Anja Blacha nach ihrem Gipfelerfolg am Nanga Parbat: „Emotional bewegender Abstieg“

Anja Blacha

Anja Blacha ist Superwomen“, sagte Wladimir Klitschko vor drei Jahren in seinem Videoblog „Klitschkos Corner“ . Nicht nur der frühere Profi-Boxweltmeister aus der Ukraine war von der deutschen Abenteurerin schwer beeindruckt. Zur Jahreswende 2019/2020 war Anja Blacha mit Skiern – solo und ohne Unterstützung – 1381 Kilometer weit vom Rand der Antarktis bis zum Südpol gewandert. 2019 war sie die erste deutsche Frau, die den Gipfel des K2 erreichte, des zweithöchsten Bergs der Erde. Sie verzichtete dabei auf Flaschensauerstoff. Im selben Sommer stand sie, ebenfalls ohne Atemmaske, auf dem benachbarten Achttausender Broad Peak. Den Mount Everest hat sie – mit zusätzlichem Sauerstoff – sowohl von der tibetischen Nordseite (2017) als auch von der nepalesischen Südseite (2021) aus bestiegen. Bereits 2017 hatte sie ihre Sammlung der „Seven Summits“ komplettiert, der höchsten Berge aller Kontinente.

Am 2. Juli stand Anja nun – wie berichtet – auf dem 8125 Meter hohen Gipfel des Nanga Parbat in Pakistan – ohne Flaschensauerstoff und ohne Sherpa-Begleiter, wie der nepalesische Expeditionsanbieter Seven Summit Treks verkündete. Von einer Solo-Besteigung zu reden, wäre jedoch falsch. Auch die 33 Jahre alte Deutsche nutzte die vorher auf der Normalroute gelegten Fixseile. Nach ihrem Gipfelerfolg habe ich Anja fünf Fragen geschickt. Hier sind ihre Antworten:

Anja, zunächst einmal einen herzlichen Glückwunsch zu deiner Besteigung des Nanga Parbat. Wie waren die Bedingungen am Gipfeltag?

Nanga Parbat
Nanga Parbat

Vielen Dank, Stefan. Wir hatten beste Bedingungen – nicht nur am 2. Juli, sondern auch den Tag davor und danach, was uns viel Zeit und Flexibilität geschenkt hat: kaum Wind, normale Temperaturen, eine großteils klare Gipfelnacht. Minimale Mankos: In der Gipfelregion war es kurzzeitig recht windig, und Schneeverwehungen entlang der Route führten dazu, dass man oft schon nach kurzem Abstand zu den Vorangehenden neu spuren musste, weil die Schritte überdeckt wurden.

Du warst ohne Flaschensauerstoff und ohne Sherpa-Begleiter unterwegs. Wie hast du dich körperlich und seelisch gefühlt?

Ich habe mich insgesamt gut gefühlt. Die hervorragenden Bedingungen haben mir erlaubt, trotz geringer Akklimatisierungszeit in guter Verfassung den Gipfeltag zu meistern.

Der Abstieg hat mich jedoch emotional sehr bewegt. Von den drei Bergsteigern, die zeitgleich mit mir am Gipfel standen, waren zwei beim Abstieg in sehr schlechter Verfassung. Einer meisterte seinen Abstieg bis Lager 4 noch alleine, der andere war so höhenkrank, dass ich ihn bis in den Abend beim Abstieg begleitet habe. Der dritte Bergsteiger setzte seinen Abstieg fort und hinterliess mir lediglich den Rest seines Wassers, welches ich dem sehr höhenkranken Bergsteiger in regelmässigen Abständen gab.

Anstatt Hilfe kam auf dem Abstieg dann noch ein weiterer Bergsteiger hinzu, der ebenfalls höhenkrank war und dessen begleitender „Guide“ schon praktisch voll damit ausgelastet war, auf sich selbst zu schauen. Erst spät am Abend nahmen andere Bergsteiger die Rettung auf; ich bin zu diesem Zeitpunkt bereits für mich abgestiegen. Für einen der Bergsteiger (den Pole Pawel Kopec) sollte die Rettung leider nicht reichen. Er verstarb in Lager 4.

Am Gipfeltag waren außer dir auch noch rund 50 andere Bergsteigerinnen und Bergsteiger am höchsten Punkt. Solche Zahlen sind für den Nanga Parbat eher ungewöhnlich. Hast du von den anderen etwas mitbekommen?

Anja Blacha in der Kinshofer-Wand am Nanga Parbat
Anja in der Kinshofer-Wand

Wir hatten uns im Voraus teamübergreifend abgesprochen. Gerade auf den oberen Höhenlagen kann eine kritische Menge an Bergsteigern hilfreich sein. Auffällig für mich war die enorme Variation in der Eigenleistung der Bergsteiger. Aufstieg mit Flaschensauerstoff bedeutet für die einen, auf einen minimalen Durchfluss von 0,5 Liter pro Minute am Gipfeltag zu gehen. Für andere bedeutet es, fünf Flaschen Sauerstoff einer Höhe von 6000 Metern zu verwenden.

Sherpa-Support heisst für manche, dass sie sich schlicht Zelt und Aufstiegszeit teilen. Für andere dagegen bedeutet es, dass sie drei Lastenträger bei sich haben, die ihnen dann noch auf dem Weg erstmals erklären, wie sie Steilpassagen wie die Kinshofer-Wand erklimmen. Problematisch sind meines Erachtens jedoch nur jene Bergsteiger gewesen, die zugleich unwissend und ohne Unterstützung unterwegs waren.

Du warst auch schon ohne Atemmaske auf dem K2 und dem Broad Peak sowie zweimal mit Flaschensauerstoff auf dem Everest. Wie ordnest du den Nanga Parbat ein?

Hochlager am Nanga Parbat
Hochlager am Nanga Parbat

Der Nanga Parbat zeichnet sich im Vergleich vor allem durch die lange Distanz vom Basislager bis zum Gipfel aus. Große Teile der Route sind dabei steil und ausgesetzt. Gerade im unteren Bereich bis 6000 Meter Höhe hat sich das schnelle Abschmelzen des Schnees und die damit zunehmende Gefährdung durch Steinschlag sehr viel deutlicher bemerkbar gemacht.

Dadurch, dass entscheidende Teile der Route auf dem Nanga Parbat mit Fixseilen versichert wurden, fand ich die höhere technische Schwierigkeit, die der Berg im Vergleich hat, nicht mehr entscheidend. Viele der Bergsteiger, mit denen ich diese Saison gesprochen habe, sagen dennoch, für sie sei es der technisch anspruchsvollste Achttausender gewesen. Von Vorteil fand ich die deutlich geringere Zeit, die ich auf dem Weg zum Gipfel auf über 8000 Metern verbringen musste.

Es ist in Mode gekommen, möglichst viele Achttausender in möglichst kurzer Zeit „abzuhaken“. Wie stehst du zu diesem Trend?

Es macht Sinn. Schon seit einigen Jahren ist es üblich, dass ein schlagkräftiges Team von zumeist Sherpas die Route einrichtet und das Gros der Bergsteiger der versicherten Route folgt. Eine Aneinanderreihung von Bergen spart den Bergsteigern viel Zeit und verringert das Risiko mehrfacher Auf- und Abstiege. Am Nanga Parbat waren viele der Bergsteiger überhaupt nur zum Gipfelanstieg aufgebrochen, da sie von der Nepal-Saison noch ausreichend vorakklimatisiert waren und zudem Flaschensauerstoff verwendeten.

Sonnenaufgang im oberen Bereich des Nanga Parbat
Sonnenaufgang im oberen Bereich des Nanga Parbat

Die Eigenleistung pro Bergbesteigung wird dadurch nicht signifikant verändert, da diese ohnehin vornehmlich beim Team liegt, das die Route sichert. Was hingegen verringert wird, ist das Erleben der Expeditionswelt und des jeweiligen Bergs – Gipfelerfolge und Rekorde übernehmen die Priorität: für manche vorübergehend, bis zum Abschluss ihres Projekts, nach dem sie tiefer einsteigen wollen, für andere singulär, als einziges Ziel.

Einzig für jene, die nur einen Berg besteigen wollen und dann noch ohne Flaschensauerstoff, wird es durch diesen Trend schwieriger, da ihnen weniger Zeit bleibt, um innerhalb der Infrastruktur und Sicherheit der weiteren Teams ihren Anstieg zu meistern.

Update 18. Juli: Nach Angaben des Expeditionsveranstalters Seven Summit Treks hat Anja Blacha heute auch den Gasherbrum I bestiegen. Weitere Informationen fehlen noch.

Update 28. Juli: Anja Blacha informiert mich, dass sie am 18. Juli den Gipfel des Gasherbrum II (8034 Meter) und am 21. Juli den höchsten Punkt des Gasherbrum I (8080 Meter) erreichte habe: „Wie einige andere auch, bin ich dazwischen nur bis Lager 1 abgestiegen, nicht ins Basislager, um das Wetterfenster zu nutzen und mir einen zweiten eher heiklen Auf- und Abstieg durch den Eisbruch zu sparen.“

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