Gelesen: Ich hab ein Rad in Kathmandu

Ich mag Menschen, bei denen schon der Versuch zum Scheitern verurteilt ist, sie in eine Schublade zu packen. Billi Bierling ist so ein Mensch. Fangen wir mit der Nationalität an. Die 55-Jährige hat einen deutschen und einen Schweizer Pass. Dass man sie in Deutschland antrifft, ist eher selten und eigentlich nur dann der Fall, wenn sie eine Stippvisite bei ihrer Familie in Garmisch macht. Während der Bergsteiger-Saisons im Frühjahr und Herbst lebt sie in Kathmandu, um Daten für die von ihr geleitete Himalayan Database zu erheben, die Chronik des Himalaya-Bergsteigens in Nepal. Oder sie steigt selbst auf die höchsten Berge der Welt.

Den Winter verbringt Billi meist in Bern, wo sie als Kommunikationsexpertin für das Schweizerische Korps für humanitäre Hilfe arbeitet. Doch wenn die Hilfsorganisation sie wieder mal an einen der Krisenherde der Welt schickt, packt Billi schnell die Koffer. Damit stellt sich die nächste Frage: Ist sie nun eine Journalistin, eine Chronistin oder eine humanitäre Botschafterin? Von jeder etwas – je nach Situation mal mehr oder weniger. Auch bei ihren sportlichen Leidenschaften steht Billi für Vielseitigkeit: Sie ist passionierte Bergsteigerin, Bergläuferin und Radfahrerin. Hauptsache in Bewegung.

Menschenfreundin

Billi Bierling auf dem Gipfel des Broad Peak (2019)
Billi Bierling auf dem Gipfel des Broad Peak (2019)

Auch ihr Buch „Ich hab ein Rad in Kathmandu“ lässt sich nicht einfach in die Kategorie „Bergbuch“ einordnen. Wer wegen des Untertitels „Mein Leben mit den Achttausendern“ erwartet, ausufernde Berichte über Billis eigene sieben Achtausender-Erfolge (Mount Everest, zweimal Manaslu, Lhotse, Makalu, Cho Oyu und Broad Peak) – drei davon ohne Flaschensauerstoff – zu lesen, könnte womöglich enttäuscht sein. Billi erwähnt sie, aber doch eher beiläufig. Mit Ausnahme ihrer Everest-Besteigung, auf die sie ausführlicher eingeht. Aber auch in diesem Kapitel verliert sie die Menschen, mit denen sie damals, im Frühjahr 2009, unterwegs war, nicht aus dem Blick.

Denn Billi geht es in ihrem Buch nicht in erster Linie um sich selbst, sondern um die vielen besonderen Menschen, denen sie bisher in ihrem abenteuerlichen Leben begegnen durfte. Und das nicht nur in den Bergen, sondern auch an Krisenherden wie den Palästinensergebieten, in Afghanistan, Pakistan oder in der Ukraine. Wenn ich für Billi wirklich eine Schublade aussuchen sollte, würde ich die mit der Aufschrift „Menschenfreundin“ wählen.

Hommage an Miss Hawley

Zu den besonderen Menschen in Billis Leben gehörte auch die legendäre Chronistin des Himalaya-Bergsteigens, Elizabeth Hawley, die Gründerin der Himalayan Database. Sie wurde zu Bierlings Mentorin. Auch die US-Amerikanerin war eine Frau mit Ecken und Kanten und ließ sich nicht in irgendwelche Schubladen stecken: Sie konnte aufbrausend sein, vereinnahmend, geradezu unverschämt offen, andererseits hatte sie aber auch ein großes Herz und einen feinen Humor.

Miss Hawley (2007, mit Ralf Dujmovits)

Billis Buch ist auch eine Hommage an Miss Hawley. Sie lässt die charismatische Chronistin, die im Januar 2018 im Alter von 94 Jahren in Kathmandu starb, wieder aufleben. Mit ihren eindrücklichen Schilderungen der zahllosen Begegnungen mit Miss Hawley hat sie auch bei mir eine Zeitreise in die Vergangenheit ausgelöst: Zweimal – 2007 und 2016 – hatte ich das Glück, der Chronistin in Kathmandu zu begegnen und sie interviewen zu dürfen. Als ich Billis Berichte über Miss Hawley las, dachte ich mehr als einmal: Ja, genau so habe ich sie damals auch erlebt.

Aber ich habe bei der Lektüre auch viel Neues erfahren. So weiß ich jetzt, wie Billis künstliche Hüfte heißt. Und endlich muss ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, ob Miss Hawley wirklich ein Techtelmechtel mit dem Everest-Erstbesteiger Sir Edmund Hillary hatte oder nicht. Mehr verrate ich nicht.

Nur widerwillig aus der Hand gelegt

Stattdessen möchte ich euch dieses spannende und sehr gut geschriebene Buch ans Herz legen. Mit Karin Steinbach hatte Billi eine erfahrene Co-Autorin an ihrer Seite, die wie Bierling selbst für sprachliche Qualität steht. Ich habe das Buch „Ich hab ein Rad in Kathmandu“ nur selten und dann widerwillig aus der Hand gelegt – um gleich bei nächster Gelegenheit mit Freude weiterzulesen. Das zeichnet für mich ein gutes Buch auch.

Schließen möchte ich mit einem Satz, der nicht in Billis Buch steht. Als ich Miss Hawley bei unserer letzten Begegnung 2016 in Kathmandu nach ihrer designierten Nachfolgerin Bierling fragte, antwortete die alte Dame: „Sie ist gut, sie ist verrückt, sie ist schnell.“ Billi passt eben in keine Schublade.

P.S.: Wer Billi live erleben will, kann im März eine ihrer Buchpräsentationen besuchen. Orte und Termine findet ihr hier.

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