„Unterhaltsam“ – so fasste meine Frau die Netflix-Dokumentation über Nirmal Purjas „Project Possible“ zusammen, als die 101 Minuten vorüber waren. Und ich fand, sie lag damit richtig. Die Filmsequenzen von den 14 höchsten Bergen der Welt, die der Nepalese 2019 innerhalb von nur sechs Monaten und sechs Tagen bestieg, sind teilweise wirklich atemberaubend. Und auch die Geschichte, die erzählt wird, hat ja durchaus ein großes Unterhaltungspotential: Allen meteorologischen, finanziellen, politischen und sonstigen Widerständen zum Trotz zieht der ehemalige Soldat des britischen Gurkha-Regiments sein Ding durch und schließt am Ende das zu Beginn vollkommen verrückt klingende Projekt erfolgreich ab.
Dramatische Momente gibt es auch zur Genüge. Da retten „Nims“ und Co. nach ihrer erfolgreichen Besteigung der Annapurna einen höhenkranken Bergsteiger aus großer Höhe (warum wird verschwiegen, dass er wenige Tage später verstarb?). Am Kangchendzönga leidet Purja angeblich an einem Höhenhirnödem (wie konnte er dann eine Woche später den Everest besteigen?), halluziniert und sieht einen Yeti. Am Nanga Parbat rutscht er nach eigenen Worten rund hundert Meter ab und kann sich gerade noch an einem alten Seil festhalten und vor dem Absturz retten.
Superhelden-Sprüche
Purja – so die Botschaft, die sich durch den Film zieht – lässt sich eben durch nichts und niemanden bremsen. Sein Credo wird verkündet, als er auf den letzten Metern zum Gipfel des Nanga Parbat zu sehen ist: „Der Berg sagt nicht, dass du schwarz bist oder weiß. Du bist schwach oder stark. Es gibt eine Regel für alle: Wenn du aufgibst, stirbst du.“ Solche Superhelden-Sprüche gibt es reichlich im Film. Und wenn sogar Altmeister Reinhold Messner am Ende erklärt, Nims habe ein „einmaliges Statement in der Geschichte des Bergsteigens“ gesetzt, wagt man ja kaum noch, etwas Kritisches zu diesem Film zu schreiben.
Gleich zu Beginn macht Purja klar, dass er sein Projekt nicht erfolgreich hätte umsetzen können, wenn er nicht so ein starkes Team um sich gehabt hätte: Mingma David Sherpa, Gelje Sherpa, Lakpa Dendi Sherpa und Gesman Sherpa. Und er hat auch mit vielem anderen recht, etwa, wenn er von der Unsitte redet, dass sich Kunden kommerzieller Expeditionen nur bei ihrem Sherpa bedanken, ohne ihn mit seinem Namen zu nennen. Oder dass der Hype um das „Project Possible“ noch viel größer gewesen wäre, hätte sich ein westlicher Bergsteiger daran versucht.
Es gibt auch ein anderes Bergsteigen
Anderes bleibt dagegen ungesagt. Etwa, dass der vorherige Rekordhalter – der Südkoreaner Kim Chang-ho hatte sieben Jahre, zehn Monate und sechs Tage benötigt – im Gegensatz zu Purja alle Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen hatte und ohne sich mit dem Hubschrauber von Basislager zu Basislager fliegen zu lassen. Oder dass es auch ein anderes Bergsteigen gibt als das an Fixseilen auf den Normalrouten der Achttausender.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Purja ist am Berg bärenstark, und seine Leistung war außergewöhnlich. Auch die wichtige Rolle der nepalesischen Bergsteiger im Himalaya kann gar nicht groß genug herausgestrichen werden. Dennoch wiederhole ich, was ich schon vor zwei Jahren geschrieben habe: Nims und Co. haben gezeigt, was mit Flaschensauerstoff und einem starken Team auf den Normalrouten möglich ist – und natürlich mit jeder Menge Entschlossenheit. Den Alpinismus weitergebracht hat das Projekt nicht.
Im Film wird Nirmal Purja ohne viele Nuancen als Bergheld und Anführer gefeiert. Das ist nicht verwerflich, auch viele andere Profibergsteiger lassen sich auf diese Weise vermarkten. Und doch ist „14 Gipfel“ deswegen über weite Strecken eher ein Imagefilm als eine Dokumentation – sehr gut gemacht, spannend erzählt und, wie gesagt, sehr unterhaltsam.
Ach ja, und am Ende noch ein kleiner Dank an den britischen Regisseur Torquil Jones, denn mein Blog kommt auch für einige Sekunden vor: Nach 1:28:30 Stunden wird mein „Offener Brief in Sachen Nims und Shishapangma“ kurz eingeblendet. Darin bat ich die Chinesen um Großherzigkeit, damit Purja sein Projekt vollenden konnte. Ob es der Zensor in Peking damals gelesen hat?
Klar hat Nims immer eine Spruch auf der Lippe, auch manchmal ziemlich abgehoben. Aber, und das ist ein großes ABER, er ist eine Maschine am Berg. Kein brillianter Techniker, aber eine Maschine, er spurt im 1m tiefen Schnee voraus und dennoch ist es unmöglich mit ihm mitzuhalten. Ich weiss wovon ich rede, wir waren zusammen 2019 am Gipfel K2.
Sehr guter Kommentar und ich gebe Nims Dai schon Recht, dass die Kunden meistens sagen „mein Sherpa“ was sehr schade ist….aber man darf auch nicht vergessen, dass die Sherpa oft den Namen ihrer Kunden nicht kennen und sagen „my client“ ;-).