Jost Kobusch: „Am Gipfel des Denali war ich am Limit“

Jost Kobusch im Messner-Couloir am Denali
Jost Kobusch im Messner-Couloir am Denali

Seine Erschöpfung hört man ihm nicht an. Als ich Jost Kobusch telefonisch in Chamonix erreiche, sprudeln die Worte aus dem 30 Jahre alten deutschen Bergsteiger nur so heraus. Vor knapp zwei Wochen gelang Jost eine Solo-Winterbesteigung des Denali, über das Messner-Couloir, das im Winter noch nie begangen wurde. Mit 6190 Metern ist der Denali, der früher Mount McKinley genannt wurde, der höchste Berg Nordamerikas und damit einer der Seven Summits. Wegen seiner Lage in Alaska, hoch im Norden, gilt er als einer der kältesten Berge der Welt.

In den vergangenen Jahren hatte Kobusch mit seinen Winterversuchen am Mount Everest Schlagzeilen gemacht. Sein Ziel: den höchsten Berg der Erde im Alleingang und ohne Flaschensauerstoff zu besteigen, über die selten begangene Route via Westgrat und Hornbein-Couloir zum Gipfel auf 8849 Metern. Im ersten Anlauf war er im Winter 2019/2020 bis zur Westschulter auf gut 7300 Metern gelangt, im Winter 2021/2022 war wegen des starken Winds auf knapp 6500 Metern Endstation.

Jost, zunächst einmal Glückwunsch zu deiner Winterbesteigung des Denali. Wie fühlst du dich körperlich?

Jost Kobusch mit Schlitten auf dem Denali-Gletscher
Jost Kobusch

Ich bin einfach erschöpft. Der Körper hat drei Wochen lang auf vollen Touren gearbeitet. Allein schon aufgrund der tiefen Temperaturen war das eine hohe Stressbelastung.

Du sprachst nach deiner Tour von leichten Erfrierungen. Wie schlimm sind sie?

Ich habe nur leichte Taubheitsgefühle, zwei Zehennägel sind blau angelaufen, aber das ist alles regenerierbar. Die Haut ist nicht weiß angelaufen, und es haben sich auch keine Blasen gebildet.

Du bist über das Messner-Couloir zum Gipfel gestiegen. Wie waren die Bedingungen am Berg?

Jost Kobusch beim nächtlichen Aufstieg mit Stirmlampe
Nächtlicher Aufstieg

Am Aufstiegstag war es morgens stürmisch. Der Wetterbericht hatte vorhergesagt, dass der Wind gegen Mittag nachlassen und es schön würde. So kam es dann auch. Am folgenden Tag sollte es bewölkt werden, mit nur 10 km/h Wind. Damit sollten auch die Temperaturen erträglich sein. Das stellte sich als falsch heraus. Es hat doch sehr starke Winde gegeben. Auf dem Gipfelgrat war es so windig, dass ich teilweise das Gleichgewicht verloren habe. Ich habe mich mehrmals in eine Schutzposition begeben, damit ich nicht heruntergeblasen werde. Die Piloten der Maschine, die mich später herausflogen, sagten mir, es habe am Gipfeltag am höchsten Punkt eine Windgeschwindigkeit von 30 Knoten gegeben. Das sind knapp über 50 km/h. Mehr hätten es nicht sein dürfen, sonst hätte es mit dem Gipfel nicht geklappt.

Bist du wegen des Winds nur kurz auf dem Gipfel geblieben?

GPS-Nachricht Kobusch vom Gipfel des Denale
GPS-Nachricht vom Gipfel

Es gibt auf dem Gipfelgrat einige Erhebungen, die man für den höchsten Punkt halten könnte. Als das GPS-Gerät schließlich angezeigt hat, dass ich am Gipfel war, habe ich mich nur hingekniet – stehen wollte ich nicht bei dem Wind –, habe mein InReach-Gerät rausgeholt und eine Nachricht losgeschickt, dass ich oben bin. Ich habe kurz gefilmt, das war’s. Danach bin da runtergesprintet. In der kurzen Zeit am Gipfel, in der ich den Handschuh ausziehen musste, um die Nachricht loszuschicken, ist meine Hand steif gefroren. Ich habe sie dann im Handschuh mit Wärme-Akkus umwickelt. Erst nach gut einer Viertelstunde konnte ich die Hand wieder einigermaßen einsetzen. Das war schon wirklich am Limit.

Warum bist dann nicht über das Messner-Couloir, sondern über eine andere Route abgestiegen?

Es war so stürmisch, dass ich nicht über das Blaueis auf der Messner-Route herunterklettern wollte. Ich habe mit den GPS-Daten und der Karte navigiert. Am Ende habe mich dann ein wenig verstiegen, weil es so kalt war, dass die Batterie meines GPS-Geräts irgendwann leer war. Ich landete unten im falschen Tal und konnte mein Zelt nicht sehen. Also bin ich wieder einen anderen Hang hinaufgestiegen und von dort in mein Lager zurückgekehrt.

Fühltest du dich nur am Gipfel am Limit?

Der Denali

Ja, eigentlich nur dort. Auf dem Gipfelgrat war es so kalt, dass mir die Augen zugefroren sind. Ich habe sie mit den Fingern wieder aufgedrückt. Da war ich wirklich am Limit. Hätte ich mich die ganze Zeit über am Limit gefühlt, hätte ich etwas falsch gemacht. So soll es nicht sein.

Was hast du aus deinem Denali-Abenteuer für dein Projekt gelernt, den Mount Everest im Winter zu besteigen?

Ich habe gelernt, dass mein Training sich ausgezahlt habe, dass ich ausreichend Ressourcen habe, mit diesen Bedingungen klarzukommen. Natürlich habe ich auch gelernt, wie ich mit dieser extremen Kälte noch besser umgehen kann. Durch die niedrigen Temperaturen bist du gezwungen, in den Übergangsphasen sehr akkurat zu sein. Eine solche „Transition“ ist zum Beispiel: Du steigst aus deinem Schlafsack raus, schlüpfst in deine Ausrüstung und gehst los. Wenn das nicht reibungslos funktioniert, riskierst du Erfrierungen. Ich hatte wegen der extremen Bedingungen am Denali auch schwerere, robuste Ausrüstung dabei. Das würde ich gerne auf den Everest übertragen. Ich werde mehr in die Richtung trainieren, dass ich mehr Gewicht mitnehmen kann – damit ich mich aufgrund der Ausrüstung am Berg besser regenerieren kann.

Hat es gutgetan, von diesem Projekt mit einem Gipfelerfolg zurückzukehren?

Na klar, das ist immer schön.

War das auch eine Botschaft an deine Kritiker, die dich einen „Ankündigungsweltmeister“ schimpfen?

Die spielen für mich keine Rolle. Ich habe das gemacht, weil ich Bock darauf hatte. Ich habe mir die erste Winterbegehung des Messner-Couloirs nicht als Botschaft ausgesucht. Wenn das Couloir anders geheißen hätte, wäre ich es auch geklettert. Es ist einfach eine schöne Linie.

Wie geht es jetzt für dich weiter?

Erstmal muss ich mich regenerieren, dann werde ich hier in Chamonix möglichst viel bergsteigen. Im Herbst will ich dann wieder in den Himalaya. Dort möchte ich etwas Schönes zur Akklimatisation klettern und dann wieder zum Everest zurückkehren.

3 Antworten auf „Jost Kobusch: „Am Gipfel des Denali war ich am Limit““

  1. Auf dem Foto sieht es so aus, als ob Kobusch eine Sauerstoffmaske trägt. Ist das nur ein Kälteschutz oder hat er künstlichen Sauerstoff verwendet?

    1. Das ist keine Sauerstoffmaske, sondern eine, um den Atem zu befeuchten. Solche Masken tragen inzwischen einige Bergsteiger, die ohne Flaschensauerstoff unterwegs sind, z.B. David Göttler.

Kommentare sind geschlossen.

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