Sarpo-Lago-Gletscher im Karakorum
Michael auf dem Sarpo-Lago-Gletscher im Karakorum

Bekannter aber wird Beek durch seine Trekkingabenteuer. Insgesamt fünfmal durchquert er den Karakorum, teilweise auf Routen, die noch niemand vor ihm begangen hat. 1985 umrundet er mit einer kleinen Gruppe erstmals den Nanga Parbat über den Mazeno-Pass, die Tour gehört heute zu den Trekking-Klassikern in Pakistan. 1992 fliegt Beek mit einem Gleitschirm entlang der Nanga-Parbat-Südwand. 1996 erscheint die erste Auflage seines Pakistan-Trekkingreiseführers. Er fehlt wohl in keinem Bücherregal von Abenteuerreisenden aus dem deutschen Sprachraum, die es nach Pakistan gezogen hat oder zieht – mich eingeschlossen.

„Alles hat sich verändert“

Karte für Nanga-Parbat-Umrundung
Nanga-Parbat-Umrundung (© Hauser Exkursionen)

Der Nanga Parbat, schreibt Beek nun auf Facebook, sei „der Berg, der mein Leben seit 1981 beherrscht. Ein wunderbares Naturparadies, wie man es nur selten auf unserem Planeten findet. Ich kenne jedes Seitental, jeden Pass und viele Bergbauern, ohne deren Hilfe die Touristen eine Wanderung nicht bewältigen könnten. Ich bin oft um diesen Berg gewandert und war glücklich. Aber in den letzten fünf Jahren hat sich alles verändert.“

Michael verweist darauf, dass inzwischen auch eine Straße hinauf zum Lagerplatz Biji („Herrligkoffer-Basislager“ – benannt nach dem berühmten, auch umstrittenen deutschen Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer) im Rupal-Tal führe, „wo die Reichen mit ihren schweren Geländewagen vorfahren, um ihren Müll zu verteilen. Alles ist voll mit Plastikmüll und der Quellfluss im Basislager ist verdreckt. Ein Hotel ist dort bereits geplant.“ Im nächsten Jahr solle außerdem eine Straße zum Lagerplatz Latobo gebaut werden, „damit auch Motorradfahrer die höchste Fels- und Eiswand der Welt erreichen können.“

Regierung muss einschreiten

Beek ist empört. „Was passiert dort im Nanga-Parbat-Nationalpark? Die Behörden kümmern sich um nichts. Keine Ranger, keine Müllentsorgung, nichts. Jeder macht, was er will, und die Natur wird unwiderruflich zerstört. Ich bin einfach entsetzt und wütend über so viel Ignoranz und Dummheit.“

Blick vom Concordia-Platz zum K2 (2004)
Blick vom Concordia-Platz zum K2 (2004)

Dieses Problem beschränke sich nicht auf den Nanga Parbat, schreibt mir Michael: „Was sich in den letzten Jahren im Karakorum abspielt, ist nur schwer zu ertragen. Wenn die Regierung nicht einschreitet, wird das rücksichtslos weitergehen. Der Nanga Parbat, die Märchenwiese,  Concordia (Gletscherzusammenfluss nahe dem K2) und Karimabad (Stadt im Hunza-Tal) sind Hotspots geworden. Wenn die Regierung nicht bald etwas unternimmt, wird immer mehr zerstört und dann gibt es kein Zurück mehr.“

Der legendäre Hermann Buhl, 1953 Erstbesteiger des Nanga Parbat, schrieb damals noch in sein Expeditionstagebuch: „Erster Blick zum Nanga. Märchenwiese wirklich märchenhaft schön.“ Das war einmal.

Update 4. August: Michaels Botschaft ist offenbar angekommen. Die Regionalverwaltung von Gilgit-Baltistan schickte Personal los, um Müll vom Straßenrand Richtung Märchenwiese zu sammeln. Die Aktion soll fortgesetzt werden, auch an der Märchenwiese selbst. Immerhin ein Anfang. Mal sehen, wie nachhaltig das Ganze ist.

2 Antworten auf „Tourismus-Auswüchse und Umweltzerstörung am Nanga Parbat – Michael Beek schlägt Alarm“

  1. Interessanter Beitrag, über ein sicher sensibles Thema. Für die meisten von uns schwer zu beurteilen, die Schilderungen von Michael Beek regen jedoch zum Nachdenken an.

    Erwähnt seien sicher aber auch die positiven Seiten des sich entwickelnden Tourismus dort am Nanga, aber auch im Baltoro: Begegnung von Menschen, Kulturen, Religionen, Schaffung von Infrastruktur und sicheren Arbeitsplätzen für die einheimische Bevölkerung, oder auch Entgegenwirken negativer lokaler Entwicklungen wie dem Extremismus oder gar Terrorismus.

    Ich denke, die Chancen, die in einem gesunden Tourismus liegen, sind nicht von der Hand zu weisen. Auch Aspekte wie Vermüllung und Umweltzerstörung werden sich mit der Zeit bessern. Das dauert seine Zeit, keine Frage – am Beispiel Everest/Khumbu ist aber mittlerweile zu sehen, dass es sich längerfristig zum Besseren entwickelt.

    Das Problembewusstsein hinsichtlich Naturverträglichkeit ist heute bei allen Beteiligten größer denn je, und gerade der Gebirgstourist ist in der Regel ja Naturfreund.

    Ich denke, auch im Westhimalaya und Karakorum wird nun der Hochgebirgstourismus immer mehr Einzug halten, und glaube, er bringt große Chancen mit sich, insbesondere für die einheimische Bevölkerung.

  2. Ein sehr wichtiger Artikel!
    „Was du tust, so bedenke das Ende; so wirst du nimmermehr Übles tun“ Sirach 8,40
    Der Tanz ums goldene Selbst (Spiegel) ist in vollem Gange. Der Werteverlust nimmt erschreckende Formen an. Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Geld- Ruhm u. Machtsucht, Friedlosigkeit und Neid nehmen erschreckend zu. Politiker und Despoten aller Herren Länder maschieren in dieser Entwicklung als „Vorbilder“ vorweg. Es wird gelogen, das sich die Balken biegen. Korruption auf allen Ebenen sind zu beobachten. Doch was der Mensch säht, das wird er ernten müssen. Viele haben das verdrängt und vergessen. Vieles wird zur Bagatelle verharmlost und verniedlicht. Doch einmal rinnt das letzte Sandkorn durch das Stundenglas. (noch ist keiner mit dem Leben davongekommen) Dann kommen die Geister und fordern Rechenschaft für unser tun und denken. Man kann es glauben oder es lassen. An der Tatsache das wir ernten müssen ändert das nichts!
    Die Medien haben eine unendlich große Macht und großen Einfluss auf uns Menschen. Würde es im großen Rahmen gelingen, die Menschheit weltweit zu bewegen, sich auf das Gute im Menschen zu konzentrieren, wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung getan. Medien sollten das schlechte anprangern und nicht nur berichten. Im Gegenzug die Möglichkeiten des guten aufzeigen. Dann bestünde auch die Chance, die Verhältnisse u.a. auch am Nanga Parbat zu verbessern.
    Es macht immer Sinn, an dem Platz, wo wir im Leben hingestellt sind, einen guten Einfluss auf unsere Mitmenschen auszuüben.
    Eine Lebensaufgabe.

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