Verdruss über den Stilverfall an den Achttausendern

Manaslu
Der Manaslu, der achthöchste Berg der Welt

Jordi Tosas hat die Nase gestrichen voll von dem, was aktuell an den Achttausender abläuft. „China hat für alle Aufstiege die Verwendung von Sauerstoff und Fixseilen vorgeschrieben. Sie verbieten Besteigungen im Alpinstil und im Alleingang. Pakistan wird die Preise für Genehmigungen verdreifachen. Nepal hat die Bergaufsicht bereits in eine Mafia verwandelt“, schreibt der 56 Jahre alte spanische Spitzenbergsteiger in den sozialen Medien. „Nur ein Stil! Scheiß auf das System!“

Es wirkt wie ein Stoßseufzer angesichts der nun einlaufenden ersten Erfolgsmeldungen der Herbstsaison an den Achttausendern in Nepal und Tibet. Nachdem am Manaslu die Fixseile bis zum Gipfel gelegt sind, wurden auch die ersten zahlenden Kunden auf den Gipfel auf 8163 Metern geführt. Die kommerziellen Teams beherrschen die Schlagzeilen. Die Schweizer Bergführerin Josette Valloton  komplettierte – mit Flaschensauerstoff – ihre Sammlung der 14 Achttausender. Der US-Amerikaner Tyler Andrews „rannte“ auf präparierter Piste in weniger als zehn Stunden vom Basislager zum Gipfel – ohne Flaschensauerstoff.

Wiederholung der Magic Line am K2

Jordi Tosas
Jordi Tosas

Jordi Tosas ist mit allen Himalaya- und Karakorum-Wassern gewaschen. 2004 gehörte er zum spanischen Team, dem am K 2 die erste Wiederholung der 1986 erstbegangenen „Magic Line“ über den Südsüdwestgrat gelang, einer der schwierigsten Routen am zweithöchsten Berg der Erde. Später eröffnete Tosas unter anderem neue Routen an den Siebentausendern Palung Ri (2006) und Jannu (2007) sowie in der Nordwand des Achttausenderes Cho Oyu (2011), jeweils im Alleingang. Im Sommer 2021 wollte er auch am K2, mit dem Briten Rick Allen und dem Österreicher Stefan Keck, auf einem neuen Aufstiegsweg zum Gipfel. Der Versuch endet tragisch: Allen wurde von einer Lawine erfasst und starb .

Regeln in Tibet gelten bereits seit Anfang 2020

Tosas verteufelt nicht das kommerzielle Bergsteigen allgemein. Schließlich verdient er selbst sein Geld als Bergführer. Was er anprangert, sind die bürokratischen und finanziellen Hürden, die es ambitionierten Bergsteiger immer schwieriger machen, Projekte an den Achttausendern zu realisieren.

Nordseite des Mount Everest
Tibetische Nordseite des Mount Everest (im Frühjahr 2005)

Dass die chinesisch-tibetischen Behörden Flaschensauerstoff ab einer Höhe von 7000 Metern vorschreiben und Solo-Besteigungen untersagen, ist allerdings nicht neu. Teams müssen aus mindestens vier Mitgliedern bestehen. Diese Regeln wurden bereits Ende 2019 – vor dem Beginn der Corona-Pandemie – beschlossen und verkündet. Und es ist auch kein Geheimnis, dass in Nepal die Praxis der Behörden im Umgang mit dem Bergsteigen, um es vorsichtig zu formulieren, diskussionswürdig ist.

An Nepal und Tibet ein Beispiel genommen

Neu ist jedoch, dass mit Pakistan nun auch der dritte Staat, auf dessen Territorium Achttausender liegen, kräftig an der Preisschraube dreht. Die Regionalregierung der Provinz Gilgit-Baltistan beschloss vor zwei Wochen neue Gebühren für Bergsteiger und Trekkingtouristen im Karakorum. Danach werden künftig für eine Besteigung des 8611 Meter hohen K2 in der Sommersaison 5000 US-Dollar pro ausländischem Bergsteiger fällig.

K2
Der 8611 Meter hohe K2 im Karakorum (im Sommer 2004)

Bisher hatten die pakistanischen Behörden für ein siebenköpfiges Team 12.000 Dollar verlangt (plus 3000 Dollar für jedes weitere Mitglied). Für ein Team in dieser Größe steigt der Preis nun auf 35.000 Dollar (7×5000 Dollar), das fast Dreifache der bisherigen Summe. Letzteres gilt auch für die vier anderen Achttausender Pakistans. Hier ebenfalls die Modellrechnung für ein siebenköpfiges Team: Statt der bisher fälligen 9500 Dollar pro Team kostet es nun im Sommer 4000 Dollar pro Bergsteiger, macht 28.000 Dollar für die gesamte Mannschaft.

Wahrscheinlich haben sich die Behörden in Pakistan ein Beispiel an jenen in Tibet und Nepal genommen, die bereits seit Jahren sehr gut am Bergsteigen verdienen. Verglichen mit den Achttausendern dort sind die höchsten Berge im Karakorum – trotz der massiven Preiserhöhung – immer noch geradezu „Schnäppchen“: Das Permit für den Mount Everest kostet in Nepal bereits seit 2015 11.000 Dollar pro ausländischem Bergsteiger, im kommenden Jahr soll der Preis auf 15.000 Dollar steigen. Nach aktuellem Stand macht das für ein siebenköpfiges Team 77.000 Dollar, ab 2025 voraussichtlich 105.000 Dollar. Für den Aufstieg über die tibetische Seite des Everest werden schon seit 2020 pro Bergsteiger 15.800 Dollar verlangt. Im Preis enthalten sind allerdings – im Gegensatz zu Nepal – Hotelübernachtungen und Materialtransport.

Wie man den Massen entkommen kann

Auch wenn der Prozess schon seit Jahren andauert, liegt Jordi Tosas mit seiner Kritik nicht falsch. Für ambitionierte Alpinisten wird es immer teurer, ihre Projekte in die Tat umzusetzen – und wegen zunehmender Gängelung durch die Behörden in Tibet, Nepal und Pakistan auch immer schwieriger. In der Folge setzt sich an den Achttausendern ein Stil immer mehr durch: der kommerzielle. Denn nur mit ihm lässt sich richtig Geld scheffeln.

Die einzige Chance, den Massen zu entkommen, besteht für ambitionierte Alpinisten darin, sich niedrigere Berge auszusuchen oder die Achttausender azyklisch anzusteuern. So ist das Everest-Permit im Herbst in Nepal nur halb so teuer – und der Berg verwaist. Bislang (Stand: 16. September) hat das Tourismusministerium in Nepal für diese Saison noch kein einziges Permit für den höchsten Berg der Erde ausgestellt.

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