Hans Wenzl nach dem Annapurna-Erfolg: „Ohne Risiko geht es nicht“

Ziel erreicht: Hans Wenzl auf der Annapurna

Im Gegensatz zu den beiden Bergsteigern, mit denen er zum Gipfel der Annapurna aufbrach, wird Hans Wenzl ohne Erfrierungen von dem Achttausender im Westen Nepals heimkehren. Wie berichtet, erreichte der 51 Jahre alte Österreicher am vergangenen Donnerstag den 8091 Meter hohen Gipfel – und kehrte auch wieder wohlbehalten ins Basislager zurück. Es war Wenzls zehnter Achttausender, den er ohne Atemmaske bestieg.

Der Italiener Giampaolo Corona und der Schwede Tim Bogdanov, mit denen sich Hans im Aufstieg zusammengeschlossen hatten, erreichten zwar ebenfalls den Gipfel, mussten im Abstieg aber per Hubschrauber aus großer Höhe gerettet werden. Hans Wenzl hat nach seiner Rückkehr ins Basislager meine Fragen beantwortet.  

Hans, wann lässt du nach deinem zehnten Achttausender-Erfolg die Sekt- oder Kronkorken fliegen?

Zum Feiern habe ich erst Lust, wenn ich wieder in Kathmandu bin. Im Basislager war mir nicht danach zumute – zumal diesmal zwei meiner Freunde noch am Berg waren und wir nicht wussten, wie es für sie ausgeht.

Wie war das für dich, dort oben auf dem Gipfel auf 8091 Metern? Was ging dir durch den Kopf?

Annapurna I

Du quälst dich Schritt für Schritt auf diesen Gipfel, besonders die letzten 200 bis 300 Meter. Wenn du dann oben bist, bist du erleichtert und freust dich. Du hat fast vier Wochen vom Basislager auf die Spitze des Berges geschaut. Nun stehst du dort oben, das ist schon etwas Besonderes. In Gedanken war ich aber auch beim Wetter, das am Nachmittag des Gipfeltags schlechter werden sollte, und beim Abstieg.

Die Annapurna gehört zu den gefährlichsten Achttausendern. Hat sie auch euch die Zähne gezeigt?

Ja. Die Annapurna ist vor allem im Mittelteil zwischen Lager 2 und 3 sehr gefährlich, dort drohen Lawinen und Serac-Abbrüche. Es kann jederzeit passieren, und es ist auch immer wieder passiert! Außerdem war der Gipfeltag sehr lang. 1100 Höhenmeter waren zu überwinden, es lag viel Schnee. Und nachmittags wurde das Wetter meistens schlechter.

Du hast mit dem Italiener Giampaolo Corona und dem Schweden Tim Bogdanov beim Aufstieg ein Trio gebildet, das ohne Flaschensauerstoff und ohne Sherpa-Begleiter unterwegs war. Wie hat sich dieses Trio ergeben?

Kein Zuckerschlecken

Wir kannten uns vorher nicht. Aber wir sind alle drei mit der Voraussetzung zum Berg gegangen, uns selbstständig hochzuarbeiten. Natürlich gelingt das in Teamarbeit leichter. Wir wählten die gleiche Taktik am Berg. So legten wir, um den Gipfeltag zu verkürzen, Lager 4 fast 300 Meter höher an als die anderen Bergsteiger, von denen die meisten mit Flaschensauerstoff unterwegs waren. Jedoch hatte jeder von uns sein eigenes Zelt.

Giampaolo Corona und Tim Bogdanov mussten schließlich aus rund 7000 Metern per Helikopter-Longline gerettet werden. Hattet ihr euch getrennt? Wie ist es dir beim Abstieg ergangen?

Giampi, Tim und ich starteten gleichzeitig gegen 1.30 Uhr Ortszeit aus unserem Lager 4. Dort oben geht jeder in seinem Tempo. Giampi und ich waren etwa drei Stunden lang gemeinsam in schnellem Tempo unterwegs. Tim blieb schon von Anfang an weiter zurück. Schließlich wurde auch Giampi langsamer. Ich schaute immer wieder zurück. Ich dachte, er hätte umgedreht. Ich ging mein relativ schnelles Tempo bis zum Gipfel, da ich wusste, dass sich die Bedingungen nachmittags verschlechterten.

Als ich wieder vom Gipfel abstieg, traf ich zunächst Tim, noch im Aufstieg. Und danach Giampi – was mir ein Rätsel war, da ich eigentlich dachte, er sei umgekehrt. Ich selbst geriet gegen etwa 16 Uhr in ein Gewitter mit Schneesturm. Ich hatte arge Probleme, mein Zelt noch zu finden. Tim und Giampi erreichten Lager 4 in dieser Nacht nicht mehr. Es war ein Glück, dass sie die Nacht überhaupt überlebt haben – und dann noch einen weiteren Tag und eine Nacht, ehe sie mit der Longline heruntergebracht wurden.

Auch in diesem Jahr waren viele zahlende Kunden an der Annapurna, die auf Flaschensauerstoff und einen persönlichen Sherpa (oder sogar mehrere) zurückgriffen. Hast du ein Problem mit einem solchen Stil?

Grundsätzlich habe ich kein Problem damit, wenn Bergsteiger mit zusätzlichem Sauerstoff und Sherpa-Hilfe unterwegs sind. Und man sollte eines nicht verschweigen: Je mehr Sherpas am Berg sind, desto größer sind die Gipfelchancen für jeden! Es stört mich nur, wenn Menschen ohne jegliche Erfahrung an Bergen plötzlich auf die Achttausender wollen und dann allein die Sherpas verantwortlich für ihren Erfolg oder Misserfolg machen. Es sollten schon Bergsteiger (!) sein, die sich einen Sherpa nehmen und zur Sauerstoffflasche greifen.

Du hast jetzt zehn Achttausender bestiegen, allesamt ohne Atemmaske. Wo ordnest du die Annapurna ein?

Aufstieg ins Ungewisse

Die Annapurna gehört sicher zu den gefährlicheren Achttausendern, die ich bisher bestiegen habe, vor allem wegen des gefährlichen Mittelteils der Route. Ein Vorteil ist die vergleichsweise geringere Höhe. So ist der Mount Everest rund 750 Meter höher, was ihn ohne Atemmaske so schwer macht.

Du bist weder Profibergsteiger noch Millionär. Wie schafft es ein Polier eines österreichischen Baukonzerns, immer wieder zu Achttausender-Expeditionen aufzubrechen?

Ich bin beruflich sehr eingespannt. So arbeite ich, wie auch heuer, noch einen Tag vor meinem Abflug und werde wenige Tage nach meiner Rückkehr wieder mit der Arbeit beginnen. Finanziell funktioniert das nur, weil ich direkt bei einem nepalesischen Expeditionsveranstalter buche und nur den geringsten Service in Anspruch nehme: keine Sherpa-Hilfe, kein Sauerstoff.

Der Kreis derer, die – wie du jetzt – zehn Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen haben, ist überschaubar. Hast du das Gefühl, dass du in der Höhenbergsteiger-Szene inzwischen anders behandelt wirst als früher?

Ob es nun der zweite oder der zehnte Achttausender ist, macht keinen so großen Unterschied, da es beim Höhenbergsteigen immer auf die jeweiligen Situationen ankommt. Wie ist das Wetter, wie ist deine persönliche Verfassung …? Natürlich bewundern dich andere Bergsteiger, wenn sie hören, dass du schon neun Achttausender gemacht hast. Ein Rezept kannst du denen nur mit deiner Taktik geben. Entscheidend ist dann aber einzig die Ausdauer am Gipfeltag. Man sollte aber auch ehrlich sein: Du erreichst den Gipfel auch nicht, ohne ein gewisses Risiko einzugehen.

In deiner Achttausender-Liste fehlen jetzt noch Kangchendzönga, Lhotse, Dhaulagiri und Shishapangma (-Hauptgipfel, am Mittelgipfel warst du ja schon mal). Auf welchen dieser vier Berge sparst du als Nächstes?

Ich wollte eigentlich heuer schon zum Kangchendzönga gehen.

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