
„Vor zwei Tagen wurde Ismail Akbarov aus Aserbaidschan oberhalb des Basislagers von einem Stein getroffen. Es war sein erster Anstieg und gleichzeitig das Ende seiner Expedition. Der Aufprall verletzte sein Schienbein, sodass er mit dem Hubschrauber nach Skardu geflogen werden musste“, schrieb der Pole Lukasz Supergan, der sich in diesem Sommer am 8051 Meter hohen Broad Peak im Karakorum in Pakistan versucht, gestern auf Instagram. Er selbst habe sich darauf verlegt, nicht erst am Morgen, sondern bereits mitten in der Nacht zu starten, um nicht Steine loszutreten und hinter ihm Aufsteigende zu gefährden.
Nicht nur vom Broad Peak, sondern auch vom benachbarten K2 und den anderen Achttausendern Pakistans, dem Gasherbrum I, dem Gasherbrum II und dem Nanga Parbat, werden derzeit außergewöhnlich trockene Verhältnisse am Berg gemeldet, einhergehend mit erhöhter Steinschlaggefahr. Die sonst üblichen Niederschläge blieben bisher weitgehend aus. Immerhin wird für die kommenden Tage im Karakorum leichter Schneefall erwartet.
Glutofen Chilas
Insgesamt aber sind auch in den Bergen Pakistans die Folgen des Klimawandels nicht zu übersehen. Am vergangenen Samstag wurden in der Stadt Chilas nahe dem Nanga Parbat ein Hitzerekord von 48,5 Grad Celsius gemessen. Auch in Skardu, Ausgangspunkt für die meisten Expeditionen ins Karakorum, stieg das Thermometer auf rund 40 Grad Celsius. Folge der hohen Temperaturen: Eis und Schnee schmelzen noch schneller als ohnehin schon.

„Ich glaube, in Zukunft müssen die Expeditionen früher nach Pakistan – wegen des Klimawandels, der dort sehr deutlich zu spüren ist“, sagt mir David Göttler nach seiner Rückkehr vom Nanga Parbat. „Das würde sich zwar mit der Frühjahrssaison in Nepal beißen. Die Expeditionen müssten sofort nach dem Ende ihrer Projekte in Nepal nach Pakistan weiterreisen. Aber ich glaube, das ist unausweichlich.“
Objektive Gefahren nehmen zu
Göttler und seine französischen Teampartner Tiphaine Duperier und Boris Langenstein hatten sich für ihre später erfolgreiche Besteigung des Nanga Parbat in Nepal vorakklimatisiert: am 6145 Meter hohen Island Peak und am 7129 Meter hohen Baruntse.

„Es ist Wahnsinn, wie schnell sich diese Berge gerade ändern“, sagt Göttler. „Die objektiven Gefahren werden größer, der Steinschlag nimmt zu. Am Baruntse zum Beispiel ist der Gipfelgrat inzwischen echt nicht ohne. Da tun sich riesige Spalten auf, um die herum du deinen Weg finden musst. Früher war das kein sehr anspruchsvoller Berg. Aber inzwischen musst du als selbst Anfänger an einem Siebentausender wie diesem schon gut mit den Steigeisen unterwegs sein.“
Gerade die Sechs- und Siebentausender würden erstmal infolge des Klimawandels viel schwieriger, so David, „und dann später vielleicht wieder etwas weniger anspruchsvoll – wenn alle Gletscher verschwunden sind.“
ICIMOD warnt vor GLOFS
Das Internationale Zentrum für integrierte Entwicklung in Bergregionen (ICIMOD) in Nepal warnte heute vor der in jüngster Zeit rapide steigenden Zahl von Flutereignissen, weil natürliche Dämme von Gletscherseen brächen. Alleine am Montag habe es in Nepal zwei solcher GLOFS (Glacial Lake Outburst Floods) gegeben, eine im Upper Mustang im Norden des Landes, eine im Distrikt Rasuwa im Grenzgebiet zu Tibet.
Nach der Flutkatastrophe in Rasuwa – ausgelöst durch heftige Regenfälle, verstärkt offenbar durch eine Gletschersee-Flut – werden noch mindestens 19 Menschen vermisst. Acht Leichen wurden geborgen. Die Wassermassen hatten unter anderem eine Grenzbrücke nach Tibet weggeschwemmt.
