Vor 60 Jahren: Erstbesteigung der Shishapangma

Nordseite der Shishapangma
Nordseite der Shishapangma

„Noch ein paar Schritte und wir erreichten den höchsten Punkt des Berges, eine dreieckige, mit Eis und Schnee bedeckten Fläche, etwa fünf Quadratmeter groß, von der sich uns ein Panoramablick bis zum Horizont bot. Der Gegenwind traf uns mit voller Wucht.“ So beschrieb Hsu Ching (andere Schreibweise Xu Jing) , der Leiter der chinesischen Expedition, den Moment heute vor genau 60 Jahren, an dem erstmals Menschen den Gipfel der Shishapangma betraten. Es sei 10.20 Uhr Pekinger Zeit an diesem 2. Mai 1964 gewesen, als die ersten von insgesamt zehn Bergsteigern am höchsten Punkt auf 8027 Metern angekommen seien, berichtete Hsu.

Damit war auch der letzte der 14 Achttausender bestiegen – 14 Jahre nach der Erstbesteigung des ersten, der Annapurna I, durch die Franzosen Maurice Herzog und Louis Lachenal. Die Shishapangma – übersetzt „Bergkamm über der Grasebene“ – ist der niedrigste Achttausender und der einzige, der komplett auf chinesisch-tibetischem Boden liegt.

Tibet zu jener Zeit für Ausländer gesperrt

Dass die Erstbesteigung des Bergs so lange auf sich warten ließ, lag an den politischen Umständen. Nachdem China 1950 Tibet besetzt hatte, war die Region für ausländische Bergsteiger gesperrt. Die chinesischen Bergsteiger wandten sich zunächst im Auftrag der kommunistischen Führung dem Mount Everest zu. 1960 verkündeten die Machthaber in Peking die erste Begehung der Everest-Route über den Nordostgrat durch die beiden Chinesen Wang Fu-Chou und Chu Ying-Hua sowie den Tibeter Gongbu.

Wang gehörte auch zum Team, dem die Erstbesteigung der Shishapangma gelang. Unter anderen war auch Expeditionsleiter Hsu 1960 am Everest mit von der Partie gewesen – als stellvertretender Leiter.

Sauerstoffflaschen „für den letzten Angriff“

Es war eine Mammutexpedition, die mit dem Ziel der Erstbesteigung zur Shishapangma gekommen war: 195 Personen – neben den rund 50 Bergsteigern auch Ärzte, Wissenschaftler sowie Journalisten, die den Aufstieg für die staatlichen Medien dokumentieren sollten. Die Chinesen bauten eine LKW-Piste bis zum Basislager auf rund 5000 Metern. Dort entstand eine kleine Zeltstadt, mit Stromversorgung, Kinozelt, Kranken-, Radio- und Wetterstation.

Shishapangma
Die 8027 Meter hohe Shishapangma in Tibet

Schließlich schafften die Bergsteiger tonnenweise Material auf den Berg. Sie richteten auf der Nordostseite des Bergs sechs Hochlager ein, das vorletzte auf 7500, das letzte auf rund 7700 Metern. Laut Expeditionsbericht wurden in den beiden höchstgelegenen Lagern neben Lebensmittelvorräten auch Sauerstoffflaschen deponiert, „für den letzten Angriff“, wie es hieß.

Mao-Büste am Gipfel vergraben

Der Gipfelversuch von 13 Bergsteigern, die dafür vorher geschont worden waren, begann am 25. April. Drei Bergsteiger, die Probleme mit der dünnen Luft hatten, blieben am Gipfeltag im letzten Lager zurück. Sechs Chinesen und vier Tibeter erreichten den höchsten Punkt. Bei keiner anderen Achttausender-Erstbesteigung waren so viele Personen am Gipfel. Nach den Foto- und Filmaufnahmen vergrub das Team um Expeditionsleiter Hsu Ching eine chinesische Fahne, einen Zettel mit dem Datum und den Namen der Erstbesteiger sowie eine kleine Büste des chinesischen Herrschers Mao Tse-tung im Schnee.

Kaum noch Permits

Erst 1979 wurde die Shishapangma auch für ausländische Teams geöffnet. Heute gibt es rund 20 Routen oder Varianten an dem Berg. Die meisten der bislang rund 350 Gipfelerfolge gelangen jedoch über die Route der Erstbesteiger. In den vergangenen Jahren ist es an dem Berg ruhig geworden. Die chinesisch-tibetischen Behörden vergaben, wenn überhaupt, nur noch sehr restriktiv Permits für die Shishapangma.

Im vergangenen Herbst ließen sie mehrere ausländische Teams zu. Nachdem die beiden US-Amerikanerinnen Gina Marie Rzucidlo und Anna Gutu sowie ihre nepalesischen Begleiter Tenjen Lama und Mingmar Sherpa bei zwei Lawinen am selben Tag ums Leben gekommen waren, sperrten sie den Berg wieder, aus Sicherheitsgründen, wie es hieß.

Auch in diesem Frühjahr – 60 Jahre nach der Erstbesteigung – waren Permits für die Shishapangma in Aussicht gestellt worden. Dann jedoch verkündeten die Behörden, dass der Berg einmal mehr für ausländische Teams geschlossen bleibe.

3 Antworten auf „Vor 60 Jahren: Erstbesteigung der Shishapangma“

  1. Vielen Dank fuer den Artikel, Stefan!
    Eine kurze, nicht ganz ernst gemeinte Frage: Haelt diese Erstbesteigung auch dem kritischen Blick Herrn Jurgalskis statt ? Waren die Chinesen wirklich am allerhoechsten Punkt, oder war der „wirkliche“ Erstbesteiger vielleicht sogar Reinhold Messer? 😉
    Wie gesagt: Die Frage ist nicht ganz ernst: Fuer mich muss die Geschichte da nicht umgeschrieben werden…

    1. Tatsächlich waren die Fotos und Filme vom höchsten erreichten Punkt zwar propagandatauglich, aber in Sachen Gipfel nicht sehr aussagekräftig, sodass darüber diskutiert wurde und wird, ob die zehn Bergsteiger nicht vielleicht doch „nur“ den Mittelgipfel auf 8008 Metern erstiegen.

      1. Hallo Stefan,
        ich stand schon auf beiden Gipfeln der Shisha Pangma, aber das hört sich eher nach Mittelgipfel an:
        erreichten den höchsten Punkt des Berges, eine dreieckige, mit Eis und Schnee bedeckten Fläche, etwa fünf Quadratmeter groß, von der sich uns

        Gruß Thomas

Kommentare sind geschlossen.

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