Ihre Spritzen sind Seile, ihre Pflaster Aluminiumleitern. Jahr für Jahr „verarzten“ die sogenannten Icefall Doctors die Aufstiegsroute durch den gefährlichen Khumbu-Eisbruch, die Passage auf dem Weg zum Gipfel des Mount Everest mit den größten objektiven Gefahren. Mit ihren Leitern überbrücken sie tief klaffende Spalten, mit den Fixseilen sichern sie die Route – und halten sie anschließend die ganze Saison über bis Ende Mai instand. Es ist eine extreme gefährliche Arbeit, da der Eisbruch ständig in Bewegung ist und jederzeit einer der mächtigen Eistürme zusammenbrechen kann.
Merkt euch ihre Namen!
Ohne die Icefall Doctors würden nur sehr, sehr wenige Bergsteigerinnen und Bergsteiger pro Jahr den höchsten Punkt der Erde auf 8849 Metern erreichen. Und doch gehören sie zu den meist vergessenen Helden des Everest, deren Namen leider selten genannt werden. Also prägt sie euch ein! In diesem Jahr sind es Ang Sarki Sherpa, Chhewang Nuru Sherpa, Dawa Jangbu Sherpa, Dawa Nuru Sherpa, Mingma Temba Sherpa, Pemba Tshering Sherpa, Sonam Tshering Sherpa und Tenzing Dorjee Sherpa, die den Weg durch das Eislabyrinth bis hinauf nach Lager 2 auf 6400 Metern für die kommerziellen Expeditionsteams vorbereiten und in Schuss halten.
Ang Sarki Sherpa ist der aktuell Dienstälteste
Vor wenigen Tagen brachen sie Richtung Everest-Basislager auf. Im Januar hatten sie einen dreitägigen Erste-Hilfe-Kurs im Dorf Lukla gemacht, im Basislager folgt nun in den ersten Märztagen ein Training im Eis durch Ausbilder des Khumbu Climbing Center in Phortse – dem Dorf mit der wohl höchsten Dichte an Besteigern des Mount Everest: Rund 80 Bewohner standen bereits auf dem höchsten Punkt der Erde. Für den dienstältesten Icefall Doctor im Team, Ang Sarki Sherpa, dürfte der Kurs nur wenig Neues bereithalten. Bereits seit 2008 verdient der 51-Jährige sein Geld als Icefall Doctor.
2500 bis 3000 Dollar bringen die auf die gefährliche Arbeit spezialisierten Sherpas nach der Saison nach Hause. Ausgewählt und bezahlt werden die Icefall Doctors vom Sagarmatha Pollution Control Commitee (SPCC), einer Organisation, die sich ursprünglich nur um den Umweltschutz im Everest-Nationalpark kümmerte. Seit 1997 ist das SPCC im Auftrag der Regierung Nepals auch für die Route durch den Khumbu-Eisbruch zuständig. Jedes Expeditionsmitglied muss für die Arbeit der Icefall Doctors 600 Dollar zahlen.
Icefall-Doctor-Legenden
Nur wenige Icefall Doctors wurden über Nepal hinaus bekannt. Zu ihnen gehörte der 2013 verstorbene Ang Nima Sherpa. 37 Jahre lang verdiente er sein Geld im Khumbu-Eisbruch. 2021 widmete ihm der US-Abenteurer und Filmemacher Sean Bench seinen Dokumentarfilm „The Icefall Doctor“.
Ang Kami Sherpa, der 21 Jahre lang ihm Eisbruch sein Leben riskierte und lange das Team der Icefall Doctors leitete, lebt inzwischen im Ruhestand. Auch einer der aktuellen Stars der nepalesischen Bergsteigerszene begann seine Karriere als Icefall Doctor. Gelje Sherpa arbeitete fünf Jahre in dem Job. Inzwischen hat er 13 der 14 Achttausender bestiegen, lediglich der Cho Oyu fehlt noch in seiner Sammlung. Gelje gehörte auch zu den zehn nepalesischen Bergsteigern, denen 2021 die erste Winterbesteigung des K2 gelang.