Sie klettern und klettern, machen einfach immer weiter. Die beiden britischen Bergsteiger Victor Saunders, 74, und Mick Fowler, 68, scheren sich nicht um ihr fortgeschrittenes Alter oder um gesundheitliche Einschränkungen. In diesem Herbst gelang ihnen im Karakorum die Erstbesteigung des 6258 Meter hohen Yawash Sar. Der entlegene Berg im Karakorum – rund 130 Kilometer Luftlinie nordöstlich des K2 – ist die höchste Erhebung des Khunjerab-Massivs, unweit der Grenze Pakistans zu China.
Vor zwei Jahren, im Herbst 2022, hatte sich ein fünfköpfiges britisches Team am Yawash Sar – wegen seiner schönen Form auch das „Matterhorn des Khunjerab“ genannt – noch die Zähne ausgebissen. Bei insgesamt drei Gipfelversuchen über die Südflanke des Bergs waren die Bergsteiger bis auf eine Höhe von maximal rund 6000 Metern gelangt. Zu brüchig war der Fels, zu groß die technischen Schwierigkeiten.
Komplexe Wand, gute Bedingungen
Fowler und Saunders gelang der Aufstieg durch die Nordwestwand. „Die Wand war komplex und wir hatten das Glück, gute Kletterbedingungen zu finden“, sagte Fowler. Bevor sie eingestiegen seien, hätten sie die Wand sehr genau mit dem Fernglas studiert, um nicht in eine Sackgasse zu geraten, so Mick. Insgesamt brauchten sie für Auf- und Abstieg zum Gipfel und zurück in ihr Basislager sieben Tage.

„Ein bemerkenswertes Merkmal des Aufstiegs war der Mangel an guten Biwakplätzen. An einer Stelle mussten wir bei starkem Wind ein äußerst unangenehmes Hängebiwak überstehen“, so Mick. Er sprach von „einer der besten Begehungen, die wir zusammen gemacht haben. Es war absolut genial!“
Drei Jahrzehnte auf getrennten Wegen
Fowler und Saunders waren bereits in den 1980er Jahren gemeinsam im Karakorum geklettert. 1987 sorgten sie für Furore, als sie am 7027 Meter hohen Spantik erstmals den 2200 Meter hohen sogenannten „Golden Pillar“, den Nordwestpfeiler, meisterten. Danach trennten sich die bergsteigerischen Wege der beiden für fast drei Jahrzehnte.
Saunders arbeitete überwiegend als Bergführer und Expeditionsleiter. Er bestieg die Seven Summits, die höchsten Berge aller Kontinente. Zwischen 2004 und 2013 erreichte Victor allein sechsmal (mit Flaschensauerstoff) den Gipfel des Mount Everest. Viermal stand er auf dem Achttausender Cho Oyu, einmal davon (1997) ohne Atemmaske. Fowler bildete lange mit Paul Ramsden ein schlagkräftiges Team. Dreimal – 2003, 2013 und 2016 – wurde das Duo für spektakuläre Erstbegehungen an Sechstausendern mit dem Piolet d’Or geehrt, dem „Oscar des Bergsteigens“.
Zweimal Diagnose Darmkrebs
2016 taten sich Fowler und Saunders wieder zusammen – für eine Erstbegehung der Nordwand des Sechstausenders Sersank im indischen Himalaya. Weitere Projekte sollten folgen, doch dann wurde bei Mick 2017 Darmkrebs diagnostiziert. Es folgte eine Chemotherapie. 2018 war der Krebs zurück. Fowler musste operiert werden und erhielt einen künstlichen Darmausgang, ein sogenanntes Stoma.
Nun ist ihm an der Seite Saunders‘ ein erstaunliches alpinistisches Comeback gelungen. Ich habe Kontakt zu den beiden aufgenommen. Victor Saunders leitet noch bis Ende des Monats eine Trekkingtour in Bhutan. Deshalb konnte nur Mick Fowler meine Fragen beantworten.
Mick, zunächst einmal Glückwunsch zu eurer tollen Erstbesteigung des Yawash Sar in Pakistan. Kannst du das Geheimnis lüften, warum ein 68-Jähriger (du) und ein 74-Jähriger (Victor) immer noch in der Lage sind, so beeindruckende Leistungen am Berg zu vollbringen?
Es gibt kein Geheimnis. Wir haben das Glück, für unser Alter einigermaßen gesund zu sein, aber ich denke, die wichtigsten Zutaten für den Erfolg sind Motivation und Willenskraft. Und natürlich ein gewisses Maß an Können. Wir verbringen viel Zeit damit, ein geeignetes Ziel auszuwählen und uns darauf zu freuen. Diese Vorfreude motiviert uns. Und wir sind beide Menschen, die ihr Bestes geben, um etwas zu schaffen, was wir uns vorgenommen haben. Ich nehme an, es hilft auch, dass wir seit über 40 Jahren an solchen Ziele klettern. Wir wissen in der Regel sehr gut, was wir können, und sind uns einig, wann wir weitermachen oder uns zurückziehen sollten.
Wie viel bei eurer Erstbesteigung war Spaß, wie viel Qual?
Wir hatten hauptsächlich viel Spaß. Wir hatten das Glück, dass die Bedingungen oberhalb des Bergschrunds hervorragend waren und das Klettern wirklich Spaß gemacht hat. Ich fand es eher eine Qual, auf dem Gletscher zum Bergschrund zu waten, aber Victor scheint so etwas zu mögen. Wir hatten ein Sitz-/Hängebiwak, das zu den unbequemsten gehörte, die wir je hatten.

Aber im Nachhinein kann man eine solche Erfahrung in einem besseren Licht sehen und daraus sogar ein gewisses Vergnügen ableiten. Wir lachen heute noch über unsere Mätzchen, mit denen wir versuchten, die Unannehmlichkeiten dieser Nacht zu lindern.
Habt ihr euch eine Altersgrenze für eure extremen Touren gesetzt?
Nein. Wir werden weiterhin unser Bestes tun, um geeignete Ziele auszuwählen und zu klettern, solange wir dazu in der Lage sind.
Du kletterst seit deiner Darmkrebserkrankung mit einem Kolostomiebeutel. Wie sehr behindert dich das – vor allem in steilen Wänden bei eisigen Temperaturen?
Das Hauptproblem, das ich habe, ist, dass die Chirurgen das meiste Fett aus meinem Gesäß entfernt haben, um das Loch zu füllen, wo mein Anus war. Das bedeutet, dass ich so gut wie keine Polsterung im Gesäßbereich habe, was das Biwakieren im Sitzen sehr unangenehm macht. Der Kolostomiebeutel selbst ist kein Problem, wenn alles gut läuft. Aber mein Gurt sitzt direkt über meinem Stoma, und es kommt unweigerlich zu Unfällen, wenn ich viel Stuhlgang habe und der Beutel aus irgendeinem Grund nicht gewechselt werden kann – in der Regel wegen schlechten Wetters oder anhaltender Schwierigkeiten. Hinzu kommt, dass ich viele Kolostomiebeutel mit mir herumtragen muss, weil ich nicht will, dass sie mir ausgehen. Außerdem funktioniert der Kleber bei sehr kalten Temperaturen nicht so gut, was zu Problemen führen kann.
Es wird viel über den zunehmend schlechten Kletterstil auf den höchsten Bergen der Welt gesprochen – Stichwort: Fixseile bis zum Gipfel bei den kommerziellen Expeditionen. Wie stehst du dazu?

Ich habe dazu eigentlich keine starke Meinung. Wenn die Leute auf diese Weise auf den Gipfel kommen wollen, dann ist das ihre Sache. Es ist nur schade, dass solche Expeditionen bestimmte Routen mit Seilen und Schlimmerem verstopfen. Das sieht für mich alles sehr unangenehm und gefährlich aus. Und ich kann nicht verstehen, wie man das überhaupt als Klettern bezeichnen kann. Aber es ist ja auch schön, dass wir alle verschieden sind.
Da kann man nur den Hut ziehen!
Wie Mick Fowler sich von seiner Krankheit nicht unterkriegen lässt, ist wirklich erstaunlich.
Ich wünsche den beiden Oldies noch viele wunderbare Touren.