Die Welt entwickelt sich immer mehr in Richtung Gletscher-Friedhof. Wissenschaftler aus 35 Forschungsteams ermittelten in einer Ende Februar veröffentlichten Studie, dass die Gletscher weltweit seit dem Jahr 2000 im Schnitt pro Jahr 273 Milliarden Tonnen Eis verloren hätten. In den letzten zehn sei ein „alarmierender Anstieg“ zu verzeichnen.
Michael Zemp, einer der Co-Leiter der Studie, ordnete die Zahl ein. „Die 273 Milliarden Tonnen Eis, die jährlich verloren gehen, entsprechen dem Verbrauch der gesamten Weltbevölkerung in 30 Jahren, wenn man von drei Litern pro Person und Tag ausgeht“, sagte der Glaziologe aus der Schweiz.
Wie dramatisch es um die Gletscher bestellt es, lässt sich weltweit beobachten. Etwa in den Alpen, die laut Prognosen von Wissenschaftlern bis 2100 weitgehend gletscherfrei sein werden. Oder in den Polregionen, wo die Temperaturen noch schneller steigen als im globalen Mittel und wo das angeblich „ewige Eis“ dahinschmilzt wie ein Eisbällchen in der Waffel an einem heißen Sommertag. Und auch die Region um den Mount Everest, den höchsten Berg der Erde, macht keine Ausnahme.
Britische Wissenschaftsexpedition forscht im Frühjahr im Western Cwm
Der Schnee verschwindet dort selbst im Winter, auch in Höhen von über 6000 Metern zieht sich das Eis zurück. Der Südsattel des Mount Everest auf knapp 8000 Metern könnte nach Berechnungen von US-Wissenschaftlern schon 2050 komplett eisfrei sein.

Während der Klettersaison in diesem Frühjahr wollen britische Wissenschaftler im Western Cwm, dem Tal oberhalb des Khumbu-Eisbruchs bis zur Lhotseflanke, ihre Hypothese überprüfen. Sie nehmen an, dass die intensive Sonneneinstrahlung dort den Schnee auch bei Lufttemperaturen unter dem Gefrierpunkt zum Schmelzen bringt. Wenn das Schmelzwasser in der Folge wieder gefriere, so die Wissenschaftler, könnte es den Schnee um mehrere Grad erwärmen, wodurch Gletschereis entstehe, das viel näher am Schmelzpunkt liege, als bisher angenommen wurde.
Verschwindet der Khumbu-Gletscher bis Mitte des 22. Jahrhunderts?
2020 sagte ein Forscherteam um die britische Geowissenschaftlerin Ann Rowan voraus, dass selbst „bei einem moderaten Erwärmungsszenario“ des Weltklimas der Khumbu-Gletscher am Everest bis zum Jahr 2100 voraussichtlich 59 Prozent und bis zum Jahr 2200 rund 94 Prozent seines Eisvolumens verlieren werde – „begleitet von einem dynamischen Stillstand, der bis zum Jahr 2160 zum Absterben dieses ikonischen Gletschers führt“, wie die Forschenden damals wissen ließen.

Die Hunderten von Bergsteigerinnen und Bergsteigern, die sich in diesem Jahr am Everest versuchen, und auch die Icefall Doctors werden die veränderten Verhältnisse auch am Berg beobachten können: Mehr Blankeis auf der Route, damit ein erhöhtes Steinschlagrisiko, immer größere Spalten im Khumbu-Eisbruch. Aber das sind eher Luxusprobleme im Vergleich zu den Auswirkungen des Gletscherschwunds auf die Bergvölker im Himalaya oder andernorts auf der Welt.
Anlässlich des heutigen ersten „Welttags für die Gletscher“ warnen die Vereinten Nationen: „Die steigenden globalen Temperaturen führen dazu, dass sich die Gletscher in alarmierendem Tempo zurückziehen, was zu Wasserknappheit und einem Anstieg des Meeresspiegels führt und die Gefahr von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Erdrutschen erhöht.“
Einen Vorgeschmack erhielten die Menschen in der Everest-Region im August 2024, als der natürlich Damm eines Gletschersees brach und die Wasser- und Schlammmassen einen Großteil des Bergsteiger-Dorfs Thame verwüstete.