Graham Zimmerman: „Klimawandel macht hartes Klettern noch schwieriger“

Graham Zimmerman
Graham Zimmerman

Der Klimawandel macht auch Topbergsteigern immer häufiger einen Strich durch die Rechnung: Starke Niederschläge zu Zeiten, in denen es früher trocken war, hohe Temperaturen, wo man einst fror, Steinschlag und Lawinenabgänge. Graham Zimmerman gehörte zu jenen, die deswegen im vergangenen Sommer mit leeren Händen aus dem Karakorum zurückkehrten.

Zimmerman ist US-Amerikaner und Neuseeländer: Er wurde in Wellington geboren, seine amerikanischen Eltern kehrten in die USA zurück, als er vier Jahre alt war, Zimmerman studierte später in Neuseeland und lebt heute in Bend im US-Bundesstaat Oregon.

Der 35-Jährige gehört zu den besten Alpinisten der Welt. 2014 wurde er für seine neue Route über den Nordostpfeiler des Mount Laurens in Alaska (gemeinsam mit Mark allen) für den Piolet d’Or nominiert, 2020 erhielt er den „Oscar der Bergsteiger“ (gemeinsam mit Steve Swenson, Chris Wright und Mark Richey) für die Erstbesteigung des Siebentausenders Link Sar im Karakorum. Zimmermans Film über die Pioniertat im Sommer 2019 ist gerade erschienen (s. Video unten).

Graham hat meine Fragen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf das Bergsteigen an den höchsten Bergen der Welt antwortet.

Graham, im vergangenen Sommer hast du mit Ian Welstedt versucht, über eine neue Variante der Westgrat-Route den K2 zu besteigen, den zweithöchsten Berg der Welt. Auf 7000 Metern war Schluss, wegen der klimabedingten Verhältnisse am Berg. Wie genau sahen diese aus?

Am K2-Westgrat
Am K2-Westgrat

Auf rund 7000 Metern ging die Route von einem gut ausgeprägten Gratkamm in eine Reihe von Pfeilern über, die von Rinnen durchzogen waren. Dort mussten wir eine Entscheidung fällen, weil wir nicht einfach weiter über den Grat klettern konnten und die Gefahr, die von oben drohte, drastisch zunahm.

Normalerweise hat mich meine Erfahrung gelehrt, dass die Tagestemperaturen oberhalb von 6500 Metern so niedrig sind, dass du tagsüber sicher klettern kannst. Aber an dieser Schlüsselstelle auf 7000 Metern hatten wir eine Temperatur von plus 14 Grad Celsius im Schatten.

Dies führte zu massiven Abgängen (sowohl Steinschlag als auch Nassschneelawinen), die rund um unseren kleinen sicheren Platz auf dem Grat den Berg hinunterdonnerten. Da noch wärmeres Wetter vorhergesagt war, fiel uns die Entscheidung zu verschwinden leicht.

Du warst zuvor schon mehrfach in der Sommersaison im Karakorum, hast etwa 2015 am Siebentausender K6 eine neue Route eröffnet oder gehörtest auch 2019 zu den Erstbesteigern des Siebentausenders Link Sar. Ist das Wetter im Karakorum nach deinen Erfahrungen unberechenbarer geworden?

Ich klettere dort seit sieben, acht Jahren, das ist also nur eine kleine Stichprobe. Doch Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es in diesem Gebirge wärmer wird und dass ein stärkerer Monsun für ein weniger vorhersehbares Wetter sorgt. Natürlich steht dies alles in direktem Zusammenhang mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel. Meine Erfahrungen in dem Gebirge bestätigen diese Erkenntnisse anekdotisch.  

Auf ausgetretenen Pfaden hohe Berge zu besteigen, ist nicht dein Ding. Du versuchst dich in sauberem Stil an unbestiegenen Bergen und neuen, anspruchsvollen Routen. Sind solche ambitionierten Projekte in Zeiten des Klimawandels noch schwieriger geworden?

K2-Westgrat - Mit Socken in der Sonne
Mit Socken in der Sonne

Das ist eine interessante Frage, und die Antwort lautet sicherlich ja. Schließlich kommt es bei Versuchen von Erstbegehungen an hohen Bergen zu einem großen Teil darauf an, zu verstehen, was man kontrollieren kann und was nicht. Weil (wegen des Klimawandels und der damit verbundenen geopolitischen Auswirkungen) immer mehr außer Kontrolle gerät, wird es schwieriger. Aber gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, uns der Herausforderung zu stellen. Im Gegenzug kommen wir mit Geschichten nach Hause, die wir nutzen können, um den politischen Wandel voranzutreiben, der notwendig ist, um diese Probleme anzugehen.

Welche Konsequenzen ziehst du aus dem Scheitern am K2? War es das für dich mit den Achttausendern?

Das ist eine schwierige Frage. Ich habe mich noch nicht für mein nächstes Ziel entschieden, aber das harte Klettern an hohen Bergen inspiriert mich nach wie vor sehr.

Du bezeichnest dich auf deiner Internetseite und auch auf den sozialen Netzwerken als „Anwalt des Klimas“. Welchen Rat gibst du als solcher den Bergsteigern?

K2
Der 8611 Meter hohe K2 im Karakorum (2004)

Als Bergsteiger sind wir in den hoch gelegenen Teilen der Welt unterwegs, in den hohen geographischen Breiten. Das sind die Teile unseres Planeten, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind. Sie sind die „Kanarienvögel in der Kohlenmine“, wenn man so will. Wir sollten also aufmerksam sein und unsere Geschichten als Werkzeuge einsetzen, um den Systemwandel voranzutreiben, den wir brauchen, um unsere Kohlenstoffemissionen in den Griff zu bekommen.

Ich für meinen Teil arbeite mit der Organisation „Protect Our Winters“ zusammen, um diesen Systemwandel voranzubringen.

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