Ich gebe zu, dass ich etwas befangen bin. Ich drücke Nancy Hansen und Ralf Dujmovits bei ihrem Gipfelversuch am 6810 Meter hohen, noch unbestiegen Biarchedi I im Karakorum vielleicht ein bisschen fester die Daumen, als ich es bei anderen Bergsteigern mache. Ich kenne Ralf, den bisher einzigen deutschen Bergsteiger, der alle 14 Achttausender bestiegen hat (bis auf den Mount Everest alle ohne Flaschensauerstoff) nun schon seit über 20 Jahren.
2005 waren wir (gemeinsam mit Gerlinde Kaltenbrunner und Hirotaka Takeuchi) auf der Nordseite des Mount Everest. 2007 begleitete ich eine von ihm geleitete kommerzielle Expedition zum Achttausender Manaslu. Nach dem verheerenden Erdbeben 2015 in Nepal sorgten wir beide gemeinsam mit Gerlinde und der Nepalhilfe Beilngries dafür, dass im Bergdorf Thulosirubari eine vom Beben zerstörte Schule für mehrere hundert Kinder und Jugendliche wieder aufgebaut wurde. All das hat uns verbunden und zu Freunden gemacht – und erklärt euch vielleicht, warum ich bei dem Abenteuer von Ralf und seiner Frau Nancy besonders mitfiebere.
Ruhiges Wetter
Gestern sind die beiden von ihrem Basislager auf 4550 Metern aus zu ihrem Gipfelversuch am Biarchedi I aufgebrochen. Trotz „miesen Wetters“ mit 40 Zentimeter Neuschnee, wie Ralf auf Instagram schrieb, hatten die beiden zuvor fünf Tage lang den schwierigen Zustieg zu dem Sechstausender erkundet, „fast schon eine Expedition für sich“, wie mir Ralf bereits vor der Abreise nach Pakistan erzählt hatte.
„Wir akklimatisierten uns bis auf eine Höhe von 5.650 Metern und fanden unsere Route zum steilwandigen Sattel, der uns den Zugang zum unbestiegenen Biarchedi I ermöglichen wird“, beschrieb der 59-Jährige ihre ersten Erfahrungen. Für ihren Gipfelversuch haben Nancy und Ralf sieben bis acht Tage einkalkuliert. Für die kommende Woche wird am Biarchedi überwiegend ruhiges Wetter mit wenig Wind und nur vereinzelten Schneeschauern erwartet.
Am benachbarten Biarchedi II haben sich legendäre Bergsteiger verewigt. Die Erstbesteigung gelang 1984 dem Polen Jerzy Kukuczka – im Alleingang. 2003 bestiegen die Topkletterer Marko Prezelj und Matic Jost aus Slowenien sowie Steve House aus den USA den 6781 Meter hohen Berg über eine neue Route zum zweiten Mal.