Wann ist man in Nepal ein Bergführer?

Nepalesische Südseite des Everest
Nepalesische Südseite des Mount Everest

„Wir fühlen uns wirklich schlecht“, schreibt mir Vinayak Jay Malla und meint sich selbst und jene rund 60 Nepalesen, die nach einer langen Ausbildung ein internationales Bergführer-Zertifikat erhalten haben. Trotz ihrer Qualifikation müssen sie jetzt, kurz vor Beginn der Frühjahrssaison am Mount Everest und den anderen hohen Bergen Nepals, beim Tourismusministerium in Kathmandu eine Bergführerlizenz beantragen. Hintergrund: Die Regierung hat verfügt, dass jede Expedition an einem Berg in Nepal einen Bergführer anheuern muss. Nur wer eine der neuen staatliche Lizenzen hat, wird anerkannt. Das internationale Zertifikat gilt nicht automatisch als Nachweis. Ein Unding, schimpft Ang Norbu Sherpa, Präsident des nepalesischen Bergführerverbands NNMGA, der die Zertifikate vergibt.

Mehrjährige Ausbildung zum international anerkannten Bergführer

In Nepal gibt es nach Schätzungen mindestens rund 2000 Menschen, die sich selbst als Bergführer bezeichnen – viele von ihnen jedoch, ohne jemals eine entsprechende Ausbildung erhalten zu haben. Seit 2005 kämpft die NNMGA gegen diesen Wildwuchs, der auch für viele Todesfälle am Mount Everest mitverantwortlich gemacht wird: Gerade Billiganbieter von Everest-Expeditionen schicken schlecht oder gar nicht ausgebildete „Guides“ auf den Berg.

Ausbildungslehrgang der NNMGA

Die NNMGA entwickelte ein Ausbildungsprogramm, das vom Bergführer-Weltverband IFMGA anerkannt wird. Wer vier Sechstausender bestiegen und an einer 7000er-Expedition teilgenommen hat, muss einen Bergsteiger-Basiskurs und anschließend einen Fortgeschrittenen-Kurs besuchen. Anschließend folgt die Aufnahmeprüfung für den Bergführer-Lehrgang, der verteilt auf zehn Monate drei mehrwöchige Kurse beinhaltet. Zwei weitere Jahre lang müssen die Aspiranten dann Bergerfahrung sammeln, ehe sie die Chance auf das international gültige Zertifikat erhalten.

Ein sogenanntes „Brückenprogramm“ gibt es für Quereinsteiger, die bereits drei Achttausender und zwei Siebentausender (dazu zählt die NNMGA auch die 6814 Meter hohe Ama Dablam) bestiegen haben: Sie können direkt zur Aufnahmeprüfung für den Bergführer-Lehrgang antreten. Rund 60 Nepalesen haben sich durch die lange Ausbildung gebissen und am Ende ein internationales Zertifikat erhalten, darunter Dawa Yangzum Sherpa 2018 als bisher einzige Frau.

Rotes Buch als Freifahrtschein

Vinayak Jay Malla
Vinayak Jay Malla

Im selben Jahr schloss auch Vinayak Jay Malla die anspruchsvolle Ausbildung ab, inzwischen ist er auch Ausbilder. Sein Frust entzündet sich nicht nur an der fehlenden Wertschätzung seines Zertifikats, sondern auch daran, dass die Regierung allen Antragstellern mit einem sogenannten „Roten Buch“ des nepalesischen Bergsteigerverbands NMA eine Lizenz erteilen will. „Hätte ich mir vor sechs Jahren mit der Empfehlung meiner Agentur ein einfach zu erhaltendes schwarzes Buch unters Kissen gelegt, hätte ich mich bequem zurücklegen können“, schreibt der 32-Jährige auf Facebook. „Jetzt wäre es ein rotes Buch und ich dürfte mich einen echten Bergführer nennen.“

Expeditionsmitarbeiter können sich auf Empfehlung eines Veranstalters von der NMA ein schwarzes Buch als „support climber“ (unterstützender Kletterer) ausstellen lassen, erklärt mir Vinayak. Wenn man es drei Jahre lang gegen eine geringe Gebühr verlängern lässt, wird es automatisch zu einem blauen Buch, und der Status ändert sich in „senior support climber“ (leitender unterstützender Kletterer). Drei weitere Jahre später wird das blaue Buch dann zum roten, und der Kletterer steigt zum „sirdar“ (Chef der Climbing Sherpas) auf – „ohne Prüfung und ohne verpflichtend in die Berge gehen zu müssen“, sagt Malla. „Die NMA verteilt das rote Buch auf der Basis einiger zeitlicher Prozesse anstatt darauf zu achten, ob sie (die Bergführer) ausgiebig ausgebildet wurden und die nötigen Fertigkeiten und Qualifikationen haben“, kritisiert auch NNMGA-Präsident Ang Norbu Sherpa.

„Keine Ahnung vom Bergsteigen“

Mingma Gyalje Sherpa

Mingma Gyalje Sherpa ist neben Dawa Temba Sherpa und Pemchhiri Sherpa einer von drei Wintererstbesteigern des K2, die ein internationales Bergführerzertifikat haben. Mingma kann über die Regierung wieder einmal nur den Kopf schütteln. „Ich habe wirklich genug von diesen Regeln“, schreibt mir der 34 Jahre alte Chef des Expeditionsveranstalters Imagine Nepal. „Das Tourismusministerium wird von Leuten geleitet, die weder Ahnung vom Bergsteigen haben noch davon, wie man die Zukunft plant.“

Update 1. April: Der Supreme Court, das höchste Gericht Nepals, hat die Ausgabe der Bergführer-Zertifikate durch die NMA vorerst gestoppt. 43 Personen hatten gegen den Vorstoß des Tourismusministeriums geklagt.

3 Antworten auf „Wann ist man in Nepal ein Bergführer?“

  1. Das ist, denke ich, wirklich eine schlechte Entwicklung. Ich kenne einige der „echten“ Bergführer in Nepal und auch einige ihrer Ausbilder in Österreich. Das sind wirklich Bergführer mit einem sehr, sehr hohen Standard. Ein durchschnittlicher Kunde wird den Unterschied zwischen „Guide“ und „UIAGM Mountain Guide“ nicht kennen (und kann ihn letztlich auch nicht kennen), was in manchen Fällen einem fälschlich suggerierten Sicherheitsgefühl wahrscheinlich Tür und Tor öffnen wird. Ich bin selbst kein Bergführer – aber ist das nicht eine Situation, unter der auch in unseren Bergen die UIAGM Bergführer mitunter leiden ?

    1. In unseren Bergen achten die zertifizierten Bergführer meiner Erfahrung nach sehr genau darauf, dass sich niemand Bergführer nennt, der eigentlich keiner ist.

      1. Der Begriff „Bergführer“ ist im Gegensatz zu „staatl. geprüfter Berg- und Skiführer“ nicht geschützt, was bedeutet, dass mit einer anderen Qualifikation, die nicht unbedingt gleichwertig sein muss, durchaus geworben werden kann.

Kommentare sind geschlossen.

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